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Sind Leistungssportler im Job wirklich krisenfester? Drei Ex-Profis berichten

Wenn Ex-Topathleten in die Wirtschaft wechseln, arbeiten sie mit viel Engagement – in der Krise ist das wertvoll. Doch ein Selbstläufer ist das nicht.

Wie schmerzhaft ein 25-Kilometer-Rennen sein kann, daran hat Thomas Lurz in letzter Zeit oft gedacht. Früher, als Profischwimmer, zählte Lurz zu den erfolgreichsten: Er gewann olympisches Silber und Bronze, dazu kommen ein Dutzend Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften. Die letzten Wettkämpfe sind fünf Jahre her.

Doch die Erfahrungen von damals motivieren den 40-Jährigen in seinem heutigen Job als Personalchef bei s.Oliver noch immer – gerade in der Krise. Die Pandemie hat die Modefirma hart getroffen: Umsätze blieben aus, Hunderte Beschäftigte verloren ihren Job. Das ging auch an Lurz nicht spurlos vorbei. Doch die Erinnerungen an seine Erfolge gaben ihm Kraft: „Wenn du die 25 Kilometer mit all ihren extremen Tiefen geschafft hast, dann wirst du jetzt auch diese Krise durchstehen.“

Ehemalige Profisportler wie Lurz sind ein besonderer Typus Angestellter. Gerade in Krisenzeiten bringen frühere Topathleten Attribute mit, die für Unternehmen sehr wertvoll sein können. Denn verglichen mit Fachkräften sind ehemalige Spitzensportler nicht nur überdurchschnittlich engagiert und diszipliniert.

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„Sie haben sich durch den Sport auch eine enorme mentale Stärke angeeignet“, sagt Sascha L. Schmidt, Professor für Sport und Management an der Wirtschaftshochschule WHU. Athleten seien es gewohnt, „den Wettkampf durchziehen, auch wenn nicht alles nach Plan läuft“. Davon könnten Arbeitgeber in der Krise profitieren.

Dabei hätten die meisten Personaler ehemalige Leistungssportler noch zu wenig im Blick, sagt Irg Torben Bührer, der mit seiner Agentur Patparius frühere Sportler bei ihrer zweiten Karriere begleitet.

Dass Athleten auch in der Geschäftswelt Überdurchschnittliches leisten, spiegelt sich auf dem Gehaltszettel wider. Berechnungen der Universitäten Düsseldorf und Hamburg zufolge verdienen ehemalige Profisportler verglichen mit ihren „normalen“ Kollegen bis zu 780 Euro netto mehr im Monat. Da verwundert es nicht, dass es eine Reihe von Topathleten gibt, die es auch in der Geschäftswelt bis nach oben geschafft haben.

So wie Michael Ilgner. Der frühere Wasserball-Nationalspieler ist seit dem Frühjahr Personalchef bei der Deutschen Bank. „Mich hat immer angetrieben zu beweisen, dass man es in beiden Feldern weit bringen kann“, sagt er. Nach seiner Sportkarriere arbeitete Ilgner als Unternehmensberater, bevor er Chef der Sporthilfe wurde.

Von Debatten, ob Sportler die besseren Manager seien, hält der 49-Jährige wenig. „Man eignet sich im Spitzensport sicher einige Fähigkeiten an, die im Berufsleben den Unterschied machen können“ – etwa die Eigenschaft, sich nicht von Rückschlägen entmutigen zu lassen. „Das kann aber kein Fachwissen ersetzen.“ Beides müsse zusammenkommen.

Ilgner hat sich nie darauf verlassen, dass seine berufliche Karriere ein Selbstläufer wird. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen und promovierte in dem Fach. „Wenn man bestimmte fachliche Grundlagen nicht in frühen Jahren legt, lässt sich das hinterher häufig nicht mehr aufholen.“

Doch wo genau hilft den einstigen Profis und ihren Arbeitgebern ihre frühere Sportlerkarriere? Und wo lauern Widerstände? Drei ehemalige Spitzensportler sprechen über ihr altes und neues Berufsleben.

Max Günthör: Schwieriger Sprung in die Wirtschaft

Wenn in den Büros des Autozulieferers ZF Friedrichshafen lauter Jubel ausbricht, wissen die Kollegen gleich, um wen es sich handelt: Max Günthör. Wenn der 35-Jährige eine schwierige Aufgabe gemeistert hat, kann er seine Emotionen kaum bremsen. Das war schon so als Volleyballprofi. Fotos zeigen ihn nach Siegen mit weit aufgerissenem Mund. Bis 2015 spielte Günthör in der Bundesliga, 178 Mal lief er fürs Nationalteam auf. Seine größten Erfolge: Platz fünf bei Olympia, Bronze bei den Weltmeisterschaften.

