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Liquidität für den Staat statt den Aktienmarkt: Japan leitet Kehrtwende seiner lockeren Geldpolitik ein

Die Bank von Japan steht vor einem Kursschwenk: Sie dürfte bald den Kauf von ETFs bremsen. Das könnte weitreichende Folgen für den Aktienmarkt und eine globale Signalwirkung haben.

Japans Notenbank ist seit mehr als zwei Jahrzehnten der Pfadfinder der ultralockeren Geldpolitik auf dem Globus. Die Bank of Japan (BoJ) begann als Erste, im großen Umfang Staatsanleihen aufzukaufen. Während der Finanzkrise im Jahr 2008 zogen die großen westlichen Notenbanken – die Bank of England, die Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) – nach.

Jetzt schicken sich die Japaner an, einen neuen Trend zu setzen: Im Rahmen der ersten Generalanalyse der geldpolitischen Strategie seit fünf Jahren dürfte die japanische Zentralbank den Kauf börsennotierter Aktienfonds (ETF) zumindest bremsen. Das könnte weitreichende Folgen für den Aktienmarkt und eine globale Signalwirkung haben.

„Es ist klar, dass die Bank von Japan das derzeitige Kauftempo nicht beibehalten will“, sagt Sayuri Shirai, ehemaliges Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der Notenbank, dem Handelsblatt. Denn die Kritik an den großen ETF-Käufen nehme zu.

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Das am Montag veröffentlichte überraschend starke Wachstum der weltweit drittgrößten Volkswirtschaft im vierten Quartal und die gute Aktienkursentwicklung dürften die Diskussion verstärken.

Der Nikkei-Aktienindex stieg am Montag erstmals seit 1990 über die Marke von 30.000 Punkten – und das, obwohl die japanische Wirtschaft im vergangenen Jahr um 4,8 Prozent geschrumpft ist.

Im vierten Quartal war die japanische Wirtschaft allerdings im Vergleich zum Vorquartal um drei Prozent und damit stärker als erwartet gestiegen. Zwar wird im ersten Quartal mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung gerechnet, aber bereits ab Frühjahr wieder mit einer erneuten Erholung.

Die japanische Regierung und die Notenbank stützen fiskal- und geldpolitisch weiter enorm. Im März vergangenen Jahres, während der ersten Coronawelle, hatte die BoJ nicht nur den Weg für den unbegrenzten Ankauf von Regierungsanleihen (JGBs) freigegeben, sondern auch ihr jährliches Kauflimit für ETFs auf zwölf Billionen Yen (95 Milliarden Euro) verdoppelt. Doch nun könnte im März mit der Einschränkung des ETF-Ankaufsprogramms ein erster Schritt zurück aus den Tabubrüchen der vergangenen Jahre erfolgen.

Was zunächst wie eine technische Korrektur wirkt, könnte sich am Ende als Symbol für eine geldpolitische Wende erweisen. Die Folgen dieser möglichen Wende sind weitreichend, denn die japanische Notenbank ist mittlerweile der größte Aktionär des ganzen Landes.

Die Ära der großen Vermögensinflation nähert sich dem Ende

Martin Schulz, der Chefvolkswirt des japanischen Technikkonzerns Fujitsu, sieht ein Ende der langen Phase, in der über eine Allianz zwischen Notenbank und Staat in den vergangenen Jahren die ultraniedrigen Zinsen Treiber des Börsenbooms waren.

Jetzt liege der Schwerpunkt darin, über die Fiskalpolitik den Reichtum umzuverteilen. „Die große Zeit der Vermögensinflation wird vorbei sein“, sagt Schulz. Das gelte nicht nur für Japan, sondern auch für die großen westlichen Demokratien.

Statt Geld vor allem in den Finanzmarkt zu pumpen, dürften die Notenbanken sich künftig darauf konzentrieren, den Staat zu finanzieren, damit dieser das Geld in Infrastruktur, Bildung und das Gesundheitswesen investieren kann. Ein frühes Beispiel ist dabei, dass Europa, China, die USA und auch Japan die riesige Neuverschuldung für die Pandemiehilfen nutzen, um enorme Summen in Klimaschutztechnik zu investieren.

