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Londoner Börse lehnt Übernahmeangebot der Hongkonger Börse ab

Die Londoner Börse führt gleich vier schwerwiegende Gründe für die Absage an. Ein Grund: Der Chef der Hongkonger Börse hat eine große Nähe zur Regierung.

Die Londoner Börse sperrt sich gegen die Übernahme durch den Hongkonger Börsenbetreiber HKEX. Man habe „tiefgehende Bedenken“ gegen entscheidende Aspekte des 30-Milliarden-Pfund-Angebots, teilte der Verwaltungsrat der London Stock Exchange (LSE) diesen Freitag mit. Das Board habe einstimmig entschieden, das Angebot abzulehnen. Man sehe keinen Sinn in weiteren Gesprächen.

Die Absage kam schnell und fiel sehr frostig aus. Erst diesen Mittwoch hatte HKEX das Übernahmeangebot bekanntgemacht. Rund 31,6 Milliarden Pfund wollte sie für die LSE zahlen, ein Viertel in bar, den Rest in HKEX-Aktien. Zur Bedingung hatte sie gemacht, dass die Londoner Börse den gerade erst verkündeten Kauf des US-Datenanbieters Refinitiv absagen müsse.

Das Nein der LSE hatte sich bereits abgezeichnet. Gleich in ihrer ersten Stellungnahme hatte die LSE-Führung diesen Mittwoch bekräftigt, dass sie an der 27-Milliarden-Pfund-Übernahme des US-Datenanbieters Refinitiv festhalten wolle.

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In einem geharnischten Brief an HKEX-Chef Charles Li legte sie nun nach. „Ich hatte mit einer höflichen Absage der LSE-Führung gerechnet“, sagte UBS-Analyst Michael Werner dem Handelsblatt. „Dieser Brief war natürlich alles anders als höflich“.

Das Board war offenbar verärgert darüber, dass die HKEX gleich an die Öffentlichkeit gegangen war. „Wir sind sehr überrascht und enttäuscht, dass Sie Ihr unerbetenes Angebot schon zwei Tage nachdem wir es empfangen haben, öffentlich gemacht haben“, hießt es in dem Brief an Li.

Doch Li will nicht so schnell aufgeben. Es dürfte Lis schwerster Kampf werden.

Als der 58-jährige Li im Jahr 2010 die Leitung des Handelsplatzes übernahm, war er der erste Festland-Chinese im Amt. Seitdem Li die HKEX führt, stellt er die Börse breiter auf, vor allem aber positioniert er die HKEX als Brücke zwischen China und dem Rest der Welt. Kritiker werfen Li nicht nur deswegen eine zu große Nähe und Abhängigkeit von der Regierung in Peking vor. Li arbeitete im Investmentbanking, studierte in Alabama Journalismus und Jura an der Columbia-Universität. Er arbeitete einst bei „China Daily“, dem englischsprachigen Sprachrohr der Kommunistischen Partei.

Die LSE-Führung nannte vier Gründe für ihre Absage. Der Kauf von Refinitiv sei eine strategische Entscheidung, die von den Anlegern außerordentlich gut aufgenommen worden sei, begründete sie. Mit der Übernahme des Datenanbieters schaffe man eine global führende Finanzinfrastruktur. Die Übernahme durch HKEX wäre hingegen „ein Schritt rückwärts“ für die LSE, weil sie eine hohe Abhängigkeit vom Handelsgeschäft und von einer geographischen Region bringe.

Zweitens gebe es ein „ernsthaftes Umsetzungsrisiko“. Die „ungewöhnliche Board-Struktur“ der HKEX und die Beziehung zur Regierung in Hongkong würde es erschweren, grünes Licht von den Aufsichtsbehörden zu bekommen.

Sechs von 13 Mitgliedern des HKEX-Verwaltungsrats werden von der Regierung in Hongkong bestellt. Die Regierungschefin der chinesischen Sonderverwaltungszone wiederum wird nicht etwa vom Volk gewählt, sondern von einem Wahlausschuss – und Peking muss ihrer Wahl zustimmen. Nicht nur deswegen wird die aktuelle Regierungschefin Carrie Lam von Kritikern auch als „Marionette Pekings“ bezeichnet.

