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Lufthansa-Tarifkonflikt sorgt für Streit in der CDU

In der CDU ist ein Streit über Konsequenzen aus dem Lufthansa-Tarifkonflikt entbrannt. Auslöser ist die vom CDU-Wirtschaftsflügel geforderte Zwangsschlichtung. Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, wandte sich gegen entsprechende Überlegungen von Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU).

„Eine Zwangsschlichtung wäre ein massiver Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie und würde vor den Gerichten nicht halten“, sagte Bäumler dem Handelsblatt. Auch wenn der aktuelle Pilotenstreik für Außenstehende schwer nachvollziehbar sei, „sollte die Politik hier außen vor bleiben“, betonte der CDA-Vize. Fuchs hatte angesichts der neuerlichen Piloten-Streiks bei der kürzlich erklärt, dass nun „dringend die Möglichkeit zur Zwangsschlichtung“ nötig sei.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sei nun „gefordert, endlich entsprechend zu handeln“, hatte der CDU-Wirtschaftspolitiker der „Bild“-Zeitung gesagt. Er verurteilte den Streik der Lufthansa-Piloten: „Es kann nicht sein, dass ein paar Piloten immer wieder Hunderttausende in Geiselhaft nehmen“, so Fuchs.

Doch ein Ende des Pilotenstreiks ist nicht absehbar. Im Gegenteil, Reisende der Lufthansa müssen an diesem Dienstag und am morgigen Mittwoch erneut mit hunderten Flugausfällen rechnen. Wegen des Streiks fielen allein am Dienstag 816 Kurzstreckenflüge aus, sagte ein Lufthansa-Sprecher. Betroffen seien rund 82.000 Fluggäste. Die Flugzeugführer der größten deutschen Airline lassen die Arbeit seit Mitternacht wieder ruhen.

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Am Mittwoch sollen zusätzlich zu den Deutschland- und Europaflügen auch die Langstreckenjets am Boden bleiben. Insgesamt würden an beiden Tagen zusammen 1700 Flüge gestrichen. Hinter dem Streik steht die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit, die die Lufthansa bereits von Mittwoch bis Samstag größtenteils lahmgelegt hatte.

Die Tarifauseinandersetzung zieht sich seit April 2014 hin. Die Arbeitnehmervertretung fordert für 5400 Lufthansa-Piloten 3,7 Prozent mehr Geld im Jahr - einschließlich Nachzahlungen für vier Jahre. Die Lufthansa bietet 0,7 Prozent über eine Laufzeit von gut sechs Jahren. Darüber hinaus geht es in dem Clinch um die Alters- und Vorruhestandsversorgung der Flugzeugführer und den Ausbau des konzerneigenen Billigfliegers Eurowings. Die Fronten sind vollkommen verhärtet.


Piloten knüpfen Schlichtung an Bedingungen

„Solange wir kein verhandlungsfähiges Angebot haben, kann es immer wieder zu Streiks kommen“, sagte Cockpit-Vorstand Jörg Handwerg der „Süddeutschen Zeitung“. „Jeder Kunde muss entscheiden, ob er das Risiko einer Buchung eingeht oder andere Reisewege sucht.“

Eine Schlichtung in dem Tarifkonflikt lehnt die Pilotengewerkschaft aber nicht kategorisch ab. „Wir verweigern uns nicht einer Schlichtung“, sagte Cockpit-Vorstand Alexander Gerhard-Madjidi im Deutschlandfunk. Allerdings brauche man für eine Schlichtung ein verhandlungsfähiges Angebot des Arbeitgebers. „Das hat die Lufthansa nicht vorgelegt“, sagte Gerhard-Madjidi. Es sei nicht akzeptabel, dass die Erhöhung an anderer Stelle auch wieder kompensiert werden solle. „Insgesamt käme ein Minus von 15 Prozent dabei raus.“

Den Antrag der auf Untersagung des Ausstands der Piloten am Dienstag und Mittwoch hatte das Arbeitsgericht München am Montag abgewiesen. Eine Beschwerde vor der Berufungsinstanz zogen die Rechtsvertreter des Konzerns am Abend nach gut einstündiger Verhandlung zurück.

Könnte vor diesem Hintergrund eine Zwangsschlichtung helfen, den Konflikt zu beenden? Wohl kaum. Denn die vom CDU-Wirtschaftsflügel ins Spiel gebrachte Maßnahme gibt es nach deutschem Recht nicht, weil sie in die Belange der verfassungsrechtlich geschützten Tarifpartner eingreifen würde. In der Weimarer Republik hatte man nach großen Streikwellen 1923 eine staatlich kontrollierte Zwangsschlichtung eingeführt, die dem Arbeitsminister das letzte Wort zubilligte.

