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Luftfahrtkonzerne arbeiten am Comeback von Überschall-Flugzeugen für Passagiere

Gibt es ein Comeback des Überschall-Flugzeugs für Passagiere? John Leahy, bis vor kurzem Chefverkäufer des europäischen Luftfahrtkonzerns Airbus, ist fest davon überzeugt. Wie das Fachportal „Leeham News“ diese Woche berichtete, pries Leahy auf einer Fachkonferenz in Dublin die Vorzüge des superschnellen Fliegens mit plakativen Worten.

Immer längere Strecken würden geflogen, Dauer bis zu 22 Stunden. „Genug Alkohol an Bord, man kann betrunken werden, wieder nüchtern und erneut betrunken, bevor man am Ziel ankommt“, scherzte Leahy. Und fügte mit ernster Miene an: „Ich denke, dass der nächste große Sprung in dieser Industrie die Geschwindigkeit sein wird.“ Menschen würden dafür bezahlen, in einem Viertel der Zeit ans Ziel zu kommen.

Leahy ist nicht irgendein Luftfahrt-Enthusiast. Der 68-jährige New Yorker hat in seiner Zeit bei Airbus Flugzeuge im Gesamtwert von geschätzten zwei Billionen US-Dollar verkauft. Er weiß, wie Airlines funktionieren, wie sie denken.

Und er hat Unterstützung von einem anderen Veteranen der Branche. Auf der gleichen Bühne in Dublin brach auch Adam Pilarski von der US-Beraterfirma Avitas eine Lanze für den Überschall-Passagierjet. Geschwindigkeit werde das Verkaufsthema der Zukunft werden, prophezeite er.

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Tatsächlich gibt es seit einigen Jahren verstärkt Bemühungen, einen Nachfolger der legendären Concorde auf die Beine zu stellen. Dabei ist mit dem Airbus-Rivalen Boeing auch ein Konzern mit mächtig viel Geld und Erfahrung. Mitte vergangenen Jahres stellte das Unternehmen das Konzept für einen sogenannten Hypersonic-Jet vor, ein Flugzeug, das mit fünffacher Schallgeschwindigkeit (Mach 5) fliegen soll.

Zum Vergleich: Die Concorde schaffte maximal Mach 2,2. Noch sind viele Details des neuen Superfliegers offen, auch ob und wann überhaupt er marktreif sein wird. Boeing spricht von bis zu 30 Jahren, die das Projekt dauern wird. Doch das Engagement zeigt: Das Thema Überschall ist in Mode, viele sehen darin ein großes Potenzial.

Davon profitiert auch ein Jungunternehmen aus Denver: Boom Technologies. Deren „Boom Supersonic“, der mittlerweile in „Overture“ umgetauft wurde, soll zwar nur mit Mach 2,2 unterwegs sein, dafür aber schon Mitte der 2020er Jahre in Betrieb gehen. Das Konzept scheint zu überzeugen. Jedenfalls konnte Boom zu Jahresbeginn weitere 100 Millionen Dollar an Kapital einsammeln.

Damit hat Boom über 140 Millionen Dollar für seinen superschnellen Jet zur Verfügung. Zu den Investoren gehören Google, Airbnb und Dropbox, aber auch Kapitalgeber wie Emerson Collective oder SV Angel. Treiber des Projekts ist Blake Scholl, der Gründer von Boom.

Wirtschaftlichkeit im Fokus

Scholl ist selbst Pilot und Gründer der an Groupon verkauften Mobiltechnologiefirma Kima Labs. Und er glaubt fest an eine Zukunft der superschnellen Flugzeuge. Boom werde es schaffen, das erste wirtschaftliche Überschallflugzeug für Passagiere zu bauen. Bis zu 55 Fluggäste sollen Platz finden. Noch in diesem Jahr sollen Testflüge mit einem kleineren Modell, dem sogenannten Demonstrator, stattfinden.

Mit dem Verweis auf das Thema Wirtschaftlichkeit zielt Scholl auf die Probleme, die die legendäre Concorde zuletzt hatte. Der Betrieb des schnittigen Jets mit der absenkbaren Schnauze verschlang viel Geld. Und es gab jede Menge Hürden. Wegen des Lärms der Triebwerke – vor allem der Nachbrenner – war es der Concorde verboten, ihre maximale Geschwindigkeit über Land zu erreichen. Nur über dem Ozean war das erlaubt.

Auch in den USA sind zivile Überschallflüge seit Jahren verboten. Hinzu kommt der berühmte Überschallknall. Der tritt auf, wenn das Flugzeug schneller fliegt als der Schall in seiner Umgebung. Der dabei entstehende Verdichtungsstoß äußert sich in Form eines Knalls.

