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Was das Lieferkettengesetz für euer Startup bedeutet – und ihr jetzt tun solltet

Was Globalisierung eben heißt: Wer etwa einen Toaster in Deutschland baut, hat oft hunderte Zulieferer aus allen Teilen der Welt. - Copyright: MR.Cole_Photographer/Getty
Was Globalisierung eben heißt: Wer etwa einen Toaster in Deutschland baut, hat oft hunderte Zulieferer aus allen Teilen der Welt. - Copyright: MR.Cole_Photographer/Getty

Ein Fachbeitrag von Matthias Friese, Managing Partner des Company Builders Xpress Ventures, der vom Logistik-Familienunternehmen Fiege initiiert wurde.

Nickel ist ein Metall – und ein ethisches Problem. Als korrosionsfester Stahl kommt es in fast jedem Haushalt vor, etwa im Besteck oder in Küchengeräten. Doch sein Abbau wirft Fragen auf. So wird es im arbeitsintensiven Tagebau gewonnen und kommt häufig aus Regionen, in denen es weder einen mit hiesigen Standards vergleichbaren Arbeitsschutz noch die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen gibt.

Wissen die Hersteller, ob ihre Zulieferer Umweltauflagen und Menschenrechte einhalten und keine Kinderarbeit zulassen? Ab 2023 müssen sie es. Dann gilt das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz. Es verpflichtet Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland dazu, in ihrer Lieferkette Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu verringern. Es gilt zunächst für Unternehmen mit wenigstens 3.000 Mitarbeitern, von 2024 an für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern.

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Update vom 22. September 2022: Hagen Reinhold (FDP) schlägt vor, wegen der aktuellen Krise das Gesetz zu verschieben. Nicht 2023 sondern 2024 solle es erstmalig greifen, so der Vorschlag des Politikers, der Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages ist. Als Grund nennt Reinhold gegenüber dpa die Überlastung der Behörde, die die Einhaltung der Vorgaben nicht überprüfen könne: "So hat die Behörde mit der Prüfung der Rüstungsexporte in die Ukraine, die für den Widerstand gegen die russische Aggression so wichtig sind, mit Wirtschaftshilfen für deutsche Unternehmen, der Hochwasser-Hilfe und der Bundesförderung für effiziente Gebäude alle Hände voll zu tun." Zudem sei es für die betroffenen Firmen schwierig, Material zu bekommen, so der Bundestagsabgeordnete.

Lieferketten verzweigen sich rasch

Kleinunternehmen und junge Startups müssen also keine rechtlichen Probleme befürchten. Doch die Themen Ethik und Nachhaltigkeit sind nicht nur eine Frage des Zwangs. Kleinere Firmen sollten ihre Lieferkette freiwillig überprüfen und Regeln für Corporate Social Responsibility beachten. Denn die gesellschaftliche Entwicklung ist eindeutig: Verstöße gegen Umweltschutz und Menschenrechte werden nicht mehr so leicht toleriert und sind für viele Kundengruppen zum Mindeststandard geworden. So können ethisch fragwürdige Entscheidungen Unternehmen nicht nur in ihrer Reputation, sondern auch in ihrem Wachstum schädigen.

Doch es ist einfach, Anforderungen an das korrekte Verhalten der Unternehmen zu definieren. Die Umsetzung ist ein ganz anderes Thema. Denn das größte Problem des Gesetzes ist die Komplexität seiner Erfüllung. Es gibt keine einfach zu beachtenden Vorschriften. Stattdessen muss jedes Unternehmen seine Lieferketten individuell analysieren. Sofern direkte Lieferanten ein hohes Risiko erzeugen, müssen die Unternehmen auf Abhilfe drängen und notfalls auf den Zulieferer verzichten. Das dürfte für viele Mittelständler und Startups zu einer Herkulesaufgabe werden.

