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Auf der Luftfahrtmesse in Farnborough grassiert das Kauffieber

Der erste Tag der Luftfahrtmesse in Farnborough nahe London kann sich sehen lassen. Reihenweise heimsten Airbus und Boeing Aufträge für ihre Jets ein. Das auf Luftfahrtmessen übliche Wettrennen um die meisten Orders ist eröffnet.

Die taiwanesische Fluggesellschaft Starlux will 17 Exemplare des Langstreckenflugzeugs A350 kaufen. Schon vor Messebeginn hatte zudem Sichuan Airlines zehn A350 bestellt. Großes Interesse fand zudem der Mittelstreckenjet von Airbus, die A320neo. Golden Falcon Aviation orderte 25 für die kuwaitische Fluggesellschaft Wataniya Airways, die Leasingfirma Goshawk Aviation Limited weitere 20, und eine nicht genannte Leasinggesellschaft unterzeichnete eine Absichtserklärung über 80 der Jets. Auch die indische Fluglinie Vistara will 13 A320neo kaufen und zudem 37 weitere Flugzeuge dieses Musters leasen.

Erzrivale Boeing wiederum punktete zum einen mit dem Frachter 777. Die Deutsche Post DHL bestellte 14 davon und unterschrieb zudem eine Option für sieben weitere. Qatar Airways bestellte fünf der beliebten Frachtmaschinen. Aber auch hier fand der Mittelstreckenjet 737-MAX Abnehmer. Der Flugzeugfinanzierer Jackson Square Aviation (JSA) orderte 30 Exemplare.

Doch die Freude über die Kauflaune der Airlines kann nicht über die fehlenden Nachrichten zu dem seit zwei Jahren diskutierten neuen Langstreckenjet von Boeing hinwegtäuschen, der inoffiziell den Namen 797 trägt. In Branchenkreisen waren unmittelbar vor der Messe Spekulationen hochgekocht, Boeing könnte den Start des 797-Programms bekanntgeben.

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Doch Boeing-Chef Dennis Muilenburg stellte noch am Sonntag klar: Eine Entscheidung werde es erst 2019 geben. „Wir fühlen uns nicht gedrängt.“ Eine Vertagung auf 2019 wäre für den geplanten Ersteinsatz des Flugzeugs im Jahr 2025 kein Problem, versicherte Muilenburg.

Teure Entwicklung

Vielleicht will sich Boeing alles für die Paris Air Show im kommenden Jahr aufheben, die Heimatmesse für den Erzrivalen Airbus. Vielleicht wird der Jet aber auch niemals das Licht der Welt erblicken. Dass sich Boeing mehr Zeit nehmen will, zeigt, wie schwierig die Entscheidung für den neuen Jet ist.

Ein komplett neues Flugzeug zu bauen kostet viel Geld und Zeit. Bei einem Langstreckenjet muss mit rund zehn Milliarden Euro kalkuliert werden. Geld, das durch entsprechende Aufträge wieder eingespielt werden muss.

Wie schwer das sein kann, hat Airbus mit dem Super-Jumbo A380 leidvoll erfahren. Das Flugzeug ist bei Passagieren beliebt und effizient, dennoch findet es keine neuen Käufer. Zwar kann Airbus mit den bisherigen Bestellungen die Fertigungskosten abdecken, doch die Entwicklungskosten sind in dieser Rechnung außen vor.

Erst müsse es einen soliden „Business Case“ geben, gibt Boeing-Chef Muilenburg deshalb die Marschrichtung für die 797 vor. Genau hier beginnt das Problem. Es ist nicht bekannt, wie groß der Markt für ein solches Flugzeugmuster wirklich ist. Denn es geht um einen Jet für das sogenannte „Middle of the market“- Segment – kurz MoM – mit 228 bis 268 Sitzen und geeignet für Langstrecken.