Doch auf dem Arbeitsmarkt nützten ihm seine Urkunden und Medaillen herzlich wenig. Ein Dutzend Bewerbungen schrieb Günthör, kein einziges Mal bekam er Rückmeldung. Sein Ingenieursstudium schloss er parallel zur Sportkarriere zwar ganz ordentlich ab. Doch wer über Jahre trainiert, findet kaum Zeit für das, was Personaler suchen: Berufserfahrung, Praktika, Auslandsaufenthalte.

„Das war schon ein Schlag“, erzählt Günthör. „Meine ganzen Erfolge, für die ich hart trainiert habe, waren nicht mehr viel wert.“ Über Kontakte ist er schließlich zu ZF gekommen, wo er heute mitverantwortlich für die digitale Transformation der Kommunikationsabteilung ist. Geholfen haben ihm die Deutsche Sporthilfe und spezielle Coachings.

Günthör ist kein Einzelfall. WHU-Ökonom Schmidt beobachtet, dass viele Ex-Sportler ohne Förderprogramme beim Übergang in die Wirtschaft häufig „durchs Raster fallen würden“. Einige Firmen, darunter die Telekom, die Deutsche Post oder Daimler, haben in Zusammenarbeit mit der Sporthilfe deshalb ihr Recruiting geändert und Kennwort-Bewerbungen eingeführt. Mit einem Passwort können sich frühere Sportler über ein eigenes Karriereportal bewerben, in dem der Algorithmus Lebensläufe mit wenig Berufserfahrung nicht gleich aussortiert.

An eines hat sich Ex-Volleyballer Günthör bis heute nicht gewöhnt: die Feedback-Kultur in der Wirtschaft. „Als Profisportler habe ich vom Trainerstab dauerhaft Rückmeldungen bekommen: Ich wusste immer, wo ich stand.“

Im Büro würden sich viele nicht trauen, negatives Feedback zu geben. Dabei diene das ja nur dazu, die Leistung zu verbessern, erzählt Günthör. „Vermutlich bin ich meinem Chef ab und zu auf die Nerven gegangen, weil ich ständig Rückmeldung gebraucht habe und alles perfekt machen wollte.“

Sportberater Bührer beobachtet, dass frühere Athleten mit ihrem ausgeprägten Lernwillen bei Kollegen und Vorgesetzten anecken können: „Führungskräfte müssen die ersten Monate auch als Investment sehen, bevor Sportler ihr Potenzial entfalten können.“ Ewald Manz, Partner bei der Personalberatung Odgers Berndtson und spezialisiert auf den Bereich Sport, empfiehlt Unternehmen für ehemalige Spitzensportler einen Mentor abzustellen, der diese gerade in der Anfangszeit betreut. „Der Sprung ist die Unternehmenswelt ist durchaus ein großer.“

Dort fühlt sich Günthör mittlerweile wohl. Nur eines kann ihm die Geschäftswelt nicht geben: den Adrenalinkick, bevor das Spiel angepfiffen wird. „Danach lechze ich immer noch.“

Katja Kraus: Ex-Fußballerin im Topmanagement

Die Erfolgsliste von Katja Kraus ist lang: Vizeweltmeisterin, Europameisterin, dreimal deutsche Meisterin, viermal DFB-Pokalsiegerin. Kraus, die in den 80er- und 90er-Jahren als Torhüterin für den FSV Frankfurt 220 Spiele in der Bundesliga absolviert hat, zählt zu jenen, die es auch in der Geschäftswelt weit gebracht haben.

Die 49-Jährige ist eine der Gründerinnen und Geschäftsführerinnen der Hamburger Sportmarketingagentur Jung von Matt Sports. Davor war sie Marketingvorständin des Hamburger SV – und in dieser Funktion die erste Frau im Vorstand eines Bundesligisten.

Etwas anderes als Sport hätte sich Kraus auch für ihre zweite Karriere gar nicht vorstellen können: „Meine Sportkarriere hat mich für vieles gewappnet – beruflich wie persönlich.“ Tatsächlich versuchen viele ehemalige Athleten „sportsnahen Branchen verbunden zu bleiben – etwa in Verbänden oder Vereinen“, sagt WHU-Experte Schmidt.

