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Lockheed-Martin-Chefin: „Die Nato ist heute stärker als jemals zuvor“

Die Chefin des weltgrößten Rüstungskonzerns Lockheed Martin glaubt an die Nato – anders als Trump: Amerikanisch-europäische Industriekooperationen würden das Bündnis weiter stärken.

Die Lockheed-Martin-Chefin hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Tarnkappen-Kampfjet doch noch an die Bundeswehr verkaufen zu können. Foto: dpa
Die Lockheed-Martin-Chefin hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Tarnkappen-Kampfjet doch noch an die Bundeswehr verkaufen zu können. Foto: dpa

Das Vertrauen der US-Rüstungsindustrie in die Nato ist ungebrochen. „Ich bin überzeugt, dass die Nato heute stärker ist als jemals zuvor“, sagte Marillyn Hewson, Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Rüstungskonzerns Lockheed Martin, im Handelsblatt-Interview. Weltweit sei die Bedrohung durch neue Konflikte gestiegen. „Das lässt uns alle stärker zusammenrücken“, sagte sie.

Die Rüstungsindustrien der USA und Europas arbeiteten gut zusammen. Da die Nato-Staaten ihre Verteidigungsausgaben erhöhten, ergäben sich künftig zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten und neue Chancen für Kooperationen zwischen US- und EU-Unternehmen, sagte sie.

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Auch das werde den Zusammenhalt in der Militärallianz stärken. Das neue Raketenabwehrsystems TLVS, das MDBA-Deutschland gemeinsam mit Lockheed Martin entwickelt, nähere sich der Bestellung durch die Bundeswehr: Noch in diesem Monat werde das Angebot abgegeben, sagte Hewson.

Die Lockheed-Martin-Chefin hat außerdem die Hoffnung nicht aufgegeben, doch noch den Tarnkappen-Kampfjet F-35 an die Bundeswehr verkaufen zu können – obwohl die Bundesregierung sich gerade erst dagegen entschieden hat und bei Kampfflugzeugen ganz auf deutsch-französische Zusammenarbeit setzt. Die ersten Aufträge an die Industrie für das neue europäische Kampfflugzeugsystem FCAS wurden an diesem Mittwoch in Le Bourget vergeben.

Bei Flugzeugen sei der Beschaffungsprozess sehr lang, sagte Hewson. „Natürlich sind wir hoffnungsvoll, dass die Deutschen irgendwann die Vorzüge der F-35-Fähigkeiten sehen werden. Es gibt dieses Flugzeug bereits, viele Nationen, darunter neun Nato-Staaten, nehmen am F-35-Programm Teil, weitere Nationen wollen beitreten. Warum also nicht irgendwann auch Deutschland?“, sagte sie.

Lesen Sie hier das ganze Interview:

Frau Hewson, Deutschland und Frankreich haben hier auf der Pariser Airshow gerade die ersten Aufträge für das neue Kampfflugzeugsystem FCAS unterzeichnet. Was bedeutet der neue europäische Ehrgeiz für Ihr Unternehmen?
Wir konzentrieren uns aktuell auf das modernste existierende Kampfflugzeug der Welt, und das ist unsere F-35. Es ist ein wegweisendes Kampfflugzeug, das für die Nato wichtig ist. Was Frankreich und Deutschland tun, ist, dass sie ein Kampfflugzeug für die Zukunft planen, während die F-35 das Kampfflugzeug der Zeit bis hinein in die 2070er-Jahre bleiben wird. Und wir hoffen, wenn jetzt viele Staaten ihren Bedarf definieren, dass sie dann auf Lockheed Martin schauen.

Aus der Perspektive der deutschen und der französischen Regierung bedeutet die Investition in die FCAS-Entwicklung, dass beide Länder bis dahin beim Eurofighter und bei der Rafale bleiben wollen. Im Klartext: Sie bestellen keine F-35.
Jede Regierung überlegt sich natürlich, welche Systeme sie beschaffen will, um ihre Bürger bestmöglich zu schützen. Das respektieren wir natürlich. Dafür gehen sie bei Flugzeugen durch einen sehr langen Beschaffungsprozess. Und wir stehen bereit, sie dabei mit unserem Angebot zu unterstützen. Wir stehen auch für die deutsche Regierung bereit, wenn sie diesen Input für ein neues Kampfflugzeug haben will.

