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Ludwig Merckle: Der Zement-Milliardär mit einer Vorliebe für heimische Steueroasen

Ludwig Merckle, Alleinerbe und Sanierer des Merckle-Firmenimperiums.
Ludwig Merckle, Alleinerbe und Sanierer des Merckle-Firmenimperiums.

Am Donnerstag, wenn die Hauptversammlung des weltweit viertgrößten Zementherstellers zustimmt, kann sich der Milliardär Ludwig Merckle über Ausschüttungen von rund 90 Millionen Euro freuen. Denn für 2020 schlägt der Vorstand von HeidelbergCement eine Rekord-Dividende von 2,2 Euro vor - trotz der Pandemie. Als Großaktionär und Mitglied des Aufsichtsrates wird sich Merckle am Donnerstag aber auch einiges an Kritik anhören müssen. Die hohen Ausschüttungen kamen bei einigen Aktionären nicht gut an.

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre hält die Rekord-Dividenden im Corona-Jahr für nicht akzeptabel. „Es passt nicht zusammen: Auf der einen Seite profitierte HeidelbergCement letztes Jahr finanziell von Kurzarbeit, auf der anderen Seite soll eine Rekord-Dividende ausgeschüttet werden,“ steht im Antrag, den der Verband zur Hauptversammlung eingereicht hat. Die Aktionäre fordern, dass HeidelbergCement zuerst das Kurzarbeitergeld und weitere Corona-Hilfen an den Staat zurückzahlt und erst danach über Dividendenausschüttung nachdenkt. Sonst besteht die Gefahr, dass die Steuergelder die Dividenden subventionieren, so der Antrag. Ein anderes, heikles Thema auf der Versammlung: die Aktionäre werfen HeidelbergCement vor, in Ländern wie Indonesien, Togo, Westsahara und im Westjordanland „der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“ nicht ausreichend nachzukommen. In allen diesen Staaten macht HeidelbergCement Geschäfte.

Merckle besitzt 27,71 Prozent der Firmenanteile an HeidelbergCement, die momentan 4,2 Milliarden Euro Wert sind. Heute gehört er zu den zwanzig reichsten Deutschen mit einem Vermögen, das „Forbes“ auf etwa 6 Milliarden Euro schätzt - nach unseren Berechnungen dürfte es sogar ein zweistelliger Milliardenbetrag sein.

Alleinerbe und Sanierer

Es waren tragische Umstände, die Ludwig Merckle zum Alleinerbe des Merckle-Imperiums machten. Sein Vater, Adolf Merckle, Multimilliardär der 90er und frühen 2000er Jahre, beging Anfang 2009 Selbstmord. Die Finanzkrise und seine spekulativen Geschäfte mit VW-Aktien sollen zu Schäden in Milliardenhöhe geführt haben. Medienberichte sprachen von Schulden von drei bis fünf Milliarden Euro, die die Unternehmensgruppe belasteten. „Die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, haben den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen,“ schrieb die Familie nach dem Freitod des 74-jährigen Adolf Merckle.

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Der Tod seines Vaters brachte eine gewaltige Aufgabe für den damals 44-jährigen Sohn Ludwig mit sich. Seine drei Geschwister wollten zu der Zeit nichts mit den Geschäften zu tun haben, Ludwig Merckle trat also an mit der Erfahrung, die er zuvor im Familienunternehmen gesammelt hatte.

Merckle wurde zum großen Sanierer des Vermögens, zum verschwiegenen Macher, der allem Anschein nach das Vermögen seines Vaters innerhalb eines Jahrzehnts wieder aufgebaut hat. Auf die Vorwürfe der HeidelbergCement-Aktionäre oder zur Frage, warum er trotz eines Milliardenvermögens die aktuell begehrtesten heimischen Steueroasen bevorzugt, reagierte er nicht.

Verschachtelung als Prinzip

Es waren nicht nur die Schulden, die durch die Finanzkrise und die Börsenspekulationen entstanden, sondern auch ein unüberschaubares Firmenkonstrukt, das Ludwig Merckle nach dem Tod seines Vaters anpacken musste. Sein Bruder, Philipp Daniel Merckle, sah nach dem tragischen Ereignis keine Zukunft mehr für das Familienunternehmen. „Mein Gefühl war schon seit längerem: Dieses verschachtelte Firmenkonstrukt kann nicht mehr funktionieren,“ sagte er 2009 in einem „Spiegel“-Interview. Sein Vater hätte ein „unüberschaubares Konzerngeflecht“ aufgebaut, bei dem die Verschachtelung „durchaus Prinzip“ war.

Die Sanierung der Firmengruppe wurde zur Aufgabe von Ludwig, der Bankenkredite und andere Schulden zurückzahlen und dafür Unternehmensanteile verkaufen musste. Den von Adolf Merckle gegründeten Generika-Hersteller Ratiopharm verkaufte er für 3,6 Milliarden Euro und trennte sich auch von 57 Millionen Aktien von HeidelbergCement.

