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Lufthansa-Cargo-Chef warnt – „Es kann auch schnell wieder abwärts gehen“

Es ist ein Thema, das Peter sichtlich liegt: Wie managt man Volatilität? Das musste der Vorstandschef von Lufthansa Cargo im vergangenen Jahr beweisen, als schlagartig die Nachfrage anzog – mitten im Abbau von 800 Stellen. Gut gelaunt und mit viel Empathie präsentiert der Luftfahrtmanager in seinem Büro am Frankfurter Flughafen seine beiden zentralen Lehren aus dieser Erfahrung: Die Nachfrage hat immer weniger mit dem politischen Umfeld zu tun. Und persönliche Kommunikation ist in Krisen das beste Mittel gegen digitale Empörung.

Der Ölpreis steigt, Experten prognostizieren schon Preise von 100 Dollar je Fass. Kommt jetzt der Absturz der Wirtschaft?
Nein, zumindest nicht bei uns im Luftfrachtgeschäft. Auch ein steigender Ölpreis wird uns nicht signifikant bremsen. Das liegt daran, dass Schwankungen der Treibstoffpreise bei uns über eine Surcharge, in die im wesentlichen Treibstoff- und Sicherheitskosten einfließen, aufgefangen werden.

Sie meinen den Treibstoffzuschlag?
Genau. Der ist als Bestandteil der Surcharge mittlerweile breit akzeptiert, denn wir erheben ihn transparent, also analog zum Ölpreis.

Also brummt das Geschäft bei Ihnen weiter?
Das erste Quartal war sehr gut. Ich darf keine Details zur aktuellen Situation nennen, aber so viel kann ich sagen: Es hat seitdem keine Veränderung gegeben. Ja, das Geschäft läuft weiter gut.

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Warum dann die Warnungen vieler Analysten, was die kommenden Monate in der Luftfahrt angeht?
Man muss zum einen zwischen Passagier- und Frachtgeschäft trennen. In der Passage können sich steigende Treibstoffkosten durchaus anders auswirken. Zum anderen beobachte ich schon seit einiger Zeit einen Trend hin zu übertriebenen Reaktionen und Warnungen von Experten, etwa wenn sich Marktbedingungen leicht verändern.

Ist das vielleicht eine Folge der zunehmenden Volatilität? Sie selbst hatten noch zu Beginn 2017 für das Jahr einen Verlust prognostiziert. Am Ende stand ein operatives Ergebnis von fast 300 Millionen Euro in den Büchern, was auch Sie nach eigenen Worten überrascht hat.
Ich persönlich habe nicht den Eindruck, dass es mehr Schwankungen gibt. Was aber passiert ist: Die Welt wird immer schneller und globaler. Informationen sind sofort überall verfügbar. Wenn aber Informationen immer gleichzeitiger werden, erfolgen auch die Reaktionen viel schneller und massiver. Die Folge: Auch wenn die Volatilität unverändert ist, werden die Spitzen höher und die Täler tiefer.

Können Sie das mit einem Beispiel plakativ machen?
Die Jungs und Mädchen in Schanghai, Frankfurt, Chicago oder Sao Paulo bewegt zu mindestens 80 Prozent dasselbe zu gleichen Zeit. Dadurch verbreiten sich zum Beispiel Modewellen global viel schneller als noch vor einigen Jahren. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von Menschen, die konsumfähig sind, weil der Wohlstand zunimmt. Dieser zweite Aspekt wird gerade in Teilen der westlichen Welt übersehen. Es sind viel weniger Leute nach der UNO-Definition arm als noch vor 30 Jahren. Und viele dieser Menschen bestellen im Internet, also grenzenlos. Sie erwarten, dass die Ware nicht erst in zwei Monaten kommt, sondern jetzt. Deshalb werden Dinge per Luftfracht verschickt, die wir vor einigen Jahren noch nicht an Bord hatten wie zum Beispiel Mode. Das wiederum verstärkt wie beschrieben die Nachfrageausschläge.