Bei den unmittelbaren (Tier 1) Zulieferern ist Transparenz noch einfach zu erreichen. Doch Lieferketten verzweigen sich ab der zweiten Ebene rasch. Das gilt vor allem für stark modularisierte Produkte, deren Komponenten wiederum aus Modulen bestehen. So enthalten elektronische Geräte häufig bis zu 60 unterschiedliche Materialien, die von verschiedenen Auftragsproduzenten genutzt werden. Das Lieferkettengesetz erwartet Nachverfolgung und Dokumentation der gesamten Supply Chain, was aber außerhalb der Welt der finanzstarken Konzerne schwer zu leisten ist. Zulieferer haben gewissermaßen keine Möglichkeit, die Herkunft ihrer Rohstoffe oder ihrer Teile vollständig transparent darzustellen, was es für Unternehmen am Ende der Lieferkette gänzlich unmöglich macht.

Professionelle Unterstützung bringt Transparenz

Werden also in Zukunft kleinere Unternehmen für alle Gesetzesverstöße im weitverzweigten Lieferantennetzwerk in Sippenhaftung genommen? Denn es drohen deftige Strafen: Verstöße kosten bis zu 800.000 Euro und bei Großunternehmen sind sogar – abhängig von den Umsätzen – Millionenstrafen möglich. Wie können also Unternehmen und Startups von Anfang an Ethik und Nachhaltigkeit in ihren Lieferketten beachten?

Zunächst einmal ist eine umfassende Bestandsaufnahme wichtig. Die Unternehmen sollten eine vollständige Liste aller Rohmaterialien und Vorprodukte sowie der Lieferanten in Tier 1 zusammenstellen. Bei einigen Stoffen wie dem anfangs erwähnten Nickel, aber auch dem häufig kritisierten Kobalt und Lithium ist ein genauer Blick nötig.

Dafür sollten sich kleine Unternehmen von Anfang an Unterstützung suchen. Nichtregierungsorganisationen wie Germanwatch, Oxfam oder Amnesty International bieten viel Know-how zu diesen Fragen. Ferner gibt es einige Datenbanken, die konsultiert werden können, etwa Ecovadis oder Sedex. Dort gibt es ebenso aktuelle wie ausführliche Informationen, die Transparenz über die Nachhaltigkeit der Mitgliedsunternehmen erzeugen.

Startups bieten passende Tools – und erhalten Momentum

Auch Startups haben die Bedeutung des Themas erkannt und entsprechende Tools entwickelt. So bietet Prewave aus Wien eine Plattform, mit der Unternehmen ein Monitoring ihrer Supply Chain umsetzen können. Das geschieht auf Basis einer Social-Media-Analyse in mehr als 50 Landessprachen, die automatisiert Risiken erkennt.

Osapiens aus Mannheim unterstützt das Management der gesamten Lieferkette mit intelligenten Tools. Hinsichtlich des Lieferkettengesetzes hilft es Unternehmen beim Beschwerdemanagement, der Compliance-Berichterstattung und bei Risikoanalysen. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, erkannte Probleme zu dokumentieren und die darauffolgenden Kontrollmaßnahmen zu überwachen.

Generell ist durch das Lieferkettengesetz ein Wachstumsschub für Startups im Bereich der Supply Chain Visibility zu erwarten. Was bisher vorrangig für den Corporate-Bereich von Interesse war, wird von nun an auch für Growth Startups immer relevanter. Es wird von Beginn an notwendig sein, sein Startup auf die neuen Regelungen des Lieferkettengesetzes auszurichten und so Hürden im weiteren Wachstum zu vermeiden. Investitionen in Sachen Supply Chain Visibility sind also keine Option mehr, sondern ein Muss für Unternehmen jeder Größe. In Kombination mit mittelfristigen Umstellungen von Lieferketten durch geopolitische Krisen dürfte ein echtes Momentum für Startups im Bereich Supply Chain Visibility entstehen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 10. Mai 2022.