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Die Luftfracht boomt – und setzt auch auf leere Passagierjets

Der Chef von Lufthansa Cargo appelliert, die Straßen für Gütertransporte offenzuhalten. Außerdem fordert er ein Ausstiegsszenario für die Corona-Beschränkungen.

DB Schenker und Lufthansa Cargo transportieren Atemschutzmasken aus China in einem Passagierflugzeug. Foto: dpa
DB Schenker und Lufthansa Cargo transportieren Atemschutzmasken aus China in einem Passagierflugzeug. Foto: dpa

Peter Gerber hat schon viele Krisen erlebt: mal als Personalvorstand der Passagiersparte von Lufthansa, aktuell als Chef der Frachttochter Lufthansa Cargo. Corona, da hat der Manager keinen Zweifel, stellt aber alles bisher dagewesene in den Schatten.

Dabei hat es Gerber, zumindest relativ gesehen, sogar noch besser als seine Kollegen im Passagiergeschäft. Am Mittwoch erklärte die Lufthansa, dass sie Kurzarbeit für weltweit 87.000 Beschäftigte bei den Passagier-Airlines, Lufthansa Technik und der Catering-Tochter LSG angemeldet hat.

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Während im Passagiergeschäft fast nichts mehr geht, weil die Länder ihre Grenzen zugemacht haben, läuft das Frachtgeschäft auf Hochtouren. „Wir fliegen derzeit alles, was wir fliegen können. Und zwar auch mit der unter den Rahmenbedingungen möglichen maximalen Produktivität“, sagt Gerber im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Das Coronavirus hat eine Branche in die Öffentlichkeit gezerrt, die in normalen Zeiten eher weniger Aufmerksamkeit bekommt. Das Fliegen von Kisten und Frachtcontainern wird von den meisten Menschen mit einer deutlich geringeren Emotionalität betrachtet als das mit Passagieren an Bord, die von netten Crew-Mitarbeitern versorgt werden.

Doch jetzt, da viele Grenzen dicht sind, Schiffe und teilweise auch Lastwagen nur noch eingeschränkt fahren, wird die Luftfracht für die Versorgung der Bürger und Unternehmen dringend gebraucht. „Jetzt zeigt sich, dass Luftfracht systemrelevant ist, gerade für so extrem exportorientierte Wirtschaftsnationen wie Deutschland, Frankreich oder etwa Japan“, sagt Gerber, schickt aber sofort mahnende Worte hinterher. „Luftfracht muss man immer zusammen mit dem Lkw sehen.“

Da aktuell aber bei weiter entfernten Zielen in Europa das engmaschige Netz des Passagierverkehrs fehle, sei man auch hier auf die Straße angewiesen. „Wenn diese Verbindung irgendwann nicht mehr bestünde, hätten wir in Europa ein ziemlich großes Problem. Ich kann nur appellieren, diese Handelswege offen zu halten.“

Frachtkunden sind gut beschäftigt

Äußerungen von Topmanagern wie etwa dem Daimler-Chef Ola Källenius, der die Lieferketten in Gefahr sieht, kann der Lufthansa-Manager gut nachvollziehen. „Ich teile die Sorge, dass die weltweiten Lieferketten abreißen könnten. Die Luftfracht macht gerade einmal knapp zwei Prozent des weltweiten Frachtaufkommens aus. Das größte Volumen wird mit dem Schiff oder dem Lkw transportiert.“

Ohne Luftfracht würde in der aktuellen Krise trotzdem kaum noch etwas gehen. Das weiß auch Götz Ahmelmann. Er ist Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, zu der der Flughafen Leipzig/Halle gehört, das fünftgrößte Frachtdrehkreuz in Europa. „Wir sehen, dass unsere Frachtkunden wie DHL und andere an unserem Flughafen derzeit gut beschäftigt sind“, sagt er. Momentan würden viele medizinische Geräte, Pharmaprodukte, Hilfsgüter und vor allem Waren zur Versorgung der Menschen geflogen.

Erst vor kurzem habe der Flughafen das Zertifikat für den sensiblen Transport von temperaturempfindlichen Pharmazeutika bekommen, das Interesse der Kunden sei groß. „Wir konzentrieren uns darauf, dafür zu sorgen, dass beim Thema Expressfracht, die enorm eng getaktet ist, die Abläufe reibungslos funktionieren.