„Es ist eine unternehmerische Glanzleistung von Merckle, dass er seine Firmen so erfolgreich umstrukturiert hat, da ziehe ich den Hut“, sagte Matthias Hellstern, Ratingspezialist für Familienunternehmen bei Moody’s in der „FAZ“ über Ludwig Merckle.

Pharma ergänzt Zement

Den Generika-Hersteller Ratiopharm verkaufte zwar Ludwig Merckle im Rahmen der Konsolidierung, doch das Europa-weit agierende Phoenix Pharma, das ebenfalls von seinem Vater gegründet worden war, blieb im Portfolio. Die heutige Phoenix Pharma SE entstand 1994 aus regionalen Pharma-Großhändlern und ist heute in 14 Ländern mit über 2.700 Apotheken vertreten. Hinzu kommen noch weitere Geschäftsfelder im Vertrieb und der Logistik von Arzneimitteln. Das Unternehmen, mit einem Jahresumsatz von über 27 Milliarden Euro im Jahr 2020, ist Schätzungen zufolge mindestens 4 Milliarden Euro wert. Wie uns die Phoenix Group bestätigt hat, gehört das Unternehmen zu 100 Prozent Ludwig Merckle und seiner Familie.

Addiert man die beiden großen Unternehmensbeteiligungen Merckles zusammen, sollte sein Vermögen die Marke von 8 Milliarden Euro überschreiten. Doch damit hört Merckles Vermögen noch nicht auf.

Merckles Interesse in der Pharma- und Medizinbereich zeigen auch seine Aktienkäufe in den USA: Laut Daten der US-Börsenaufsicht kaufte Merckle und seine VEM Vermögensverwaltung über 1,19 Millionen Aktien der kalifornischen CareDX Unternehmen. CareDX entwickelt Lösungen für die Überwachung von Transplantationspatienten, Merckles Aktien sind momentan über 75 Millionen Euro Wert.

Maschinenbau, Immobilien und Steuern sparen

Ludwig Merckle führt außerdem noch einige kleinere Unternehmen seines Vaters weiter, im Bereich des Maschinenbaus (Kässbohrer) und der Elektromotoren (VEM Motors). Als Partner des Fürstenhauses Hohenzollern ist Merckle zu 50 Prozent an der Firma Zollern GmbH beteiligt, die Gießereien betreibt und Metall verarbeitet.

Zwei Unternehmen, bei denen Merckle sich auch als Geschäftsführer engagiert, haben weder mit Zement, noch mit Pharma zu tun: Die Firmen Blauwald und Blausee verwalten und bewirtschaften über 8.000 Hektar Waldfläche und 2.000 Hektar Binnensee. Nach unseren Schätzungen durften solche Grundstücke rund 500 Millionen Euro Wert sein. Damit gehört Merckle zu einem der größten privaten Waldbesitzer Deutschlands.

Weniger bekannt ist, dass die VEM Vermögensverwaltung über 15 Gesellschaften verwaltet, die sich um die Entwicklung, Vermietung und Bewirtschaftung von Gewerbeimmobilien im Familienbesitz kümmert. Im Großteil geht es um Immobilien in der ostdeutschen Region, die bereits Adolf Merckle erworben hat.

Deutsche Steueroasen: Viele Merckle-Gesellschaften firmierten in Wünsdorf in Zossen.
Deutsche Steueroasen: Viele Merckle-Gesellschaften firmierten in Wünsdorf in Zossen.

Merckle und seine Frau managen nicht nur die dutzenden Firmen geschickt, sondern auch die steuerlichen Angelegenheiten. Schaut man sich die Firmensitze an, die das Vermögen und die Beteiligungen von Merckle verwalten, fallen einem bekannte Ortsnamen auf: Zossen, Wünstdorf, Schönefeld - sie alle stehen auf der Topliste der Orte mit den niedrigsten Gewerbesteuersätzen Deutschlands.

2013 fuhren Reporter der „Wirtschaftswoche“ nach Zossen, um sich ein Bild über den Sitz der etwa 70 Unternehmen von Ludwig Merckle zu machen. Sie fanden in den Büros sieben Mitarbeiter, die zumindest ein Teil des Milliarden-Imperiums managen. Die Vermutung lag nahe, dass Zossen, als eine der bekanntesten heimischen Steueroasen, wegen des niedrigen Gewerbesteuersatzes attraktiv war.

Wer die Unternehmen heute sucht, muss nach Schönefeld fahren. Ob das mit der Anhebung der Gewerbesteuer in Zossen zu tun hat oder mit der besseren Anbindung an den Berliner Flughafen bleibt offen. Fakt ist, dass Anfang 2021 mehrere Firmensitze nach Schönefeld in Brandenburg verlegt wurden. Schönefeld gehört aktuell auch zu den Orten, die den niedrigsten Gewerbesteuersatz erheben.