Sie haben also die Hoffnung nicht aufgegeben, dass Deutschland und Frankreich doch noch die F-35 kaufen werden?
Natürlich sind wir hoffnungsvoll, dass sie irgendwann die Vorzüge der F-35-Fähigkeiten sehen werden. Es gibt dieses Flugzeug bereits, viele Nationen, darunter neun Nato-Staaten, nehmen am F-35-Programm teil, weitere Nationen wollen beitreten. Warum also nicht irgendwann auch Deutschland?

Es gibt Zweifel, dass die F-35 wirklich kompatibel mit den vorhandenen Waffensystemen in der Nato ist …
Selbstverständlich ist die F-35 komplett kompatibel innerhalb der Nato-Systeme. Das ist ja gerade einer ihrer Werte, dass die Nato-Staaten sie integrieren können. Die F-35 ist von Anfang an ein gemeinsames Kampfflugzeug-Projekt mehrerer Staaten gewesen, damit es in die vorhandene Umgebung passt.

Vergangene Woche haben Sie mit der US-Regierung vereinbart, dass sie für 34 Milliarden Dollar F-35 kaufen wird, auch, um einen Teil davon an Partnerländer weiterzuverkaufen. Zeigt die US-Regierung jetzt ein größeres Engagement, Ihr Unternehmen beim Verkauf auf dem Rüstungsweltmarkt zu unterstützen?
Wir verkaufen Kampfflugzeuge an die Partnerländer immer über die US-Regierung. Der Sinn der Vereinbarung letzte Woche war, die Lieferungen langfristig zu vereinbaren. Wenn wir alle drei geplanten Tranchen bündeln, dann bekommen wir wegen der größeren Stückzahlen auch bessere Preise von unseren Zulieferern. Die geplanten 478 Flugzeuge werden jetzt nicht nacheinander bestellt, sondern alle zusammen, und das macht sie pro Stück billiger. Die F-35 wird am Ende unter 80 Millionen Dollar pro Stück kosten, und das ist ein sehr wettbewerbsfähiger Preis für ein Flugzeug, das mehr kann als die anderen am Markt.

Es ging beim Preisnachlass also nicht darum, dass US-Präsident Donald Trump darauf gedrängt hatte?
Bei großen Stückzahlen sinken die Preise, das war das Ziel. Es profitieren auch die Zulieferer. Die europäische Industrie hat mit einem Viertel einen großen Anteil am F-35-Programm.

Hat Trump sich inzwischen Ihren Namen gemerkt? Er hat Sie ja mal „Marillyn Lockheed“ genannt …
(Lacht) Ich war ja in dieser Veranstaltung dabei, und ich meine „Marillyn and Lockheed“ gehört zu haben …

Er hat den Apple-Chef Tim Cook ja auch „Tim Apple“ genannt.
Ich habe auch gehört, dass er ihn mehrfach Tim Cook genannt hat. Ich freue mich jedenfalls darüber, dass er weiß, dass ich die Vorstandsvorsitzende von Lockheed Martin bin. Wir sind ein sehr wichtiges Unternehmen für die Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten auf der ganzen Welt. Und wenn er das Unternehmen und mich schätzt, dann bin ich stolz darauf.

Letzte Woche haben sich zwei Ihrer Wettbewerber in den USA zusammengeschlossen, Raytheon und United Technologies Corporation. Hatten Sie ebenfalls Interesse an United Technologies gehabt?
Wie meistens in solchen Fällen haben die Verhandlungen nicht öffentlich stattgefunden. Wir wussten also nicht vorher, dass dies passieren würde. Aber in unserer Industrie hat es ja auch andere Konsolidierungen gegeben. Wir zum Beispiel haben den Hubschrauberspezialisten Sikorsky von United Technologies gekauft.

Was bedeutet der Zusammenschluss für die Konsolidierung der Rüstungsindustrie in den USA?
Es ist schwer, das jetzt schon zu beurteilen, wir werden es weiter beobachten. Viel wichtiger für mich ist, dass wir weiterhin das stärkste Rüstungsunternehmen sind mit einem sehr breiten Portfolio: von unserem Kampfflugzeug über Raumfahrt und Satelliten bis hin zu Raketen und Sensoren und Cybersecurity.

