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Libanesische Behörden nehmen 16 Hafenmitarbeiter fest

In Beirut sind die ersten Verdächtige festgenommen worden. Bei Demonstrationen gegen die Regierung kommt es zu Ausschreitungen. Die Polizei greift ein.

Zwei Tage nach der Katastrophe von Beirut sind 16 Hafenmitarbeiter der libanesischen Küstenstadt festgenommen worden. Das teilte der amtierende Militärrichter Fadi Akiki nach einem Bericht der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA am Donnerstagabend mit.

Mehr als 18 Menschen seien befragt worden, darunter Mitglieder des Hafenvorstands und der Zollverwaltung. Die Zahl der Toten stieg derweil laut Gesundheitsministerium auf 149. Regierungskritische Demonstranten stießen in der Nacht zum Freitag mit der Polizei zusammen.

Die Ermittlungen gingen weiter, hieß es. Ziel sei, „alle Fakten im Zusammenhang mit der Katastrophe zu klären“, teilte Akiki mit. Der Ort der Explosion – ein Industriegebiet am Hafen im Norden der libanesischen Hauptstadt – werde bis zum Abschluss der Ermittlungen geschlossen bleiben. Die Aufsicht hätten hier die libanesische Armee sowie die Informationsabteilung der Kräfte für innere Sicherheit.

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Zuvor waren bereits mehrere Verantwortliche des Hafens unter Hausarrest gestellt worden. Sie sollen in den vergangenen Jahren für die Lagerung und Bewachung der großen Mengen Ammoniumnitrat zuständig gewesen seien, die bei dem Vorfall möglicherweise explodierten. Unklar blieb dabei, welche Vorwürfe ihnen gemacht werden oder ob ihnen ein ordentliches Gerichtsverfahren droht.

Hisbollah weist Verantwortung für Explosion zurück

Die schiitisch-islamistische Hisbollah hat am Freitag jede Verantwortung für die verheerende Explosion im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut zurückgewiesen. Das erklärte der Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in einer Fernsehansprache: „Kein Waffenlager, keine Raketen, keine Gewehre, keine Bombe, keine Kugeln, kein Nitrat. Absolut nichts, weder jetzt, noch früher, noch in Zukunft.“

Er wies den Vorwurf zurück, die Hisbollah kontrolliere den Hafen. Die Organisation ist Iran-treu, gehört der libanesischen Regierung an und bildet im Libanon einen Staat im Staate. Die Sicherheitsbehörden waren bei ihren Ermittlungen zur Hisbollah auf eine Lagerung von Ammoniumnitrat in Deutschland aufmerksam geworden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz teilte daraufhin mit, es sei im Rahmen der Bearbeitung der Hisbollah in der Vergangenheit eine Lagerung von sogenannten „Cold-Packs“, die unter anderem Ammoniumnitrat enthielten, bekannt geworden. Es lägen keinerlei Erkenntnisse oder Anhaltspunkte vor, dass die hiesige Lagerung in einem Zusammenhang mit den Lagerungen im Hafen von Beirut stehe.

Frachtschiff „Rhosus“ steht unter Verdacht

In Beirut hatte eine heftige Detonation große Teile des Hafens zerstört und ganze Straßen im Zentrum in Scherben und Trümmer gelegt. Bei der Spekulation um das Ammoniumnitrat richtet sich der Verdacht auf das unter moldauischer Flagge fahrende Frachtschiff „Rhosus“, das 2013 große Mengen der gefährlichen Substanz in den Hafen gebracht haben soll. Auch eine deutsche Diplomatin wurde getötet.

Rund 300.000 Menschen haben durch die Explosion ihr Zuhause verloren. Davon sind dem UN-Kinderhilfswerk Unicef zufolge schätzungsweise 80.000 Kinder.

Bald nach der schweren Detonation am Dienstag hatte es Rufe nach einer umfassenden Untersuchung und Aufarbeitung des Vorfalls gegeben. Zugleich wurden Forderungen nach einer unabhängigen, internationalen Ermittlung lauter.

Diesen schlossen sich vier frühere libanesische Ministerpräsidenten und der führende drusische Politiker Walid Dschumblatt an. Viele Libanesen haben das Vertrauen in die herrschende politische Klasse verloren.

Polizei setzt Tränengas ein

Regierungskritische Demonstranten machten ihrem Unmut in der Nacht zum Freitag Luft. Mehrere Menschen wurden bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete.

Dutzende hätten versucht, die Absperrung zum Parlamentsgebäude in der libanesischen Hauptstadt zu durchbrechen. Die Demonstranten setzten dort Werbetafeln, Bretter und Müllhaufen in Brand und warfen mit Steinen auf Sicherheitskräfte. Diese setzten teilweise Tränengas ein.

Im Libanon war es bereits seit Oktober zu Massenprotesten gekommen, die auch zum Rücktritt von Ministerpräsident Saad Hariri führten. Sie richteten sich gegen die Führung des Landes, der die Demonstranten Korruption und Verschwendung von Staatsgeld vorwerfen.

Das kleine Mittelmeerland ist hoch verschuldet und steckt in seiner schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Proteste hatten das öffentliche Leben in der Hauptstadt teilweise lahmgelegt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte bei einem Besuch in Beirut eine baldige internationale Hilfskonferenz an. Dabei solle es um eine internationale Finanzierung für Medikamente, medizinische Behandlung oder Nahrungsmittel unter Verteilung durch UN und Weltbank gehen, sagte Macron. Europäer, Amerikaner und Länder der Region seien gefordert.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel riefen zu einer verstärkten Unterstützung auf. Michel reist am Samstag nach Beirut, um den Betroffenen Europas Solidarität zu versichern. In Beirut wird er unter anderem Präsident Michel Aoun, Regierungschef Hassan Diab und Parlamentspräsident Nabih Berri treffen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) will dem Libanon helfen, besteht im Gegenzug aber auf nötigen Wirtschaftsreformen. Alle Möglichkeiten der Hilfe würden geprüft, erklärte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat nach der Explosion in Beirut „echten Reformwillen“ von der libanesischen Regierung gefordert. „In Libanon ist es der politischen Führung bisher nicht gelungen, die dringend benötigten Reformen im Wirtschafts- und Finanzsektor schlagkräftig anzugehen“, sagte der Politiker der „Saarbrücker Zeitung“ am Freitag und sicherte gleichzeitig Hilfe zu. Man sei bereit, das Land in den Gesprächen mit dem Internationalen Währungsfonds zu unterstützen.

Wegen einer Wirtschaftskrise war der Libanon schon vor der Explosion im Gespräch mit dem IWF für ein Rettungspaket, das vermutlich mehrere Milliarden Dollar umfassen würde. Die Verhandlungen dazu kamen bisher nur schleppend voran.