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„Dann passiert der Unfall, der harte Brexit – obwohl ihn niemand will“

In der EU hatten es viele schon geahnt: Der von Theresa May für Montagnachmittag angekündigte „Plan B“ bietet keinen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse, in die sich die Briten selbst hineinmanövriert hatten. „Plan B ist nicht viel mehr als Plan A“, prophezeite ein Brüsseler Diplomat schon am Montagmorgen. Genauso kam es dann auch. Vor dem Unterhaus kündigte May lediglich an, dass sie einen bestimmten Teil des Austrittsvertrags wieder aufschnüren und neu verhandeln wolle.

Deutsche Vertreter zeigten sich enttäuscht über den Auftritt der Premierministerin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die britische Regierung zu raschen und in London konsensfähigen Vorschlägen auf. „Die Bundesregierung setzt sich weiter für einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der EU ein“, sagt ein Regierungssprecher am Montagabend. Die Bundesregierung erwarte zudem, dass sich die britische Regierung bald auf Vorschläge einige, die von einer Mehrheit des Unterhauses unterstützt werden.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte das Parlament in London auf, zu einer klaren Haltung zu kommen. Eine Verschiebung des Brexit-Datums „macht ja nur dann Sinn, wenn vorher klar ist, über was nochmal gesprochen wird“. Der Ball liege „nach wie vor im Feld der Briten. Udo Bullmann, der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, bezeichnete die Lage in London als „vernagelt“. Er sieht in einem neuen Referendum den einzigen Ausweg. Auch die Brexit-Expertin der Grünen im Europaparlament, Terry Reintke, fordert eine neue Abstimmung.

Der langjährige EU-Abgeordnete Elmar Brok äußerte sich ebenfalls enttäuscht über Mays Rede. „Ich habe keinen Plan B gehört. Ich habe nur gehört, dass Regierung und Opposition in Großbritannien jetzt miteinander reden wollen“, sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenportal t-online.de. „Wenn alle weiter auf den eigenen Positionen beharren, geht gar nichts. Dann passiert der Unfall, der harte Brexit – obwohl ihn niemand will.“

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Guy Verhofstadt, Brexit-Unterhändler des EU-Parlaments und Fraktionschef der Liberalen, lobte die britische Premierministerin derweil zumindest in einem Punkt. „Ich begrüßte die Ankündigung von Theresa May, die Gebühren für EU-Bürger abzuschaffen. Dies ist eine zentrale Forderung des EU-Parlaments“, twitterte der Belgier am Montagabend. Er hoffe, dass die parteiübergreifenden Konsultationen nun beginnen könnten und zu einer möglichst engen Beziehung zwischen der EU und Großbritannien führten.

Die größte Hürde im Ringen um den Brexit ist und bleibt die Frage, wie mit der künftig zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland verlaufenden EU-Außengrenze verfahren wird. Kontrollen an dieser Grenze will niemand wegen der daraus resultierenden Gefahren für das Friedensabkommen zwischen Katholiken und Protestanten. Autobombenanschläge in Nordirland am Samstag und Montag deuten darauf hin, wie groß die Gefahr einer Zuspitzung des Konflikts zwischen den Vertretern beider Konfessionen ist.

Um die grüne Grenze erhalten zu können, soll Großbritannien nach dem Brexit so lange in einer Zollunion mit der EU bleiben, bis ein Freihandelsabkommen ausgehandelt ist. Dieser sogenannte Backstop könnte das Land jedoch für eine ganze Weile daran hindern, eigene Handelsabkommen mit Drittstaaten zu schließen. Außerdem müsste das Land sich weiterhin der EU-Handelspolitik unterwerfen – und das wollen die Brexit-Hardliner bei den Tories auf keinen Fall. May will darüber deshalb noch einmal mit der EU verhandeln.