Die Schallgeschwindigkeit ist dabei von vielen Faktoren abhängig, etwa von der Temperatur und der Luftdichte. In etwa elf Kilometern Höhe liegt sie zum Beispiel bei rund 1060 Stundenkilometern. Im Flugzeug selbst ist dieser Knall nicht zu hören. Deshalb wurde in der Concorde seinerzeit immer Champagner just in dem Moment ausgeschenkt, in dem das der Jet die Schallgrenze erreichte, denn sonst hätten die Passagiere von dem „einzigartigen“ Moment gar nichts mitbekommen.

Die Concorde hob 2003 zum letzten Mal ab. Ein tragischer Absturz im Jahr 2000 hatte ihr endgültig den Todesstoß versetzt. Noch während des Starts am Pariser Flughafen geriet die Maschine in Brand, konnte den Start aber nicht mehr abbrechen. Ein zuvor von einem anderen Flugzeug verlorenes Teil auf der Startbahn war hochgeschleudert worden und hatte den Tank zerstört. Alle Passagiere sowie die Besatzung kamen ums Leben.

Die wirtschaftlichen Probleme der Concorde und das Verbot für Überschall-Flugzeuge über Land führte dazu, dass sich über viele Jahre kein Unternehmen mehr an das Thema Überschall-Flugzeug für den kommerziellen Einsatz herantraute. Mittlerweile ist aber ein regelrechter Hype um das Thema Überschall entstanden.

So entwickelt Airbus zusammen mit dem US-Unternehmen Aerion die AS2. Das Flugzeug soll allerdings als Business-Jet abheben, also lediglich mit acht bis zwölf Personen an Bord. Der Erstflug wurde zuletzt für das Jahr 2023 in Aussicht gestellt. Die Zertifizierung, also die behördliche Freigabe für den Einsatz des Flugzeugs, soll dann bis 2025 erfolgen.

Enormer Treibstoffverbrauch befürchtet

Gleichzeitig werkelt die US-Weltraumbehörde Nasa zusammen mit dem Flugzeughersteller Lockheed Martin an einem Modell für einen Überschall-Jet. Doch es gibt viele Hürden – nicht nur das Überschallverbot über Land. Das könnte noch das kleinste Problem sein, gibt es doch etwa in der US-Politik schon länger eine Diskussion darüber, die strengen Vorgaben zu lockern. Die wohl größte Herausforderung sind die Themen Lärm und Emissionen.

So hat die Non-Profit-Organisation International Council on Clean Transportation (ICCT) gerade berechnet, welche Folgen der Betrieb einer 2000 Überschall-Jets umfassenden weltweiten Flotte im Jahr 2035 haben könnte.

Ein Ergebnis: Verteilt auf 160 Flughäfen in Europa, Nord-Amerika, dem Mittleren Osten, Asien und der Pazifik-Region gebe es täglich 5000 Überschallflüge. In den am meisten betroffenen Regionen - dazu zählt ICCT auch Deutschland – gebe es zwischen 150 und 200 Mal am Tag einen Überschall-Knall, einer pro fünf Minuten verteilt auf einen 16-Stunden-Flugbetrieb.

Nicht besser sehen die Zahlen des ICCT beim Thema Luftverschmutzung aus. Die genannte Flotte würde fünf- bis siebenmal mehr Treibstoff verbrauchen als herkömmliche Jets bei gleichem Einsatz. In Summe sind das laut ICCT 96 Millionen Tonnen CO2. Das sei dreimal so viel, wie die Lufthansa-Gruppe in einem Jahr produziere, rechnen die Experten vor.

Doch die überschallbegeisterten Ingenieure kontern. So hält es Scholl von Boom für technisch machbar, dass man den Verbrauch pro Sitzplatz in einem superschnellen Jet auf den Wert eines Business-Class-Sitzes in einem traditionellen Flugzeug reduzieren kann.

Auch am Thema Lärm wird in den Labors längst gearbeitet. Die Nasa setzt zum Beispiel auf ein spezielles Design. Die Form des Flugzeugs soll den Verdichtungsstoß und dessen Ausbreitung voneinander trennen. Bei dieser sogenannten Quiet Supersonic Technology (QueSST) soll der Lärm des Knalls soweit zu reduziert werden, dass er auf der Erde gar nicht mehr zu hören sein wird.

Boom wiederum nutzt im großen Stil neue und leichte Materialien wie mit Carbon beklebten Kunststoff. Das soll die Effizienz des Flugzeugs steigern. Viele Komponenten wollen die Boom-Ingenieure zudem mit 3D-Druckern herstellen. Zusammen mit neuer Triebwerkstechnik, die ohne den lauten Nachbrenner auskommen soll, will Boom die Betriebskosten des Jets gegenüber einer Concorde um 30 Prozent senken.

Scholls Ziel: Ein Flug von New York nach London in dreieinviertel statt in sieben Stunden – und das für 2500 Dollar je Ticket oder eben 5000 Dollar für den Hin- und Rückflug. Zum Vergleich: Bei der Concorde kostete ein solches Ticket einst 18.000 Dollar.