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Das Leiden der Giganten – Newcomer treiben Konsumgüter-Riesen vor sich her

Als der Start-up-Investor Carsten Maschmeyer in dieser Woche im Handelsblatt-Wirtschaftsclub angehenden Gründern Tipps gab, floss eine Biermarke aus dem Zapfhahn, deren Gründer vieles richtig gemacht haben: Ratsherrn. Nicht nur in ihrem Brauereigasthaus im Hamburger Schanzenviertel hat sich die Marke innerhalb weniger Jahre etabliert, nein, in vielen Kneipen und Restaurants der Hansestadt.

Hamburgs Tresen, noch vor wenigen Jahren fest in der Hand des globalen Carlsberg-Konzerns mit seinen Marken Holsten und Astra, schwören inzwischen auf den regionalen Newcomer, hinter dem die traditionsreiche norddeutsche Getränkefachgroßhandelsgruppe Nordmann steht.

Die Erfolgsgeschichte von Ratsherrn ist kein Einzelfall. Regionale Spieler nehmen seit einigen Jahren weltweit den großen Konsumgüterkonzernen Marktanteile ab. Eine aktuelle Studie, welche die Unternehmensberatung OC & C dem Handelsblatt vorab zur Verfügung gestellt hat, zeigt: Die 50 größten Konsumgüterkonzerne der Welt bleiben organisch wachstumsschwach, kaufen sich Umsatz durch Übernahmen hinzu – und verschärfen so ihre Wachstumskrise womöglich zusätzlich.

Dabei hatte es für die globalen Spieler in der Nachkriegszeit so gut geklappt: Teure Fernsehwerbung begünstigte die Anbieter mit den tiefsten Taschen. Die Großen wuchsen, die kleinen verschwanden. Doch heute verliert der Kanal TV zunehmend an Wert. Neue Werbeformen im Internet ermöglichen es kleinen Marken, ihre Geschichte kostengünstig an die Kunden zu bringen. Die Markteintrittshürden für Gründer sind so niedrig wie lange nicht.

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Inzwischen gibt es zudem eine Infrastruktur, die es Newcomern leicht macht. Lohnfertigung ist in der Konsumgüter-Branche mittlerweile weit verbreitet – getrieben auch durch die starken Handelsmarken. Wer eine gute Produktidee hat, kann etwa eine neue Limonade einfach anderswo fertigen lassen – so wie die Erfinder der Hamburger Fritz-Kola, die Coke und Pepsi zu schaffen macht. Bei der Auslandsexpansion helfen gut ausgebaute Netzwerke von Distributeuren. Vorteile, die früher nur Großkonzernen vorbehalten waren, sind heute auch für Gründer erreichbar.

Und so erstarken auch regional bereits tief verankerte Mittelständler – wie eben die Nordmann-Gruppe mit ihrer Marke Ratsherrn. Sie können ihre gewachsenen Stärken etwa bei Handelskontakten und Logistik besser ausspielen. „Lokale Anbieter sind oft besser darin, ihre Produkte in die Märkte zu drücken“, sagt OC & C-Partner Christoph Treiber. Damit liegen lokale Größenvorteile bei diesen Anbietern, nicht bei Weltkonzernen. In der Folge versuchen auch die Großkonzerne, ihre Strukturen zu verschlanken.

Pepsico etwa zieht sich aus der Produktion in Europa zurück. Nestlé, unter Margendruck durch den aktivistischen Investor Daniel Loeb‧, streicht Arbeitsplätze auch in deutschen Werken. Selbst Oetker-Chef Albert Christmann hat angekündigt, stärker auf die Kosten zu achten. Denn auch er merkt: Für den Handel werden die Massen-Marken der großen Hersteller unwichtiger – zwischen den Eigenmarken der Händler auf der einen Seite und den profilierten Premium-Marken auf der anderen.