Arbeitsministerin Nahles sieht aber offenbar keinen Handlungsbedarf und würde dafür auch keinen Rückhalt bei den Gewerkschaften finden. „Die Tarifautonomie gilt, und deswegen ist es jetzt den Tarifpartnern überlassen, da eine Lösung zu finden“, sagte erst kürzlich ein Sprecher von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).


Im Bauhauptgewerbe ist „Einlassungszwang“ als Druckmittel erlaubt

Ähnlich hatte sich auch der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert, geäußert. Die Streiks seien zwar auf Dauer eine „Mobilitätsbelastung“, sagte der SPD-Politiker. Die Tarifautonomie und mit ihr das Streikrecht seien aber ein hohes Gut, das sich über Jahrzehnte bewährt habe. „Ich halte nichts davon, nun gesetzgeberisch tätig zu werden.“

Politiker der Union hatten bereits bei den wiederholten Lokführerstreiks im vergangenen Jahr die Möglichkeit einer Zwangsschlichtung gefordert. Damals erklärte der Tarif-Experte der gewerkschaftlichen Boeckler-Stiftung, Reinhard Bispinck die Maßnahme als untauglich, da nach geltendem Recht eine Schlichtung „von den Partnern in allen Details vereinbart werden und absolut freiwillig sein“ müsse.

Ein Einfluss des Staates wie auf die 1923 eingeführte Zwangsschlichtung in der Weimarer Republik wäre aus seiner Sicht „absolut verfassungswidrig“. Im Grundgesetz habe man sich bewusst für die Vereinigungsfreiheit und Tarifautonomie entschieden.

In einigen Branchen- und Haustarifen gibt es laut Bispinck freiwillige Schlichtungsvereinbarungen. Lediglich im Bauhauptgewerbe kann eine Seite die andere per „Einlassungszwang“ in die Schlichtung bewegen. Allerdings ist auch hier der mögliche Schlichterspruch keineswegs bindend für die Parteien. Schlichtungen würden vergleichsweise selten angestrengt, führten dann aber sehr häufig auch zum Abschluss. Meist ist die Schlichtungsphase mit einer Friedenspflicht verbunden. Das heißt, es darf weder gestreikt noch ausgesperrt werden.

Eines der bekanntesten Beispiele einer nicht angenommenen Empfehlung ist die Schlichtung bei der Deutschen Bahn im Jahr 2007. Damals hatten die CDU-Größen Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler einen Schlichterspruch verkündet, doch die Lokführergewerkschaft GDL mit Manfred Schell und die Deutsche Bahn mit Hartmut Mehdorn an der Spitze stritten noch mehrere Monate weiter.

KONTEXT

Streitpunkte: Das fordern die Lufthansa-Piloten

Vergütung

Seit fast vier Jahren verhandelt die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit über höhere Vergütungen, hat bislang aber alle Angebote der Lufthansa abgelehnt. Den Piloten hatte die Airline zuletzt ein Lohnplus von 2,5 Prozent bis Ende 2018 angeboten. Die VC verlangt Tariferhöhungen von zusammen 22 Prozent über einen Zeitraum von fünf Jahren bis April 2017. Die Piloten der Fluggesellschaft erhalten aber auch ohne tarifliche Erhöhungen jedes Jahr automatisch einen Zuschlag von drei Prozent auf ihr Gehalt - bis zu einem Alter von 55 Jahren.

Vorruhestand

Früher mussten Piloten mit 55 Jahren in den Ruhestand gehen - und erhielten für die Zeit bis zum offiziellen Renteneintritt 60 Prozent ihres letzten Gehalts. Doch nicht nur das Bundesarbeitsgericht kippte diese Altersgrenze, sondern auch der Europäische Gerichtshof - und zwar auf Klage mehrerer Piloten. Entsprechend versucht der Vorstand, die sogenannte Übergangsvergütung zu verringern.

Altersrente

In der betrieblichen Altersversorgung garantierte Lufthansa bislang eine Verzinsung von sechs bis sieben Prozent des eingezahlten Betrags. Weil dies in Zeiten der Nullzinspolitik zu überbordenden Pensionsrückstellungen führt, will man sich von der Zusage trennen.

