London und Den Haag wollen "Koalition" für Kampfjet-Lieferung an Ukraine bilden
Großbritannien und die Niederlande wollen eine "internationale Koalition" schmieden, um die Ukraine mit Kampfflugzeugen zu beliefern. Der britische Premierminister Rishi Sunak und der niederländische Regierungschef Mark Rutte verständigten sich am Rande des Gipfeltreffens des Europarats in Island darauf, wie ein britischer Regierungssprecher am Dienstagabend mitteilte. Der Europarat richtete zudem ein Schadensregister zur Dokumentation russischer Verbrechen und Zerstörungen in der Ukraine ein.
Die Ukraine solle F-16-Kampfflugzeuge erhalten und auch bei der Ausbildung unterstützt werden, teilte Downing Street in London mit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Ankündigung in seiner abendlichen Videobotschaft: "Ein guter Start für die Koalition", sagte er. "Danke Euch allen."
Selenskyj hatte in den vergangenen Tagen bei Besuchen in Italien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien um umfangreiche neue Militärhilfe und um Unterstützung beim Aufbau einer "Kampfjet-Koalition" geworben. Bisher wollten die Nato-Staaten die Forderung Kiews nach modernen westlichen Kampfflugzeugen nicht erfüllen.
Sunak und Rutte wollen sich nun aber dafür einsetzen, "eine internationale Koalition aufzubauen, um die Ukraine mit Kampfflugzeugkapazitäten auszustatten und sie bei allem zu unterstützen, von der Ausbildung bis zur Beschaffung von F16-Jets", wie der Londoner Regierungssprecher erklärte. Sunak bekräftigte in Reykjavik demnach zudem seine Überzeugung, dass "der rechtmäßige Platz der Ukraine in der Nato" sei. Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich zur Ausbildung ukranischer Kampfjet-Piloten bereit, schloss eine Lieferung von Flugzeugen an Kiew aber aus.
Der Europarat richtete bei seinem Gipfeltreffen in der isländischen Hauptstadt Reykjavik ein Schadensregister zur Dokumentation russischer Verbrechen und Zerstörungen in der Ukraine ein. Macron forderte bei dem Treffen alle Länder auf, sich "aktiv" an der Dokumentation zu beteiligen, mit deren Hilfe Moskau auch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, das neue Register versetze die Länder des Europarats in die Lage, "die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine entstehenden Schäden gemeinschaftlich zu erfassen, um damit dem Wiederaufbau der Ukraine eine notwendige Basis zu verschaffen". Das Schadensregister schaffe durch "gemeinsame Daten" nicht nur Klarheit, sondern könne auch als Grundlage für Gespräche auf internationaler Ebene dienen.
An dem Treffen in Reykjavik nahm neben Scholz, Macron, Sunak und Rutte unter anderem auch die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni teil. Selenskyj wurde per Video zugeschaltet. Er appellierte an die Mitglieder des Europarats, ihre "Geschlossenheit" zu bewaren, um "die Freiheit" zu schützen.
Bei einem runden Tisch und einem anschließenden Abendessen wollten die Staats- und Regierungschefs erarbeiten, "wie der Europarat die Ukraine als Teil der europäischen Familie aktiv unterstützen kann", wie es aus französischen Regierungskreisen hieß. Das Schadensregister sei ein "erster und wichtiger Schritt", Russland zur Verantwortung zu ziehen, hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Treffen erklärt.
Macron forderte den Europarat auch dazu auf, beim Aufbau von 100 psychiatrischen Zentren in der Ukraine zu helfen, um Kriegstraumata zu behandeln. Er schlage vor, den Aufbau dieser Zentren "so schnell wie möglich" durch die Entwicklungsbank des Europarates zu fördern, sagte Macron.
Der Europarat ist nicht Bestandteil der EU, ihm gehören 46 Staaten an. Das Gipfeltreffen in Island ist erst das vierte in der Geschichte der 1949 gegründeten Organisation.
Russland war bis zum vergangenen Jahr Mitglied, erklärte aber kurz nach dem Einmarsch in die Ukraine seinen Austritt. Zuvor hatte bereits die Parlamentarische Versammlung des Europarats Russlands Ausschluss gefordert. Neben den 27 EU-Mitgliedstaaten zählen zum Europarat Länder wie die Türkei und Großbritannien, aber auch zerstrittene Staaten wie Armenien und Aserbaidschan.
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