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Lenovo verabschiedet sich vom PC

„Bendy“ war der Hingucker auf der „Transform“-Veranstaltung von Lenovo: Ein Laptop-Konzept mit einem biegsamen Bildschirm, dessen unterer geschwungener Teil das klassische Klapp-Scharnier ersetzt. Das Display reicht einfach nahtlos bis an die Tastatur. Doch so futuristisch das aussieht: Es ist nicht die Zukunft für den chinesischen PC-Riesen.

„Es interessiert mich nicht, ob wir im klassischen PC-Markt die Nummer eins oder zwei sind“, sagt Konzernchef Yang Yuanqing rundheraus. „Das hat keine Zukunft. Wir müssen die Nummer eins in den neuen Märkten werden.“ Damit meint er Datencenter, Supercomputer und mobiles Internet.

Präsentiert wurde in New York der dringend notwendige Relaunch der Datencenter-Sparte, seit Lenovo vor drei Jahren zur Überraschung vieler Experten die Sparte für Standard-Server von IBM übernommen hat. Standard-Server auf PC-Basis (x86) galten als margenschwach und ohne Zukunft, seit immer mehr Firmen-Server in den Clouds von Amazon und Microsoft verschwinden. IBM wollte die Server-Produktion unter allen Umständen loswerden und Lenovo nahm sie.

Jetzt zeigt Yang den Konkurrenten Hewlett Packard Enterprise (HPE) und Dell Emc, dass sie einen neuen ernstzunehmenden Gegner haben. Noch ist Lenovo in einem engen Zweikampf mit Cisco um den dritten Platz bei x86-Servern gefangen. Doch das soll sich rasch ändern. Die Zahl der angebotenen Server-Versionen wurde von 25 auf 14 reduziert. Rund 100 Server pro Stunde laufen von den Bändern, individuell konfiguriert. Dazu kommen sieben neue Großspeicher-Systeme und fünf Netzwerkkomponenten.

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Kirk Skaugen ist der Mann, der Lenovo in die neue Zeit führen soll. Skaugen hat im vergangenen Jahr noch bei Intel die Client Computing Group geführt und kennt das Server-Geschäft wie seine Westentasche. „Wir haben vieles gut, aber auch schwere Fehler gemacht“. Jetzt sei Lenovo ein neues Unternehmen. Zum Beispiel wurden die Verkaufsteams getrennt. Ein Server-Verkäufer muss keine Smartphones oder Laptops mehr verkaufen und umgekehrt. Das hat nicht funktioniert. Außerdem werden jetzt die Boni nach Gewinnmarge der Abschlüsse honoriert.

In sieben Entwicklungszentren wird an Data-Center-Software gearbeitet. Und das wichtigste: „Wir werden diese 65-Prozent-Bruttomarge-Industrie aggressiv angehen“, warnt Skaugen die etablierte Konkurrenz wie Dell oder HPE. Mit „20 bis 30 Prozent“ könne man auch leben. Lenovos größter Vorteil laut Skaugen: „Wir haben keine Altsysteme, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Vorstandschef Yang betrachtet die Datencenter-Sparte als den Profitbringer, der die Laptops ersetzen wird. „In zwei bis drei Jahren wird Datacenter unsere profitstärkste Sparte sein.“


Der Trend für PCs und Laptops zeigt nach unten

Der Einstieg in die Server-Industrie brachte das Know-how für eine weitere Zukunftssparte. Beim Supercomputing strebt Lenovo bis 2020 die Weltmarktführerschaft bei x86-Systemen an, basierend auf Intels modernsten Xeon-Prozessoren. Gab es 2014 noch keinen einzigen Lenovo-Supercomputer auf Intel-x86-Basis, waren es im Juni 2017 weltweit bereits 92.

