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Wie Luiza Trajano in der tiefen Provinz Brasiliens einen Börsenstar formte

Die 67-jährige Gründerin hat die Einzelhandelskette früh digitalisiert. Weltweit hat sich keine Aktie besser entwickelt als die von Magazine Luiza.

Es ist ein Ritual, das jeden Montagmorgen um 7.45 Uhr im Hauptquartier von Magazine Luiza, einer der größten Einzelhandelsketten Brasiliens in São Paulo beginnt. Meist trägt Luiza Helena Trajano, die 67-jährige Eigentümerin, via firmeneigenem Satellitennetz die Ergebnisse der Vorwoche vor. Die Geburtstagskinder der Woche werden geehrt. Danach singen die Angestellten die National- und die Unternehmenshymne.

Danach gehen die 26.000 Mitarbeiter in den 959 Filialen und digitalen Verkaufsplattformen an die Arbeit.

Das Prozedere klingt nach einem beschaulichen, familiengeführten Unternehmen, das den Sprung in die Gegenwart verpasst hat. Tatsächlich befindet sich das Hauptquartier von Magazine Luiza in der tiefen Provinz Brasiliens: In Franca, einer Kleinstadt 400 Kilometer nördlich von São Paulo.

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Doch der Eindruck täuscht. Nach einer Analyse der Boston Consulting Group aus 60.000 Aktien weltweit hat die von Magazine Luiza in den letzten fünf Jahren am stärksten zugelegt.

Seit Dezember 2015 hat die Aktie fast 20.000 Prozent an Wert gewonnen. BCG schaut dabei nicht nur auf Kursgewinne und ausgeschüttete Dividenden, sondern bewertet vor allem, ob die Kursgewinne fundamental gerechtfertigt sind.

Luiza Helena Trajano ist so etwas wie ein weiblicher Sam Walton Brasiliens, der Gründer der US-Einzelhandelskette Walmart. „Wir verkörpern die Inlandskultur – und haben damit die Städte erobert“, erklärt Luiza Helena, deren Familie über eine Holding rund zwei Drittel der Aktien hält. „Meu negócio e fazer vender“ steht als Mottospruch auf ihrem Schreibtisch: „Verkaufen – das ist mein Geschäft.“

Die 67-jährige Vollblutunternehmerin und Mehrheitsbesitzerin begann als Zwölfjährige im Verkaufsladen ihres Onkels, Waschmaschinen zu verkaufen. Eine Tante gründete „Magazine Luiza“. Den Namen ließ die Familie von den Zuhörern bei einem lokalen Radiowettbewerb auswählen.

Von der Provinz eroberte Trajano Stück für Stück die Städte Brasiliens. In wenigen Jahren baute sie eine Holding auf, die schon auf digitale Verkaufskanäle setzte, als es das Internet noch kaum gab.

Kurse für Kochen, Internet, Hygiene, Englisch – und alles kostenlos

In den Peripherien der brasilianischen Städte öffnete sie ab 1999 digitale Verkaufsläden, in denen Kunden auf Computerbildschirmen die Produkte aussuchen konnten. Einerseits, weil es zu unsicher und gefährlich ist, dort Läden voller Elektroartikel zu betreiben. Andererseits funktionierten die virtuellen Läden als eine Art Bürgerzentrum und schaffen die gewünschte Kundenbindung.

In einer Gegend, wo es keine Banken, staatlichen Stellen oder Fortbildung gibt, bietet sie Kurse und Vorträge für die Kunden. Kochen, Internet, Hygiene, Englisch. Alles kostenlos. Die Kunden sollen sich in diesem Ambiente, einer Mischung aus Verkaufs- und Jugendzentrum sowie Volkshochschule wohlfühlen – und natürlich aus der Liste der 10.000 Artikel bestellen.

Die Verkäuferinnen und Verkäufer bekommen bis heute ein geringes Fixum. Ihre Boni bemessen sich daran, wie viele Produkte mit hohen Renditen sie verkaufen. Auf dem Bildschirm können sie sehen, welche Produkte die größte Rendite und damit den meisten Zusatzverdienst bringen.