Weil alle wissen, dass in zwei Monaten der Hype vorbei ist beziehungsweise der nächste schon im Anmarsch ist?
Ja, aber nicht nur das. Auch die Lieferketten werden immer breiter und globaler. Zulieferer sitzen weltweit verteilt, was für eine kontinuierliche Logistiknachfrage sorgt. Die ist mittlerweile so stark, dass sie in Teilen sogar unabhängig von politischen Entscheidungen geworden ist. Zwar nehmen die nationalistischen Töne in vielen Regionen der Erde zu. Aber gleichzeitig haben wir zum Beispiel im vergangenen Jahr so viele Autokomponenten nach Mexiko geflogen wie nie zuvor – obwohl Importbeschränkungen im Raum stehen.

Ein Weltwirtschaftssystem, das auf die Politik pfeift?
Ich glaube, dass wir eine Weltwirtschaft haben, die zumindest in Teilen der regionalen politischen Einflussnahme entzogen ist.

Ist das gut oder schlecht?
Das ist eine schwierige Frage: Einerseits sorgt das natürlich für wirtschaftliche Stabilität. Warum sonst erleben wir seit Jahren eine grundsätzlich so stabile Nachfrage. Andererseits ist die politische Steuerung der Wirtschaft damit zunehmend schwieriger geworden, was sich ja auch in der Diskussion um die Macht der großen Internetkonzerne zeigt. Das ist eine zentrale Frage der Digitalisierung, die zumindest aktuell noch unbeantwortet ist.

Daten erhöhen aber doch die Transparenz, was wiederum bei Entscheidungen helfen soll. Bei Ihnen klingt das irgendwie anders.
Es ist eine persönliche Beobachtung, keine wissenschaftlich belastbare. Aber ich habe das Gefühl, dass die Menschen viel stärker als früher nur noch im Ist leben, also die wirklich aktuelle Situation wahrnehmen, weil diese durch die Kommunikationsmedien vielfach verstärkt wird. Die Folge: Jede Veränderung dieses Ist-Zustands bereitet Sorgen. Eine solide Planung erfordert aber eine differenzierte Gewichtung von Entwicklungen und Szenarien. Wir erleben eine Verhaftung im Ist, und das halte ich für gefährlich.

Warum ist das so gefährlich?
Weil man damit verlernt, Veränderungen zu bewältigen und zu beherrschen. Ein ganz simples Beispiel aus unserem Geschäft: Ich erlebe im Luftfrachtgeschäft immer wieder Menschen, die, obwohl der aktuelle Boom noch recht jung ist, vergessen, wie schnell es auch wieder abwärts gehen kann. Wenn ich dann sage, erinnert euch an die Situation vor zwei Jahren, ernte ich zuweilen verständnislose Blicke. Als ich vor zwei Jahren wiederum sagte, dass die damalige Schwächephase wieder vorbeigehen würde, haben ebenso viele davon gesprochen, dass es schon bald keine Lufthansa Cargo mehr geben werde.

Wie kann man als Manager in diesem Umfeld Veränderungen durchsetzen und von der Belegschaft mehr Flexibilität verlangen?
Das ist tatsächlich nicht einfach. Das habe ich selbst vor zwei Jahren erlebt. Aussagen bekommen plötzlich eine enorme Wucht, nur weil sie multipliziert werden. Nur durch das Echo werden diese aber nicht richtiger und substanzieller. In dieser von extremen Positionen gekennzeichneten Situation ist es unheimlich schwer, zu sagen: Wir müssen jetzt erst mal stehen bleiben und alles genau analysieren.

Das klingt nach langen und intensiven Diskussionen mit ihrer Belegschaft, als es vor zwei Jahren bergab ging.
Ja, aber was uns hilft, ist die seit langem eingeübte Flexibilität im Unternehmen. Auch wenn in guten Zeiten die schlechten schnell vergessen sind, im Grunde wissen hier alle, wie zyklisch das Geschäft ist. Und sie wissen, dass man darauf reagieren muss. Das gilt für die Führungskräfte, aber ebenso für alle Mitarbeiter.