Neu ist das Segment nicht. Boeing hatte bis 2004 die 757 im Angebot – mit gut 1 000 gebauten Exemplaren eine erfolgreiche Maschine, die Platz für bis zu 295 Passagiere bot. Sie füllte damit eine Lücke zwischen den kleineren Mittelstreckenjets des Typs A320 oder Boeing 737 und den Großraumflugzeugen. Seit dem Ende der 757 gibt es kein vergleichbares Flugzeug.

Wie groß ist die Nische?

Doch das Marktsegment liegt deshalb nicht brach. Airbus etwa argumentiert, die Lücke mit dem bestehenden Angebot ausreichend abdecken zu können. Vom oberen Marktsegment kommt die A330neo mit 257 Sitzen, von unten schickt Airbus seine A321neo ins Rennen, die mit zusätzlichen Tanks als „LR“- und künftig sogar „XLR“-Version lange Strecken bewältigen soll und gefragt ist.

Boeing selbst beziffert den Bedarf für einen „MoM-Jet“ auf 4 000 bis 5 000 Flugzeuge. Doch die Vertagung des 797-Programms lässt vermuten, dass man allein der eigenen Prognose nicht vertrauen mag. Zumal man mit der 737-Max 10 selbst mit bestehendem Gerät in diese Nische drängt. Lieber hätte man Interessenbekundungen von Airlines. Bislang hat die US-Airline Delta erklärt, die Patenschaft für eine 797 übernehmen zu wollen. Auch United Airlines hat Interesse signalisiert.

Man habe mit über 60 Airlines gesprochen, sagte Boeing-Chef Muilenburg. Doch die Vorstellungen, wie so ein Flugzeug aussehen muss, sind nach Informationen aus Airline-Kreisen sehr unterschiedlich. Muilenburg und Kevin McAllister, der Leiter der Verkehrsflugzeugsparte von Boeing, wollen deshalb erst einmal weiter forschen, welche Anforderungen das Flugzeug zu erfüllen hat, um für potenzielle Kunden attraktiv zu sein.

Hinzu kommt: Boeing hatte in der Vergangenheit erklärt, mit dem neuen Jet komplett neue Fertigungstechnologien einsetzen zu wollen. Dabei scheint es Probleme zu geben. So berichtet das in der Regel gut informierte Fachportal Leeham, dass Boeing bei den Überlegungen für eine 797 nun doch wieder zu traditionellen Metallen als Material für den Rumpf zurückgekehrt sei – und nicht mehr wie bisher mit Verbundmaterialien plane. Die seien deutlich teurer, und Boeing sei es nicht gelungen, den Verkaufspreis für eine 797 in den geplanten Bereich von 70 Millionen Dollar zu drücken, schreibt Scott Hamilton in seinem Blog.

Und so lässt die Entscheidung über den ersten wirklich neuen Jet seit vielen Jahren wohl noch einige Zeit auf sich warten – und befeuert indirekt eine Debatte: die Konsolidierung auf Herstellerseite. Offensichtlich können, wenn überhaupt, nur die Riesen der Branche die Entwicklung eines neuen Flugzeugs durchziehen.

Größe zählt

Airbus etwa zeigt in Farnborough stolz die neue A220. Sie ist das jüngste Mitglied der Familie und hieß bis Anfang vergangener Woche noch C-Series. Airbus hat die Mehrheit an dem vom kanadischen Hersteller Bombardier entwickelten Programm erworben, der sich mit der Entwicklung finanziell übernahm. Mit der US-Airline Jet Blue hat Airbus schon einen ersten Großkunden für das Flugzeug gefunden.

Boeing wiederum hat sich Anfang Juli grundsätzlich mit dem brasilianischen Hersteller Embraer darüber verständigt, die Mehrheit an der Verkehrsflugzeugsparte zu übernehmen. Diese fertigt die sogenannten E-Jets, Regionalflugzeuge mit bis zu 100 Sitzen. Der Deal muss noch genehmigt werden, endgültig dürfte er erst im kommenden Jahr vollzogen werden können.

Beide Transaktionen folgen der gleichen Logik: Nur wenn ein großer und etablierter Hersteller hinter einem neuen Flugzeug steht und etwa die Wartung garantiert, hat es eine Chance, erfolgreich zu sein.