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LUFTHANSA IM FOKUS: Im Tiefflug in die Corona-Krise

FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Ausbreitung des Coronavirus bringt Fluggesellschaften und damit auch die Lufthansa <DE0008232125> in schwere Turbulenzen. Aus Angst vor der Epidemie lassen Kunden gekaufte Tickets verfallen, die Buchungen brechen ein, und Vorstandschef Carsten Spohr will bis zur Hälfte aller Flüge streichen. Dem Schrecken an der Börse flog die Lufthansa-Aktie voraus - tief nach unten. Was beim Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI DER LUFTHANSA:

Erst stoppte die Lufthansa alle Flüge nach China, wo die Epidemie ihren Anfang nahm. Sie kürzte den Flugplan auf den Asien-Strecken sowie nach Italien, wo die Regierung erst einen Teil und mittlerweile sogar das ganze Land zur Sperrzone erklärt hat. Am Freitag kündigte der Konzern an, sein gesamtes Flugangebot in den kommenden Wochen um bis zu 50 Prozent zurückzufahren. Die 14 größten Maschinen vom Typ Airbus <NL0000235190> A380 will der Vorstand nach Möglichkeit komplett am Boden lassen. Mitarbeiter sollen unbezahlten Urlaub nehmen oder vorerst auf Teilzeit wechseln.

Mit seinem Krisenmanagement will Spohrs Führungsteam den Schaden für den Konzern zumindest begrenzen. Wenn schon ein großer Teil der Einnahmen aus Ticketverkäufen wegfällt, sollen auch die Kosten so stark wie möglich runter. Mit weitgehend leeren Flugzeugen durch die Welt zu fliegen, sorgt bei jeder Airline schnell für rote Zahlen.

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Inzwischen bleiben der Lufthansa offenbar nicht nur auf den Strecken in die Krisenregionen die Kunden weg. Auch auf den Europastrecken abseits Italiens wird der Flugplan ausgedünnt, selbst auf innerdeutschen Strecken heben weniger Jets ab. Die Lufthansa könne nicht alle halbe Stunde mit spürbar leereren Maschinen fliegen, sagte ein Unternehmenssprecher Anfang vergangener Woche.

Am Donnerstag sagte allein die Kernmarke Lufthansa 7100 Flugpaare bis Ende März ab. Ähnliche Streichungen gibt es bei den Konzerntöchtern Austrian, Swiss, Eurowings und Brussels. Nach China, Iran und Israel sind ihre Flüge komplett ausgesetzt. Der Lufthansa-Konzern hat rund 780 Flugzeuge in der Flotte. Im vergangenen Jahr absolvierten sie durchschnittlich 3226 Flüge pro Tag.

Der Nachfrageeinbruch könnte die Luftfahrtbranche in diesem Jahr eine dreistellige Milliardensumme an Umsatz kosten, schätzt der Branchenverband IATA. Je nachdem, ob sich die Epidemie auf weitere Länder ausbreite, gingen den Airlines im Passagiergeschäft voraussichtlich Erlöse von 63 bis 113 Milliarden US-Dollar (56 bis 100 Mrd Euro) verloren. Das wäre ein Einbruch um 19 Prozent - vergleichbar mit den Folgen der weltweiten Finanzkrise 2008/2009.

Die Lufthansa hat bereits alle Neueinstellungen gestoppt, und wenn tatsächlich viele Mitarbeiter unbezahlten Urlaub nehmen oder Teilzeit arbeiten, könnte das die Kassen des Konzerns schonen. Die Bundesregierung hat Rufe aus der Wirtschaft nach Erleichterungen bei der Kurzarbeit erhört. Die Lufthansa hatte dieses Mittel schon Ende Februar ins Auge gefasst. Helfen könnten dem Konzern auch die zuletzt gesunkenen Ölpreise. Allerdings kauft die Airline ihren Treibstoff üblicherweise lange im Voraus ein. Auch sinkende Kerosinpreise wirken sich dadurch erst mit großer Verzögerung aus.

Was die Virus-Epidemie für die Gewinnentwicklung des Konzerns bedeutet, wagt der Vorstand noch nicht abzuschätzen. Noch ist offen, ob sich die Ausbreitung des Virus abbremsen lässt - und wie Menschen darauf reagieren. Derzeit streichen viele Unternehmen Dienstreisen ihrer Mitarbeiter, und viele Privatleute haben ihren Sommerurlaub noch nicht gebucht.