Nun kam der Nachfrageboom just zu einer Zeit, in der ein Restrukturierungsprogramm lief, das den Abbau von 800 Stellen vorsah. Gab es keine Forderung, das Programm sofort zu stoppen?
Nein. Das liegt aber auch daran, dass wir einen großen Teil an Mitarbeitern haben, der dicht am Kunden ist. Sie wissen genau, was draußen am Markt vor sich geht. Und sie wissen auch, dass eines unserer Probleme die Kostenstrukturen waren und immer noch sind – auch wenn wir viel erreicht haben.

Gut, bleibt das Problem, wo man Arbeitskräfte für den schlagartigen Nachfrageboom hernimmt, wenn man gerade 800 Mitarbeiter nach Hause schickt.
Wir haben in den Bereichen, in denen es operativ notwendig war, auch neu eingestellt. Wir haben gegenüber der Belegschaft stets gesagt, dass wir nicht einfach nur radikal einschneiden, so dass am Ende vielleicht draußen die Fracht steht und in der Halle keine Leute mehr sind, um diese zu bearbeiten.

Dennoch wundert es, dass die Gewerkschaften das so geschluckt haben. Die emotionale Debatte um die geplante Schließung des Siemens-Werkes in Görlitz zeigt ja, wie schwer Kommunikation bei solchen Themen ist.
Wir haben hier aber einen sehr guten und weitblickenden Betriebsrat. Am Ende müssen sie so etwas auf betrieblicher Ebene regeln. Wir haben hier, glaube ich, soweit es ging offen und transparent kommuniziert und die Leute fair behandelt. Auch wenn ich weiß, dass es für jeden individuell extrem bitter ist. Da gibt es gar nichts drumherum zu reden.

Also haben Sie die digitale Empörungswelle mit intensiver persönlicher Kommunikation gekontert…
…ohne Vertrauen ist eine solche Situation kaum zu bewältigen, weil nur dann Entscheidungen auch akzeptiert werden. Vertrauen können sie aber nur durch persönliche Kommunikation aufbauen, und das über viele Jahre. Da nützt die Digitalisierung per se nichts.

Aber vielleicht hilft sie Ihnen ja bei der weiteren Effizienzsteigerung?
Absolut. Ein Beispiel: Heute werden Transaktionen noch zu einem gewissen Teil per Telefon gesteuert. Wenn das morgen dann durch intelligente Systeme erledigt wird, werden wir auch weniger Mitarbeiter am Telefon benötigen, die dann vielleicht stärker am Kunden arbeiten können und mehr Aufträge besorgen. Oder ein anderes Beispiel: Wenn alle irgendwann auf die gleichen und umfassenden Daten zugreifen können, sind Kapazitäten viel besser zu planen und an den Bedarf anzupassen Das bietet enorme Effizienzvorteile und große Einsparungen.

Inwieweit helfen Ihnen andere Plattformen wie etwa die gemeinsam mit DHL betriebene Frachtfluggesellschaft Aerologic oder die Partnerschaften mit der japanischen ANA und der amerikanischen United Continental?
Das hilft sehr. Es ist grundsätzlich gut, mehrere Plattformen zu haben, weil man damit flexibel anbieten kann und Reserven hat. Wenn hier in Frankfurt ein Frachtstück mit Lufthansa nicht mitkommt, kann es wenige Stunden später doch noch mit einem United-Flug transportiert werden. Dann verdient daran zwar in erster Linie United, aber unser Kunde ist zufrieden und bleibt.

Werden Sie denn Aerologic weiter stärken, etwa durch neue Frachter? Zwei neue Boeing 777 hat der Aufsichtsrat ja gerade genehmigt.
Es ist aber noch nicht entschieden, wo diese hingehen werden. Grundsätzlich denken wir natürlich darüber nach, was wir mit Aerologic weiter vorhaben. Aber da gibt es noch nichts zu berichten.

Herr Gerber, vielen Dank für das Interview.