Das ist gerade in Zeiten wichtig, in denen an anderer Stelle Lieferketten wegen Corona unterbrochen sind“, sagt der Flughafen-Manager: „Wir unternehmen alles, damit wir auch in dieser sicherlich schwersten Krise der Luftfahrt den Betrieb aufrechterhalten können.“

Das ist allerdings nicht immer ganz einfach. Jeden Tag würden sich die Beschränkungen ändern, berichtet Gerber von Lufthansa Cargo. Dennoch müsse er eine Lanze für die Behörden in Deutschland, in Europa und auch international brechen. „Es ist sehr schnell verstanden worden, dass Luftfracht eine hohe Priorität genießen und man die Handelswege offenhalten muss. Ich stelle ein hohes Maß an Pragmatismus und auch eine gewisse Innovationsbereitschaft auf Behördenseite fest.“

Dennoch gibt es immer wieder Probleme, wie der Weltdachverband der Fluggesellschaften IATA in den zurückliegenden Tagen mehrfach betont hat. „Wir sehen immer noch Beispiele von Frachtflügen mit lebensrettenden medizinischen Hilfsgütern und Ausrüstungen, die aufgrund umständlicher und bürokratischer Verfahren zur Sicherung von Slots und Betriebsgenehmigungen am Boden bleiben. Das gefährdet Leben“, mahnte Iata-Chef Alexandre de Juniac erst vor wenigen Tagen.

Einsatz von Passagierflugzeugen rechnet sich

Rund die Hälfte der Luftfracht wird in der Regel in den Bäuchen der Passagier-Jets befördert, die nun fehlen. Um diese Lücke zu schließen, setzen Fluggesellschaften immer häufiger Passagier-Maschinen für den reinen Frachttransport ein. Lufthansa etwa hat dazu kürzlich eine A330 genutzt. „Wir planen in den nächsten zwei Wochen weitere Einsätze etwa mit der A330“, sagt Gerber. Es sei eine Ausnahmesituation. Man brauche die Kapazität, denn Dinge müssten dringend transportiert werden, etwa medizinische Hilfsgüter.

Allerdings können diese Flugzeuge nicht so viel transportieren, wie ein reiner Fracht-Jet. Ein Boeing 777-Frachter hat zum Beispiel eine Nutzlast von rund 100 Tonnen. „Man kann mit einer Passagiermaschine in der Regel ungefähr 30 Tonnen Fracht transportieren.

Wir nutzen vor allem die Bäuche und ein wenig auch die Kabine, müssen aber aufpassen, die Ausstattung dort nicht zu beschädigen“, beschreibt Gerber das Vorgehen. Die Preise seien aber im Moment so, dass sich der Einsatz von Passagierflugzeugen dennoch einigermaßen rechne.

Die Flugzeuge werden dann von Piloten der Passagier-Airlines von Lufthansa geflogen. „Wenn Not am Mann ist, ist das Corps zur Stelle. Es gibt genug Freiwillige für diese Einsätze“, lobte Gerber den Einsatzwillen des Teams.

Für das Personal gebe es Masken, Schutzanzüge. Außerdem versuche man, soweit möglich den sozialen Abstand zu wahren. „Im Moment ist der Bedarf aus China sehr groß. Da es dort so gut wie keine Neuansteckungen mehr gibt, ist das Land in Sachen Corona also ein recht sicheres Ziel“, fügte Gerber hinzu.

Trotz des gut laufenden Frachtgeschäft warnt der Lufthansa-Manager davor, die starken Einschränkungen nicht zu lange aufrechtzuerhalten. Man müsse jetzt schon über ein Ausstiegsszenario aus dem Shutdown diskutieren und daran arbeiten. „Bei aller Verantwortung, die wir haben, müssen wir jetzt gut überlegen, wie wir die Wirtschaft wieder hochfahren können. Sonst drohen uns ganz andere Szenarien, die keiner will.“

Eine Prognose, wann wieder Normalität einkehren wird, wagt Gerber nicht. „Es gibt aber einen formalen Zeitpunkt, an dem sich die Entscheider in den Regierungen äußern müssen, wie es weitergeht. Das ist der 19. April. Dann sind die Schulferien überall zu Ende.“ Auch deshalb sei es jetzt schon wichtig, anhand von den verfügbaren Erkenntnissen über einen Ausstieg aus dem Shutdown zu sprechen. „Denn in dieser Krise wäre es verkehrt, Entscheidungen über das Knie zu brechen, die sich später dann als falsch erweisen könnten.“

Gerber glaubt nicht, dass es durch die Coronakrise einen völligen Rückschritt aus der Globalisierung eben wird. Die Produktion richte sich immer nach den vorhandenen Kapazitäten, also etwa der Verfügbarkeit von Personal und Produktionskapazitäten. „Ich schließe aber nicht aus, dass in einigen Bereichen, in denen eine Fertigung automatisiert werden kann oder wo die Produkte für eine Volkswirtschaft systemrelevant sind, der lokale Zugriff künftig wichtiger wird. Die Globalisierung war aber kein Selbstzweck, es gab und gibt dafür handfeste Gründe.“

Lufthansa Cargo selbst werde sich bei der Angebotsgröße immer am Bedarf ausrichten. „Wir haben das Angebot im Krisenjahr 2019 reduziert. Darüber hinaus sehe ich zumindest im Moment keine Anzeichen dafür, dass die Cargo weiter schrumpfen wird.“