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Leiharbeit in Schwesterntracht

Zehntausende Rotkreuzschwestern werden dauerhaft an die Pflegeabteilungen deutscher Kliniken „verliehen“. Nur mit einem gesetzgeberischen Kniff lässt sich diese Praxis erhalten.

Die Mitteilung aus dem Bundesarbeitsministerium kam seltsam daher. „Einigung zum Erhalt der Schwesternschaften vom DRK“, war die Botschaft Anfang der Woche überschrieben. Ressortchefin Andrea Nahles (SPD) kümmert sich um alles Mögliche, Arbeitsmarkt, Rente, Behinderte. aber Rotkreuz-Schwestern?

Einen Tag später ist klar, dass Nahles – zumindest aus Sicht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) – gerade noch rechtzeitig gehandelt hat. Denn hätte sie sich nicht mit dessen Präsident Rudolf Seiters verständigt, das DRK-Gesetz zu ändern, wäre bald vielleicht Schluss mit dem Dauereinsatz Tausender Schwestern in deutschen Kliniken. Denn diese sind wie Leiharbeiterinnen zu behandeln, urteilte das Bundesarbeitsgericht am Dienstag.

In Deutschland sind derzeit rund 25.000 Rotkreuz-Schwestern in 33 Schwesternschaften organisiert, die eine 135-jährige Tradition haben. Von ihnen werden nach Angaben ihres Verbandes 18.000 über spezielle Vereinbarungen als Pflegerinnen in Kliniken und Krankenhäusern eingesetzt, die nicht zum Roten Kreuz gehören. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts galten die Schwestern nicht als Arbeitnehmerinnen, sondern als Mitglieder eines gemeinnützigen Vereins. Doch diese Einschätzung gilt nach dem Urteil der Erfurter Richter vom Dienstag nicht mehr.

Den Fall ins Rollen gebracht hatte der Betriebsrat der Essener Ruhrlandklinik. Er verweigerte die Zustimmung, eine DRK-Schwester auf unbestimmte Zeit im Pflegedienst zu beschäftigen. Der Arbeitgeber zog daraufhin vor Gericht und gewann in den ersten beiden Instanzen. Das Bundesarbeitsgericht als höchste Instanz hatte bereits 2015 verhandelt, den Fall aber an den europäischen Gerichtshof (EuGH) überwiesen. Der entschied, dass der Sonderstatus der Rotkreuzschwestern nicht mit der europäischen Leiharbeitsrichtlinie vereinbar ist.

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Das Bundesarbeitsgericht schloss sich jetzt dieser Rechtsauffassung an. Die Schwestern sind wie Leiharbeiterinnen zu behandeln, weil sie nach den Weisungen der jeweiligen Klinikleitungen arbeiten und arbeitsrechtlichen Schutz genießen, der dem von Arbeitnehmern entspricht.

Theoretisch müsste das von Nahles durchgesetzte neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, das am 1. April in Kraft tritt, damit auch für die Schwestern gelten. Es sieht vor, dass ein Leiharbeiter maximal für 18 Monate an einen Betrieb verliehen werden darf. Die Kliniken müssten sich also auf häufigere Personalwechsel einstellen. Praktisch wird es aber dazu wohl nicht kommen. Denn Nahles und DRK-Präsident Seiters haben sich darauf verständigt, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auch für die Schwestern gelten soll. durch eine Änderung des DRK-Gesetzes wird aber die 18-monatige Höchstüberlassungsdauer ausgeklammert.

„Ich freue mich, dass wir gemeinsam eine Lösung im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben finden konnten, die es den Rotkreuzschwestern erlaubt, ihr Modell weiter zu führen“, sagte Nahles nach der Begegnung mit Seiters. „Mit diesem Kompromiss werden Rotkreuzschwestern weiterhin dauerhaft an einem Einsatzort tätig sein können“, freute sich der DRK-Präsident.

Die Gewerkschaft Verdi teilt diese Freude allerdings nicht. Das EU-Recht dürfe nicht durch politische Tricksereien umgangen werden, warnte das zuständige Vorstandsmitglied Sylvia Bühler. Die von Nahles geplante Sonderregelung „wäre nicht EU-rechtskonform und von vornherein zum Scheitern verurteilt“. Nach Auffassung der Gewerkschaft müssen DRK-Schwestern in Zukunft mit den Beschäftigten der Einsatzbetriebe gleichgestellt – oder noch besser – in diese Betriebe übernommen werden. „Wir bieten den DRK-Schwesternschaften erneut an, gemeinsam gute tarifliche Regelungen für den Übergang zu finden und die Ansprüche der Betroffenen zu sichern", sagte Bühler. Ungeklärt seien unter anderem Anwartschaften bei der Altersversorgung, die Anrechnung von bisherigen Beschäftigungszeiten als auch vereinzelt Wohnrechte in Schwesternheimen.