KONTEXT

Immer wieder Streiks bei Lufthansa und ihren Töchtern

Frühjahr 2001

Flugkapitäne der Lufthansa legen mehrmals die Arbeit nieder. Von dem Premieren-Streik sind mehrere tausend Verbindungen betroffen. Am Ende erstreitet die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) ihren ersten Tarifvertrag. (Quelle: DPA)

Sommer 2008

Das Boden- und Kabinenpersonal der Lufthansa streikt fünf Tage lang. Mehrere hundert Flüge fallen aus. Die Gewerkschaft Verdi und das Unternehmen einigen sich am Ende auf höhere Gehälter.

September 2012

Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo verursacht den bis dahin größten Ausfall an einem einzigen Streiktag in der Geschichte der Lufthansa. Rund 1000 Flüge werden gestrichen, es trifft über 100.000 Passagiere. Beide Seiten beschließen eine Schlichtung.

April 2013

Ein Warnstreik des Bodenpersonals legt den Flugverkehr der Lufthansa in Deutschland fast lahm. Der Airline zufolge sind rund 150.000 Passagiere betroffen. Im Mai verabreden Verdi und der Konzern anschließend gestufte Entgelterhöhungen und einen Kündigungsschutz.

2. bis 4. April 2014

Start einer Streikserie von mittlerweile 13 Runden der Lufthansa-Piloten. Anfangs fallen rund 3800 Flüge aus. Es geht um Übergangsrenten, Gehalt, Altersvorsorge und im Hintergrund auch immer um die Billigtochter Eurowings.

6. Juli 2015

Die Piloten erklären die im Mai begonnene Schlichtung für gescheitert. Drei Wochen später bieten sie Lufthansa Einsparungen von über 400 Millionen Euro an, um Job-Verlagerungen zu verhindern.

8. bis 9. September 2015

16 Stunden Ausstand auf der Langstrecke sowie am folgenden Tag auch auf den Kurz- und Mittelstrecken. Das Landesarbeitsgericht Hessen erklärt den Ausstand für unrechtmäßig, weil die VC tariffremde Ziele verfolge.

6. November 2015

Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo startet einen einwöchigen Ausstand des Lufthansa-Kabinenpersonals. Der Konflikt wird schließlich vom SPD-Politiker Matthias Platzeck geschlichtet.

27. Oktober 2016

Ufo ruft bei Eurowings und Germanwings das Kabinenpersonal zu einem 24-stündigen Streik auf.

22. November 2016

Ufo-Mitglieder legen an den Standorten Düsseldorf und Hamburg die Arbeit nieder.

23. November 2016

Nachdem Verhandlungen über die Vergütung von rund 5400 Piloten der Kerngesellschaft Lufthansa und der Tochter Germanwings gescheitert sind, ruft die VC erneut zum Streik auf.

KONTEXT

Kleine Gewerkschaften mit großer Macht

Vereinigung Cockpit (VC)

Der "Verband der Verkehrsflugzeugführer und Flugingenieure in Deutschland" setzt sich für die Interessen von rund 9300 Cockpit-Besatzungsmitgliedern aus allen deutschen Airlines und von Verkehrshubschrauberführern ein.

Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF)

Zu den etwa 3900 Mitgliedern gehören Lotsen in den Towern, bei der militärischen Flugsicherung und bei den Vorfeldkontrollen.

Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo)

Nach eigenen Angaben ist sie die einzige deutsche Gewerkschaft, die sich ausschließlich für das fliegende Kabinenpersonal einsetzt. Die Ufo hat gut 10 000 Mitglieder.

Arbeitnehmergewerkschaft im Luftverkehr (AGiL)

Die erst Ende 2012 gegründete Gruppierung gilt als neuer Machtfaktor im Lufthansa-Konzern. Nach eigenen Angaben vertritt sie alle Beschäftigten von Fluggesellschaften, Airportbetreibergesellschaften und Dienstleistungsunternehmen mit Bezug zur Luftfahrtbranche.

Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL)

Sie hat rund 34.000 Mitglieder und ist Tarifpartner der Deutschen Bahn und mehrerer Privatbahnen. Nach eigenen Angaben organisiert sie mehr als 80 Prozent der Lokomotivführer und zahlreiche Zugbegleiter.

Marburger Bund (MB)

Die nach eigenen Angaben einzige tariffähige Ärztegewerkschaft in Deutschland kämpft unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen ihrer rund 115 000 Mitglieder in Kliniken.