Und sie können auch verfolgen, wie viel Umsatz und Marge die Kollegen erzielen. Das schafft Transparenz, aber erhöht auch den Wettbewerbsdruck der Mitarbeiter untereinander.

Weil Magazine immer schon digital war, konnte Trajano ohne großen Aufwand die konventionellen Läden und digitalen Plattformen („Magalu“) kombinieren. „Anders als bei der Konkurrenz waren dafür keine großen Investitionen in Logistik notwendig“, heißt es bei der Investmentbank BTG Pactual.

Die über Brasilien verteilten Lagerhäuser, die Verkaufskanäle, die digitale Vernetzung innerhalb des Unternehmens – alles war fertig für die umfassende Digitalisierung. Schon seit Jahren erforschen Ökonomen und MBA-Jahrgänge der Harvard Business School Trajanos Geschäftsmodell. EY (vormals Ernst & Young) zeichnete die Trajanos als Weltfamilienunternehmer des Jahres 2017 aus.

Ihr Geschäftsmodell ist maßgeschneidert für die brasilianische Gesellschaft – mit schnellen Konjunkturwechseln, niedriger Kaufkraft, dynamischen Kundenwünschen bei gleichzeitig hoher Internetaffinität der Brasilianer, mit einer der höchsten Smartphonedichten weltweit.

Magazine Luiza hat dabei eine klare Zielgruppe – die Unterschicht und untere Mittelschicht. Wie kein zweites Unternehmen in Brasilien versteht Magazine Luiza es, den Markt am Fuß der Einkommenspyramide zu bedienen – ein Markt, der in Brasilien traditionell stark ist und weltweit Konzernen als Testmarkt für Low-Income-Strategien dient.

Vor allem ihr Sohn Frederico treibt die Digitalisierung des Konzerns seit 2000 voran. Der 43-jährige Betriebswirt mit einem Abschluss in Stanford hat zuvor vier Jahre als Analyst bei der Deutschen Bank gearbeitet. Er hat LuizaLabs als digitales Forschungslabor im Konzern gegründet, den Verkauf über Facebook ab 2010 eingeleitet, bevor er vor vier Jahren CEO wurde, „der erste Mann in der dritten Generation des Unternehmens“. Mutter Helena wechselte ins Board.

Überlebensgarantie für die „Apokalypse im Einzelhandel“

„Omni-channel“ nennt er seine digitale Strategie. Gegenüber dem US-Magazin „Forbes“ erklärte er, dass Magazine Luiza eines der wenigen wirklichen Multi-Channel-Unternehmen weltweit sei: „Uns gehören zahlreiche eigene Verkaufskanäle, die mit der gleichen Infrastruktur bedient werden bei Logistik, Marketing, Finanzen – und zudem von Anfang an Gewinne eingefahren hat.“

41 Prozent des Umsatzes von im letzten Jahr 20 Milliarden Real Gesamtumsatz (etwa 5,2 Milliarden Dollar) macht die Kette heute im E-Commerce. Die Analysten von Credit Suisse halten Magazine Luiza für eines der sieben Unternehmen weltweit, welche die „Apokalypse im Einzelhandel“ überleben werden.

Dennoch bleibt der smarte Frederico, der das „R“ immer noch so rollt, wie jemand, der aus dem Inland São Paulos kommt, seinen Wurzeln treu. „Das Magazin Luiza wird zu einem digitalen Unternehmen werden, aber mit Verkaufsläden und menschlicher Wärme“, sagt er. Wie seine Mutter sagt er: „Die Angestellten sind die Seele des Unternehmens.“

Trotz des Wettbewerbsdrucks auf die Verkäufer werden etwa bei Ladeneröffnungen auch die Familien der Mitarbeiter eingeladen. Seit 20 Jahren steht Magazine Luiza regelmäßig auf der Liste der beliebtesten Arbeitgeber Brasiliens ganz oben. Julio Ribeiro, einer der führenden PR-Strategen Brasiliens sagt: „Man glaubt Luiza, wenn sie sagt, dass sie alle ihre Mitarbeiter mit Namen kennt.“