Einflussnahme aus China

In London und Washington zeichnete sich daher bereits politischer Widerstand gegen eine solche Einflussnahme auf eine der wichtigsten Börsen und Clearinghäuser des globalen Finanzsystems ab. Die Behauptung, die Übernahme würde schnell abgeschlossen, sei vor diesem Hintergrund „schlicht nicht glaubwürdig“, schreibt die LSE.

Drittens moniert das LSE-Board, dass drei Viertel des Kaufpreises in Aktien gezahlt werden sollten. Der Wert der HKEX-Aktien sei unsicher, vor allem vor dem Hintergrund der Massenproteste in Hongkong, heißt es in dem Brief an Li. Und viertens sei das Angebot „deutlich zu niedrig“ angesichts des Werts der LSE, insbesondere im Vergleich zum Mehrwert, den der Refinitiv-Deal bringen würde.

Analysten hatten es von Anfang an für unwahrscheinlich gehalten, dass der neue LSE-Chef David Schwimmer auf sein erstes großes Prestigeprojekt verzichten würde. Mit dem Kauf von Refinitiv will er die Londoner Börse vom traditionellen Handelsgeschäft weg zum schnell wachsenden Geschäft mit Daten und Nachrichten neu ausrichten.

Der Refinitiv-Deal sei sehr attraktiv, sagt UBS-Analyst Werner. Beim Zusammenschluss mit der HKEX sei hingegen nicht klar, welche Synergien es gebe.

LSE-Investoren wie die Fondshäuser Jupiter und Aberdeen Standard hatten signalisiert, dass sie lieber am Refinitiv-Deal festhalten würden. William Davies, der designierte Europa-Chefstratege des Vermögensverwalters Columbia Threadneedle, erklärte an diesem Donnerstag vor Journalisten: „Wir sind große Bewunderer beider Firmen. Sie können beide gut allein weitermachen.“ Columbia Threadneedle hält Aktien an beiden Börsenbetreibern.

Zustimmung von Börsenaufsehern notwendig

Noch höher sind die politischen Hürden. Da die LSE mit der Tochter LCH auch das wichtigste Clearinghaus für Dollar- und Euro-Swaps betreibt, wären alle möglichen Aufseher bis hin zu den mächtigen US-Behörden in Washington involviert. Selbst der italienische Regulierer müsste grünes Licht geben, weil zur LSE auch die Börse in Mailand gehört.

„Die LSE wird in Großbritannien als nationales Asset gesehen“, sagt Werner. Bei internationalen Zusammenschlüssen würden Regierungen erheblichen Druck auf Aufseher ausüben. „Deshalb haben wir bisher mehr gescheiterte Fusionen als Erfolge gesehen.“

Vor den politischen Hintergründen in Hongkong und London war auch erheblicher Widerstand der britischen und amerikanischen Regierung zu erwarten. Immerhin laufen seit Monaten Massenproteste gegen die Regierung der chinesischen Sonderverwaltungszone, weil die Menschen einen Verlust ihrer Sonderrechte und eine stärkere Gängelung durch Peking fürchten.

Und in Großbritannien fürchten Politik und Wirtschaft, dass der Finanzplatz London nach dem Brexit an Bedeutung verliert. Ein Verkauf der wichtigsten Börse nach China wäre das falsche Signal.

Nach der kategorischen Absage der LSE scheint der Deal nun gestorben. Zwar berichtete die „Financial Times“ diesen Freitag, dass die HKEX bereit sei, das Angebot zu verbessern und den Bar-Anteil zu erhöhen. Doch das dürfte kaum ausreichen, um die Anleger zu begeistern. Der LSE-Kurs war nach der Nachricht an diesem Mittwoch zunächst schnell gestiegen, doch bald wieder gefallen, als die Anleger die vielen Probleme eines solchen Zusammenschlusses erkannt hatten.

Die HKEX erklärte nach der Absage des LSE-Verwaltungsrats, sie wolle sich nun direkt an die LSE-Aktionäre wenden. Fünf Prozent der Anleger könnten eine außerordentliche Hauptversammlung erzwingen, um über eine feindliche Übernahme abzustimmen. Doch Werner glaubt nicht, dass HKEX Erfolg haben wird.