In Italien ist der Tourismus komplett eingebrochen. Und der Chef des Touristikkonzerns Tui <DE000TUAG000>, Fritz Joussen, hatte schon vor rund vier Wochen vorausgesagt, dass die Branche in diesem Jahr wohl weniger Reisen verkaufen werde als 2019. Da war das jetzige Ausmaß der Corona-Krise noch gar nicht bekannt. Auch der Lufthansa-Konzern bietet Flüge zu vielen Warmwasserzielen an - und ist dabei auch mit Reiseveranstaltern im Geschäft.

Schon im vergangenen Jahr waren die Vorzeichen für den Kranich-Konzern alles andere als gut. Hatte die Lufthansa nach der Pleite von Air Berlin in den Jahren 2017 und 2018 mit fast drei Milliarden Euro noch die höchsten operativen Gewinne ihrer Geschichte eingeflogen, machte 2019 vor allem der Preiskampf auf den Europastrecken die Pläne zunichte. Im Juni musste der Vorstand seine ohnehin schon bescheidenere Prognose für den operativen Gewinn (bereinigtes Ebit) auf 2,0 bis 2,4 Milliarden kappen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für die Lufthansa-Aktie gab es schon seit dem Börsen-Hype um die Teilübernahme von Air Berlin praktisch nur noch eine Richtung, und zwar nach unten. Wer darauf spekulierte, dass der Kranich-Konzern nach dem Ende von Air Berlin die Ticketpreise bestimmen und seine Gewinne weiter nach oben treiben könnte, wurde schnell eines Besseren belehrt - und an der Börse abgestraft.

Hatte das Papier Anfang 2018 noch ein Rekordhoch von 31,26 Euro erreicht, war es an diesem Montag zu Börsenschluss mit 10,535 Euro für kaum mehr als ein Drittel davon zu haben. Allein seit dem Jahreswechsel 2019/2020 ging es für den Aktienkurs um rund die Hälfte abwärts. Am stärksten abwärts ging es seit Rosenmontag, als das Ausmaß der Corona-Krise an den Aktienmärkten erstmals richtig durchschlug. Seit dem Fastnachts-Wochenende steht bei der Lufthansa-Aktie ein Minus von knapp 29 Prozent zu Buche. Andere Aktien im Dax <DE0008469008> wie die der Deutschen Bank wurden aber noch schlimmer getroffen.

Von seinen absoluten Tiefständen ist das Lufthansa-Papier auch noch weit entfernt. In den Krisenjahren der Luftfahrt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sackte der Kurs zeitweise auf weniger 7 Euro ab. Und Anfang der 1990er-Jahre war die Aktie für gut vier Euro zu haben.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Branchenexperten kommen wie die Lufthansa-Führung bei der Einschätzung der Krisenfolgen kaum hinterher. Von den 15 im dpa-AFX Analyser erfassten Analysten haben seit Rosenmontag nur acht ihre Einschätzungen für die Aktie überarbeitet. Von Krisenmodus ist dabei zumindest im Schnitt wenig zu sehen. Alle Experten zusammen schreiben dem Papier im Schnitt ein Kursziel von gut 15 Euro zu. In den neueren Analysen liegt der Schnitt mit knapp 16 Euro noch etwas höher.

Bei den Anlageempfehlungen sieht es anders aus. Sind die Einstufungen insgesamt mit jeweils fünfmal "Kaufen", "Halten" und "Verkaufen" noch ausgeglichen, geht der Trend bei den neueren Analysen auch mit Blick auf den jüngsten Kursrutsch stark in Richtung Kaufkurse. Von acht Experten rät die Hälfte zum Kauf der Aktie, nur einer zum Verkauf und drei zum Halten.

Die Geschäftseinbußen infolge des Coronavirus könnten sich bei Europas Fluggesellschaften als signifikant erweisen, schrieb Analyst Jarrod Castle von der Schweizer Großbank UBS. Noch sei aber völlig unklar, wie stark und wie dauerhaft die Belastung für die einzelnen Airlines sein werde. Er sieht die Lufthansa-Aktie weiterhin auf dem Weg in Richtung 18 Euro. Dazu müsste der Kurs derzeit um rund zwei Drittel zulegen.

Pessimistischer zeigte sich sein Kollege Sven Diermeier vom Analysehaus Independent Research. Sinkende Ölpreise könnten die Nachfrageschwäche im Zuge der Coronavirus-Krise bei Weitem nicht kompensieren, schrieb er am Montag. Sein Kursziel für die Lufthansa-Aktie strich er daher von 19 auf 11,80 Euro zusammen, beließ seine Einstufung aber auf "Halten".