Damit geht ein Trend zu Ende, der in Japan nach dem Platzen der Mega-Aktien- und Immobilienblase in den 1990er-Jahren begonnen und während der Weltfinanzkrise 2008 auf den Rest der Welt übergegriffen hat: eine Übertragung wesentlicher Teile der Wirtschaftspolitik an die Notenbanken.

Japans Notenbank senkte bereits im Jahr 2000 den Leitzins auf null Prozent, um die Wirtschaft zu stimulieren und den immer höher ragenden Schuldenturm Japans zu stabilisieren, der schon damals Weltspitze war. 2002 belohnte sie die Regierung für das Versprechen, von der Notenbank geforderte Strukturreformen und eine Haushaltskonsolidierung einzuleiten – und begann, japanische Staatsanleihen zu kaufen.

Börsenhoch, aber Deflation: Die geldpolitische Steuerung stößt an massive Grenzen

2013 übernahm sie vom damaligen Ministerpräsidenten Shinzo Abe die Aufgabe, Japan mit der geldpolitischen Brechstange aus der langjährigen Deflation zu befreien. Die Inflation sollte auf zwei Prozent hochgetrieben und die Wirtschaft massiv stimuliert werden. „Aber die Coronakrise hat gezeigt, dass die wirtschaftspolitische Steuerung durch die Geldpolitik nicht funktioniert“, sagt Ökonom Schulz.

Die Preise sind wegen der Coronakrise im Dezember 2020 um ein Prozent gefallen, so stark wie seit zehn Jahren nicht. Die Ersparnisse nehmen massiv zu, weil die Einwohner weniger reisen und weniger Geld ausgeben. Allein die Bankeinlagen der Japaner stiegen im Dezember 2020 um 9,3 Prozent über den Vorjahreswert und damit auf einen neuen Rekord von 6,3 Billionen Euro. Das Geld fließt nicht.

Der japanische Staat greift daher in der Krise wieder stark zur fiskalpolitischen Stützung. Durch die massiven Corona-Hilfsprogramme wird der Anteil der Verschuldung am Bruttoinlandsprodukt von 231 Prozent Ende 2019 auf 255 Prozent Ende 2020 steigen, schätzte die Kreditbewertungsagentur Fitch vorige Woche. Am Ankauf japanischer Staatsanleihen (JGB) wird die Bank of Japan daher nicht rütteln.

Die Bank von Japan, die unorthodoxe geldpolitische Maßnahmen zur neuen Orthodoxie gemacht hat, stößt mit ihrer Methode an die Grenzen. Als die JGB-Käufe nicht mehr reichten, um noch mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen, begann sie 2010, auch ETFs und später börsennotierte Immobilienfonds (J-Reits) im großen Maßstab zu kaufen.

Nun wird es auch mit dem neuen Instrument immer schwieriger, die Ziele zu erfüllen, meinen die japanischen Ökonomen der US-Bank J. P. Morgan. „Die Bank von Japan ist gefangen zwischen Nachhaltigkeit der Geldpolitik, ihrer Effektivität und dem Erreichen des Zwei-Prozent-Inflationsziels.“

Japanische Notenbank ist der größte Aktionär des Landes

Die Nachhaltigkeit der JGB- und ETF-Käufe stößt an Grenzen, wenn es noch Kapitalmärkte geben soll. Die Notenbank hält schon rund die Hälfte der ausstehenden JGBs in ihren Büchern und hat 2020 den japanischen Pensionsfonds als größten Aktionär der Japan AG überholt.

Dies schürt nicht nur Kritik an den negativen Folgen für die Corporate Governance, sondern auch die Sorge wegen der aufgeblähten Bilanz der Notenbank. Ein Börsenkollaps hätte massive Folgen für die Bilanz der Notenbank. Außerdem vergrößern die Wertpapierkäufe tendenziell die Kluft zwischen Arm und Reich. Denn vor allem die obere Schicht profitiert vom Börsenboom.