Doch dazu ist diese weiterhin nicht bereit. Im Dezember hatte May dem Austrittsvertrag inklusive Backstop für Nordirland zugestimmt. Seitdem weigert sich die EU, über das Abkommen erneut zu verhandeln. Daran habe sich auch nach Mays jüngstem „Plan B“ nichts geändert, sagte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montagabend. „Wir sind immer bereit, uns zu treffen und zu reden.“ Die EU-Kommission will am heutigen Dienstag offiziell zu den Vorschlägen der britischen Premierministerin Stellung nehmen.

Dass die EU bei ihrem strikten Nein bleibt und notfalls am 29. März einen ungeordneten Brexit ohne Vertrag in Kauf nimmt, ist damit allerdings noch nicht gesagt. Theresa May hofft offenbar, dass die EU am Ende an dem Backstop doch noch etwas ändert, ihn zum Beispiel auf einige wenige Jahre befristet. Zugeständnisse wären hier in der Tat im äußersten Notfall möglich – allerdings nur unter einer Bedingung: May müsste der EU beweisen, dass ein an dieser Stelle geänderter Austrittsvertrag die nötige Mehrheit im Unterhaus auf jeden Fall bekäme.

Der britischen Premierministerin ist das klar. Deshalb lotet sie derzeit aus, unter welchen Umständen die hartgesottenen Brexit-Befürworter unter den Tories in ihrer eigenen Partei dem Austrittsvertrag zustimmen würden. Das Ergebnis dieser Sondierungen will die EU abwarten, bevor sie Zugeständnisse an die Briten überhaupt in Erwägung zieht.

Was hinter den Kulissen besprochen wird

Hinter den Kulissen gab es darüber allerdings schon Gespräche. Auf dem unbefristeten Backstop für die irische Grenze bestand vor allem die Regierung der Republik Irland. Denn sie hat größtes Interesse daran, die grüne Grenze zu Nordirland zu sichern.

In anderen Hauptstädten gibt es sehr wohl den Wunsch, dass die Regierung in Dublin sich etwas geschmeidiger zeigt. Ernsthaft mit dem irischen Premierminister Leo Varadkar darüber reden werden die anderen EU-Regierungschefs allerdings erst dann, wenn sie damit auch tatsächlich den ungeordneten Brexit abwenden können.

May muss also glaubhaft machen, dass eine Mehrheit für einen in diesem Sinne geänderten Austrittsvertrag im Unterhaus sicher ist. Diese Zusicherung konnte die Premierministerin bisher nicht liefern, weil die Anti-EU-Fanatiker in ihrer Partei nicht mitspielten. Boris Johnson und seine Freunde finden es bislang völlig in Ordnung, einen ungeregelten Brexit zu riskieren.

May hofft offenbar, dass ihre europaskeptischen Parteifreunde sich doch noch erweichen lassen, wenn der wilde Brexit immer näher rückt. Wenn der ungeregelte Austritt mit seinen dramatischen Auswirkungen auf die britische Wirtschaft unmittelbar bevorsteht, könnten die Abgeordneten in der Tat mehr Druck als bisher bekommen von betroffenen Bürgern und Unternehmen in ihren Wahlkreisen. Darauf setzt May offenkundig – und spielt deshalb auf Zeit.

Die Wirtschaft hält diese Taktik für gefährlich: „Auf einen Sinneswandel der Brexit-Befürworter zu hoffen ist ein riskantes Spiel“, sagte Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauer-Verbands VDMA am Montag. Theresa May solle besser auf die politischen „Kräfte zugehen, die eine engere Anbindung an die EU und den Verbleib in der Zollunion unterstützen“, so Brodtmann.

Dafür müsste May allerdings gemeinsame Sache mit dem politischen Gegner, der Labour-Partei, machen und auf die Unterstützung durch einige Abgeordnete ihrer eigenen Partei verzichten. Dazu ist die Vorsitzende der Tories aus machtpolitischen Gründen jedoch nicht bereit.

Mit Agenturmaterial