Die Sparte Mobile war lange ein Sorgenkind. Die erwünschten positiven Effekte nach der Übernahme von Motorola blieben zunächst aus. Doch eine radikale Neuorganisation hat Wirkung gezeigt: „Im zweiten Halbjahr 2017 wird die Sparte Mobile profitabel arbeiten“, verspricht Yang auf Nachfrage des Handelsblatts. Die Marke Motorola erlebe in USA und Europa eine Renaissance.

Es wäre auch höchste Zeit. Zum 25. Jubiläum seiner legendären Laptopmarke ThinkPad türmen sich vor Yang die Probleme auf. Der PC-Markt ist massiv geschrumpft und es gibt branchenweit kaum Hoffnung auf neues Wachstum. Die Laptops bringen zwar immer noch gutes Geld ein. Lenovo ist der profitabelste Hersteller der Branche und PCs und Laptops erwirtschaften noch immer 30 Milliarden der 43 Milliarden Dollar Jahresumsatz.

Aber der Trend zeigt nach unten. Wachstum in den Bereichen Gaming-PC, Detachables (abnehmbarer Bildschirm, als Tablet nutzbar) und Workstations sollen das Kerngeschäft stabilisieren. In der nächsten Welle müssen VR- und AR-Brillen wegbrechendes PC-Geschäft ersetzen.

Analysten werden zunehmend unruhig. „Die PCs sind eine starke Cashcow“ sagt zum Beispiel Gokul Hariharan von JP Morgan. „Aber die beiden neuen Sparten – Server und Mobile - haben nicht wie erwartet eingeschlagen. In der Tat machen sie Verluste.“ Jüngst hat Citibank seine Gewinnprognosen für 2018 um 20 Prozent zurückgenommen und die für 2019 um 24 Prozent. Dabei hatte Lenovo nach hohen Verlusten 2016 erstmals wieder die Gewinnzone erreicht.

Lenovo braucht dringend ein neues ThinkPad. 1992 nach dem Vorbild einer japanischen Bento-Box gestaltet und zunächst für 8000 bis 10.000 Dollar angeboten, schrieben die ThinkPads schnell Geschichte. Der eigentliche Erfinder, IBM, setzte 25 Millionen Stück ab. Nach der Übernahme der Sparte verkaufte Lenovo weitere 100 Millionen.

Der größte Werbecoup gelang eher zufällig, als Richter Lance Ito im berühmten O.J. Simpson-Mordprozess 1995 jeden Tag einen IBM 755C ThinkPad mit DX2 66Mhz-Prozessor auf dem tagtäglich in Millionen Haushalte live übertragenen Richtertisch hatte. IBM erreicht einen ungeahnten Bekanntheitsschub in der breiten Öffentlichkeit. Mit einem „Bendy“ auf einem Richtertisch könnte das vielleicht noch mal gelingen. Aber kaum mit Server-Schränken im Keller.

KONTEXT

Die größten Elektronik-Hersteller der Welt

Platz 10

Honeywell International (USA)

Umsatz 2015: 38,58 Milliarden US-Dollar

Platz 9

Amer International Group (China)

Umsatz 2015: 47,80 Milliarden US-Dollar

Platz 8

LG Electronics (Südkorea)

Umsatz 2015: 50,00 Milliarden US-Dollar

Platz 7

Toshiba (Japan)

Umsatz 2015: 52,03 Milliarden US-Dollar

Platz 6

Panasonic (Japan)

Umsatz 2015: 62,92 Milliarden US-Dollar

Platz 5

Sony (Japan)

Umsatz 2015: 67,52 Milliarden US-Dollar

Platz 4

Hitachi (Japan)

Umsatz 2015: 83,58 Milliarden US-Dollar

Platz 3

Siemens (Deutschland)

Umsatz 2015: 87,66 Milliarden US-Dollar

Platz 2

Hon Hai Precision Industry (bekannt als Foxconn, Taiwan)

Umsatz 2015: 141,21 Milliarden US-Dollar

Platz 1

Samsung Electronics (Südkorea)

Umsatz 2015: 177,44 Milliarden US-Dollar

Quelle: Fortune