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Lira rutscht weiter ab – Ankara sucht den Kontakt zu alten Verbündeten

Nach einer Feiertagswoche setzt die Währung des Landes ihre Talfahrt fort. Investoren verlieren das Vertrauen in die Lira. Präsident Erdogan versucht sich nun in Diplomatie.

Selbst wenn die Kunden im Laden von Cem P. Schlange stehen würden, würde er derzeit nichts verkaufen wollen. Der 41-Jährige betreibt ein Geschäft für Outdoor-Zubehör in der Istanbuler Innenstadt. Zelte, Wanderschuhe, Karabiner: Die meisten Produkte in seinem Geschäft sind aus dem Ausland, haben europäische oder US-amerikanische Markennamen. P. musste sie in Dollar oder Euro einkaufen.

„Wenn ich jetzt meinen Bestand verkaufe, muss ich neue Ware einkaufen“, klagt P. und erklärt: „Das wäre mit dem ständig fallenden Wechselkurs viel zu teuer.“ Da verzichtet er lieber auf Umsatz und wartet, bis sich der Neukauf wieder lohnt.

So denken in der Türkei derzeit viele Unternehmer. Die türkische Lira steht seit Wochen unter Druck, seit Jahresanfang verlor sie zum Dollar fast 40 Prozent an Wert. Auch am Dienstag hat sich der Kursrutsch fortgesetzt. Ein Dollar verteuerte sich im frühen Handel auf 6,20 Lira nach einem Schlusskurs von 6,12 am Montag. Bis zum Nachmittag (Ortszeit) fiel die Währung zum Dollar sogar auf 6,23 Lira. Für einen Euro erhält man inzwischen 7,30 Lira.

Zum Jahresbeginn waren es nur 4,52 Lira pro Euro. In der vorigen Woche war die türkische Börse aufgrund einer Feiertagswoche geschlossen.

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Investoren verlieren nach und nach das Vertrauen in die Währung. Nicht ohne Grund: Die Inflation ist auf über 15 Prozent pro Jahr gestiegen, das Verhältnis aus Importen und Exporten verschlechtert sich immer weiter. Und vor allem: Die Politiker des Landes lassen einen genauen Fahrplan vermissen, wie die Missstände behoben werden könnten.

So ernannte Staatschef Erdogan seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum Finanzminister. Der 38-Jährige gilt als betriebswirtschaftlich erfahren und als effizienter Macher. Am Montag reiste er nach Paris, um seinen Amtskollegen Bruno Le Maire zu treffen.

Die zentrale Botschaft: Die Finanzpolitik der USA, die einen starken Dollar setzt und den Rest der Welt mit Sanktionen belegt, sei falsch. „Diese Schritte gefährdeten nicht nur das globale Finanzsystem, sondern auch den weltweiten Handel und die politische Stabilität in der Region um die Türkei“, erklärte Albayrak am Montagabend im Schulterschluss mit dem französischen Finanzminister.

Einigkeit mit einem europäischen Partner schadet der Türkei sicher nicht. Doch was Albayrak nicht erklärte: wie er den Verfall der Lira konkret aufhalten will. Dafür musste der Franzose ans Mikrofon. „Die Türkei muss ökonomische Reformen durchführen“, rief er Albayrak ins Gewissen.

Womit Albayrak immerhin recht hat: Das externe Umfeld hat sich deutlich verschlechtert. Die Politik von US-Präsident Donald Trump schadet besonders Ländern, die politisch oder wirtschaftlich weniger stabil sind. So leidet die argentinische Währung ebenso wie auch die in Russland oder in Südafrika.

Auch Präsident Erdogan übte sich in Telefon-Diplomatie. Am Montag telefonierte er zunächst mit der britischen Premierministerin May, anschließend mit Bundespräsident Steinmeier. Es ging dabei um bilaterale Fragen, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

Aber auch um eine gemeinsame Haltung gegen den Kurs von Trump. Ein schweres Zerwürfnis zwischen Ankara und Washington über einen in der Türkei des Terrorverdachts bezichtigten US-Pastors hatte den rapiden Kursrutsch der Lira eingeleitet.

Ob die diplomatische Offensive ausreicht, um die heimische Wirtschaft zu stabilisieren, ist fraglich. Letztlich muss die Türkei zu einer glaubwürdigen Politik zurückkehren. Erdogan verfügte nach seinem Wahlsieg, seine Kontrolle über die unabhängige Zentralbank des Landes ausweiten zu wollen. Anleger fürchten, dass Erdogan damit die türkische Wirtschaft zwar attraktiver für Großunternehmer machen will, der türkische Markt für Investoren aber zunehmend unansehnlich werden könnte.

Eine Rückkehr zu einer orthodoxen Finanzpolitik scheint jedoch bislang nicht anzustehen. Aus ökonomischer Sicht müsste die Türkei deswegen jetzt in eine Phase mit sehr niedrigem Wachstum eintreten, meint Cristian Maggio, Schwellenländerexperte bei TD Securities in London, „vielleicht sogar mit einer Stagnation oder gar Rezession“, fürchtet er.

Weltweit beflügelte das voraussichtliche neue Handelsabkommen zwischen den USA und Mexiko die Märkte. Doch am Ende würde das den Dollar nur weiter stärken, meint Gabriela Santos von JP Morgan Asset Management. Und darunter leidet die Lira dann erst recht.