Ein wichtiger Grund für Frankreich und Deutschland, eigene Waffensysteme zu entwickeln, ist, dass die Regierungen strategisch unabhängiger werden wollen von den USA. Auch, weil die USA Hochtechnologie nicht teilen. Gibt es die Chance für eine stärkere Öffnung der US-Industrie zur europäischen Industrie, um Kooperationen auf Augenhöhe zu ermöglichen?
Wenn Sie mit der Industrie in Europa sprechen, werden Sie sehen, dass wir sehr viele Beziehungen zu Zulieferern in Europa unterhalten. Wir vergeben für fünf Milliarden Dollar Aufträge. In Deutschland arbeiten wir mit Airbus zusammen. Wir kooperieren mit MBDA Deutschland beim Raketenabwehrsystem TLVS. Wir haben uns mit Rheinmetall zusammengeschlossen, um den schweren Transporthubschrauber CH 53K in der anstehenden Ausschreibung anzubieten. Wir glauben, dass die Kooperation unserer Industrie mit der Industrie in Europa und Großbritannien sehr dazu beiträgt, die Nato zu stärken, auch weil dadurch mehr Innovation entsteht.

Politisch scheinen die westlichen Staaten aber eher auseinanderzudriften. Trump betreibt America-first-Politik, in mehreren EU-Staaten regieren Populisten, und Großbritannien will die EU verlassen. Was bedeuten diese Veränderungen für eine Rüstungsfirma wie Ihre?
Ich bin überzeugt, dass die Nato heute stärker ist als jemals zuvor. Wir nehmen doch alle wahr, dass die Bedrohung weltweit größer geworden ist, und das lässt uns alle stärker zusammenrücken. Die Nato-Staaten haben sich darauf verständigt, ihre Rüstungsausgaben auf zwei Prozent zu steigern, und sie arbeiten auf dieses Ziel hin. Das vergrößert die Nachfrage, und das bedeutet mehr Geschäftsmöglichkeiten für uns und für unsere europäischen Partner. Ich sehe die Zusammenarbeit des Westens positiv. Wir teilen dieselben Werte, und wir arbeiten gut zusammen.

Mit MBDA Deutschland arbeiten Sie bereits seit Langem am neuen Raketenabwehrsystem TLVS, und es ist nach all den Jahren noch immer in der Entwicklungsphase. Wann werden Sie denn endlich den Kaufvertrag mit dem Verteidigungsministerium schließen?
Wir sind in ständigen Diskussionen mit der Bundesregierung über die Fähigkeiten, die dieses modernste Raketenabwehrsystem haben soll. Entscheidend ist dabei, was Deutschland braucht, und mit diesen Anforderungen beschäftigen wir uns dann.

Wann werden diese Diskussionen denn abgeschlossen? Es hieß ja mal, noch in diesem Juni.
Ja, es wird im Juni sein.

Hat denn TLVS wirklich die Chance, ein echter Wettbewerber für das Patriot-System von Raytheon zu werden? Heute hat ja fast jedes Nato-Land Patriots.
TLVS ist die nächste Generation. Es wird erheblich mehr können als Patriot. Und dann wird es darauf ankommen, wie Deutschland als Nato-Rahmennation damit umgeht.

Frau Hewson, Sie waren die erste Frau an der Spitze eines Rüstungsunternehmens. Inzwischen werden in den USA mehrere Waffenschmieden von Frauen geleitet. Ist diese männerdominierte Branche plötzlich frauenfreundlich geworden?
Ich glaube nicht, dass dies plötzlich geschehen ist. Am selben Tag, als ich CEO bei Lockheed Martin wurde, startete Phebe Novakovic als CEO bei General Dynamics. Inzwischen haben auch Northrop Grumman und Boeing weibliche Vorstandsvorsitzende. Das ist nichts Plötzliches, sondern Frauen sind seit Jahren in unserer Industrie aufgestiegen und haben Erfolge im Wettbewerb mit Männern gezeigt. Ich bin sehr froh, wenn ich auf mehr als 30 Jahre in dieser Industrie zurückblicke, dass immer mehr Frauen aufsteigen. In unserer Firma sind 22 Prozent der Führungskräfte weiblich. Einige leiten sehr große Bereiche, zum Beispiel den für Luftfahrt, der mit 20 Milliarden Dollar unser größter Umsatzbereich ist. Es ist eine Evolution.

Letztes Jahr waren Sie Nummer eins auf der Liste der 50 mächtigsten Frauen der Zeitschrift „Fortune“. Was bedeutet Macht für Sie persönlich?
Wenn Sie sich die Kriterien dieser Liste anschauen, dann sehen Sie: Es beginnt mit dem Unternehmen. Und ich bin sehr stolz darauf, dass ich ein wirklich wichtiges Unternehmen leite. Wir haben 105.000 sehr motivierte Mitarbeiter, und deshalb haben wir Erfolg und wachsen und entwickeln hochinnovative Technologien. Und deshalb freue ich mich über den ersten Platz auf dieser Liste.

Frau Hewson, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Informationen zum neuen deutsch-französisch-spanischen Flugzeugsystem FCAS finden Sie hier.