Gleichzeitig schrumpft die Wirksamkeit der Geldpolitik. Schon jetzt wissen die Unternehmen nicht, wo sie ihre hohen Ersparnisse noch investieren sollen. Und so bleibt das Inflationsziel eine Illusion.

Die ehemalige geldpolitische Insiderin Shirai prognostiziert für dieses Jahr eine Inflationsrate von null Prozent und für 2022 von 0,5 Prozent. Das japanische Beispiel zeigt, wie politische, wirtschaftliche und nun auch pandemische Kräfte den Preisdruck bisher entschärfen können, der durch die hohe Liquidität latent herrscht.

Börsenhoch, aber Deflation: Das macht den Einstieg in den Ausstieg für die japanische Notenbank nicht leicht. Von der Lage am Aktienmarkt her könnte es sich die BOJ leisten, ihre ETF-Käufe zu lockern, meint Naoki Kamiyama, Chefstratege bei Nikko Asset Management.

Solange die Inflation aber unter ihrem Ziel von zwei Prozent bleibe, sollte sie das seiner Ansicht nach noch nicht signalisieren. Er schlägt vor, dass sie über einen flexiblen Ansatz auch weiter ETFs während Marktabschwüngen kauft, aber bereit ist, diese Käufe zu reduzieren, wenn sich die Börse gut entwickelt.

Politische Inflationsbremsen

Offiziell hofft Japans Regierung auf moderat steigende Preise, um sich langsam aus den hohen Schulden zu inflationieren, ohne dass die Bevölkerung aufschreit. „Doch eigentlich will niemand Inflation“, erklärt Ökonom Schulz. Die Rentner grämen sich zwar über niedrigere Zinserträge auf ihr Erspartes. Aber wie die Arbeitnehmer fürchten auch sie, dass Inflation eher ihre realen Einkommen auffressen wird.

Denn die Löhne sind trotz Rekordgewinnen nur schleppend gestiegen, die Rentenauszahlungen wegen des Rentnerbooms prozentual zum Einkommen gefallen. Künftig müssen sich die Senioren auch noch auf einen höheren Selbstbehalt bei der Krankenversicherung einstellen. Gerade in der am schnellsten alternden Gesellschaft hat hohe Lebenserwartung zunehmend ihren Preis.

Das Finanzministerium wiederum muss sich zum einen sorgen, dass steigende Zinsen den Schuldendienst schneller erhöhen, als die Schulden durch Inflation sinken. Außerdem könnte es der Regierung dann wegen der Angst vor einer Schuldenkrise schwerer fallen, sich neu zu verschulden.

Dagegen ist das derzeitige Gleichgewicht aus Niedrigzinsen, niedrigem Wachstum und steigenden Schulden bereits lange stabil, da die Notenbank die Anleihe- und Aktienmärkte durch massive Käufe stützt. Daran rüttelt die Politik nur ungern.

Eine Sorge der Notenbank-Kritiker ist, dass die riesigen Hilfsprogramme, die massiv ansteigende Staatsverschuldung und die wachsenden Geldmengen am Ende doch in Inflation umschlagen. Die Angst davor jedenfalls wächst.

Denn an einem wird Japans Notenbank festhalten, sagt Shirai voraus: der Stabilisierung des Staatshaushalts. „Technisch gesehen kann die Bank von Japan weiterhin die Differenz zwischen der Schuldenausgabe und dem, was der Markt kauft, aufkaufen“, so die Ökonomin. „Die faktische Monetarisierung des Defizits wird für eine lange Zeit weitergehen.“ Und dies wahrscheinlich nicht nur in Japan.

Mehr: „Wir haben noch nicht gewonnen“: Fed bleibt auf ultralockerem Kurs und verweist auf Schwächen in der US-Wirtschaft.