Die Weltkonzerne reagieren. Auf der einen Seite stehen vermehrte Übernahmen. Im Tabaksektor und unter den Großbrauern tobt eine Art Endspiel mit Megadeals, in denen sich etwa mit SAB Miller und AB Inbev die zwei größten Brauer der Welt zusammentaten. Das soll Kosten senken.

OC & C registriert in der Studie einen neuen Höchststand der Übernahmeflut im vergangenen Jahr: 60 große Deals weltweit zählten die Experten in dem Sektor mit 145 Milliarden Dollar Volumen – so viel Geld wie seit zehn Jahren nicht mehr. Doch die Megafusionen bieten auch Raum für kleinere Spieler: Die Marke Ratsherrn beispielsweise kam vor Jahren nur deshalb zur regionalen Nordmann-Gruppe, weil das Bundeskartellamt Carlsberg dazu verdonnerte, diese beim Holsten-Kauf abzugeben. „Die Konsumenten sind bereit, für solche regionalen Premium-Marken mehr auszugeben“, hat Treiber beobachtet.

Zukäufe für Wachstum

Daher bemühen sich die Großkonzerne verstärkt, ebenfalls Premiummarken aufzubauen oder zu kaufen. L’Oréal-Chef Jean-Paul Argon gibt die Devise aus, kleine Marken zuzukaufen, die lokal und in Nischen erfolgreich sind. Er will sie mit dem Können des weltgrößten Kosmetikkonzerns groß machen – so wie die Marken Nyx und Urban Decay.

Haupttrend bleibt aber die Sparsamkeit. Nachdem die Konsumgüterkonzerne jahrelang ihre Gewinne zuverlässig durch Umsatzsteigerungen vergrößern konnten, sind sie in der Wachstumsschwäche darauf angewiesen, die Margen zu steigern, um mehr Gewinn zu schreiben. Sie bauen den Speck der fetten Jahre ab.

Als Vorreiter gilt der vom Finanzinvestor 3G geschmiedete Kraft-Heinz-Konzern. Der Ansatz des „Zero Based Budgeting“, also möglichst eng geschnürter Budgets, findet sich inzwischen bei vielen Konzernen der Branche – mit Erfolg. Die operative Marge legte bei den 50 größten 2017 noch mal um 0,7 Prozentpunkte zu. Die Budgets für Forschung und Entwicklung konnten im Schnitt stabil gehalten werden, die Marketingausgaben sanken sogar ganz leicht um einen Zehntelprozentpunkt.

Doch es droht ein Teufelskreis: Der durch die Wachstumsschwäche hervorgerufene Geiz könnte dazu führen, dass Chancen seltener genutzt werden. „Zero Based Budgeting geht oft auf Kosten des Wachstums“, analysiert Treiber. Zudem kann Sparsamkeit am Image kratzen: Carlsberg etwa hat in Hamburg die legendäre Astra-Brauerei in Reeperbahn-Nähe längst geschlossen und verlagert nun die Holsten-Brauerei aus der Stadtmitte an den kostengünstigeren Stadtrand – während Angreifer Ratsherrn weiter in renommierter Szenelage braut.

Inzwischen beeinträchtigt die Sparwut auch die Attraktivität als Arbeitgeber. „Viele Top-Absolventen wollen anders als früher nicht mehr in die Konsumgüterindustrie“, warnt Treiber. IT-Konzerne und Start-ups machten ihr Talente streitig.

Die beiden größten deutschen Spieler kämpfen ebenfalls um Wachstum und Profitabilität. Durch Zukäufe hat sich Henkel bei Konsumgütern vom 38. auf den 31. Platz hochgearbeitet. Investitionen in Start-ups und Nachhaltigkeit sollen das Wachstum treiben, das bei Waschmitteln vorankommt, aber bei der Kosmetik stockt. Zero Based Budgeting ist bei den Düsseldorfern dennoch kein Thema. Der Nivea-Hersteller Beiersdorf verharrt wegen ausbleibender Zukäufe auf Platz 61.