Doch dort ist es selbst für erfahrene Spitzensportler nicht immer ganz einfach, wie Kraus feststellen musste. 2011 wurde ihr Vertrag beim HSV nach acht Jahren nicht verlängert. Kraus wollte den Klub wie ein Unternehmen positionieren, doch traditionelle Kräfte waren gegen den Plan. Als beim HSV die sportlichen Erfolge ausblieben, musste Kraus gehen. „Das war eine schmerzliche Zäsur“, sagt sie heute. Doch der Abgang beim HSV habe ihr auch neue Perspektiven eröffnet. Kraus schrieb ein Buch über Erfolg und Scheitern, wechselte in die Werbebranche.

In einer noch unveröffentlichten Studie hat die WHU herausgefunden, dass frühere Sportlerinnen, die jetzt im Topmanagement tätig sind, überdurchschnittlich häufig Führungseigenschaften aufweisen, die eher Männern zugeschrieben werden. Sie führen bestimmt, setzen auf Konkurrenz, greifen entschieden durch.

Kraus findet sich in dieser Beschreibung zwar nicht wieder, sagt sie. Doch sicher ist: Sie hat sich durchgesetzt, und das in einer Männerdomäne.

Die Ex-Profisportlerin ist damit aus Expertensicht ein Ausnahmefall. Denn Sportlerinnen haben es doppelt schwer. Schließlich gibt es einerseits noch immer sehr wenige Frauen im Topmanagement. Andererseits enden Sportkarrieren oft in einem Alter, in dem auch die Familienplanung ansteht. Das kann die wichtige Anfangszeit im Beruf für die Ex-Profis weiter verkürzen. Auch das mag ein Grund sein, dass sich Kraus mit der von ihr gegründeten Plattform „Think, Act, Effect“ für mehr Diversität in Führungsetagen einsetzt.

Thomas Lurz: Immer das Bestmögliche erreichen

Der Tag beginnt für Lurz erst so richtig, wenn er fünf Kilometer geschwommen ist. Um Punkt sechs springt er ins Becken, krault seine Bahnen. Danach geht es ins Büro. „Disziplin beginnt dann, wenn man jahrelang dazu bereit ist, eine Extrameile zu gehen“, sagt Lurz. Zu seinen besten Zeiten schwamm er einen Kilometer in zehn Minuten und 30 Sekunden, heute braucht er eine Minute länger – „das sind Welten“, sagt er. Auch nach dem Ende seiner Sportkarriere will Lurz immer noch das Bestmögliche erreichen.

Auch im Job: 2013 startete Lurz bei s.Oliver in der Personalentwicklung. Nach einer Weiterbildung zum MBA wurde er zum Assistenten des CEOs berufen, dann zum Leiter der Personalabteilung befördert. Für den Modekonzern baute er quasi als Nebenprojekt das betriebliche Gesundheitsmanagement neu auf. Dafür lud er Olympiateilnehmer ein, die interessierten Mitarbeitern Yoga-, Triathlon- oder Rückentraining gaben. Zudem stellte er die Ernährung in der Kantine auf gesündere Gerichte um. Die Motivation der Mitarbeiter sei auf diese Weise gestiegen, die Krankheitsquote gesunken.

Dass ehemalige Spitzensportler in Unternehmen vieles über ihre eigentliche Jobbeschreibung hinaus bewegen wollen, bekommt Sportberater Bührer häufig zu hören. „Athleten sind auch in der Geschäftswelt dazu bereit, an ihre Grenzen oder sogar darüber hinaus zu gehen.“ Oftmals würden sie allerdings durch die Strukturen der Firmen ausgebremst. Denn wer gewohnt war, um jeden Millimeter zu kämpfen, „kann bei langen Entscheidungswegen in Betrieben schnell demotiviert sein“.

Auch Personaler Lurz hat diese Erfahrung gemacht: „Am Anfang habe ich mich immer gefragt, warum man sich so oft in Meetings treffen muss und dabei so wenig beschließt.“ Über die Jahre ist der frühere Schwimmer geduldiger geworden. Anders als im Schwimmbecken könnten in der Geschäftswelt Erfolge oft nicht einzelnen Personen zugerechnet werden.

Nur weil man Weltmeister geworden ist, dürfe man nicht hochnäsig sein, so Lurz. „Es kommt darauf an, sich immer wieder von Neuem zu beweisen.“ Lurz tut das täglich – im Becken und im Büro.