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Lehren aus Corona: Spahn will die EU zu einer Gesundheitsgemeinschaft formen

Corona dominiert die deutsche EU-Präsidentschaft. Minister Spahn will Europa mit den Kollegen aus den Mitgliedsländern besser für Pandemien rüsten.

Jens Spahn (CDU, r.), Gesundheitsminister von Deutschland, spricht bei den Feierlichkeiten mit Alain Berset (M.), Gesundheitsminister der Schweiz, und Paulette Lenert (l.), Gesundheitsministerin von Luxemburg. Foto: dpa
Jens Spahn (CDU, r.), Gesundheitsminister von Deutschland, spricht bei den Feierlichkeiten mit Alain Berset (M.), Gesundheitsminister der Schweiz, und Paulette Lenert (l.), Gesundheitsministerin von Luxemburg. Foto: dpa

Als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dem Europäischen Parlament die Pläne der deutschen EU-Ratspräsidentschaft aus seinem Bereich erläuterte, schraubte er die Erwartungen hoch: In den nächsten sechs Monaten werde es „keine Ankündigungspräsidentschaft, sondern eine Umsetzungspräsidentschaft“ geben. Europa müsse in Gesundheitsfragen „souveräner“ werden, forderte der CDU-Politiker bei der Anhörung Anfang Juli.

Gesundheitspolitik ist oft ein Randthema in der EU. In Zeiten von Corona ist das anders. Die Krise hat den Europäern vor Augen geführt, wie unzureichend sie auf eine Pandemie vorbereitet waren. Nun soll unter deutscher Führung der Aufbruch in eine europäische Gesundheitsgemeinschaft gelingen.

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Die Liste der Themen ist lang: Es geht um Impfstoffentwicklung, Lieferketten bei Medikamenten, den Aufbau einer schlagkräftigen europäischen Seuchenschutzbehörde, den grenzüberschreitenden Umgang mit Gesundheitsdaten. An diesem Donnerstag berät Spahn mit seinen Kollegen aus den anderen EU-Mitgliedstaaten über das ambitionierte Programm.

„In dieser Krise haben wir erneut erfahren, dass wir Europäer zusammenhalten müssen, um Gefahren abzuwenden“, sagte Spahn im Vorfeld des Treffens, an dem die meisten EU-Minister per Videoschalte teilnehmen werden. Nur die portugiesische Gesundheitsministerin Marta Temido und der slowenische Gesundheitsminister Tomaž Gantar reisen nach Berlin – die beiden Staaten haben 2021 den EU-Ratsvorsitz inne.

Spahns Vorhaben, die Produktion von Medizinprodukten und pharmazeutischen Wirkstoffen zurück nach Europa zu verlagern, kommt in Brüssel gut an. Im Europaparlament wird die Einschätzung geteilt, dass die EU-Staaten bei der Versorgung mit Arzneimitteln oder Schutzmasken zu abhängig sind von Drittländern wie China und Indien.

Peter Liese, EVP-Sprecher im Ausschuss für Gesundheit und Umwelt, sagte: „Wir wollen als Europäisches Parlament die Arzneimittelproduktion in Europa stärken.“ Bislang habe der billigste Hersteller den Zuschlag bekommen, Versorgungssicherheit habe keine Rolle gespielt. „Das muss sich ändern.“

BDI fordert EU-weiten Datenaustausch

Ein weiterer Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft ist, einen „europäischen Gesundheitsdatenraum“ zu schaffen. Dabei geht es längst nicht nur darum, die unterschiedlichen Corona-Warn-Apps in den Mitgliedstaaten aufeinander abzustimmen. Die Digitalisierung wälzt die Gesundheitsversorgung um. Spahn will verhindern, dass Europa bei der Forschung an der datengetriebenen Medizin der Zukunft abgehängt wird.

Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist der EU-weite Datenaustausch zentral. „Ohne die Beteiligung aller europäischen Mitgliedstaaten und deren zentraler Akteure kann das volle Potenzial des gemeinsamen Datenraumes, wie die Nutzung von Daten für Forschung, Entwicklung und Anwendungen für wichtige Innovationen nicht ausgeschöpft werden“, heißt es in einem Strategiepapier des BDI für den deutschen Ratsvorsitz, das dem Handelsblatt vorliegt.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) müsse in der gesamten EU einheitlich ausgelegt werden. Wenn nicht alle Mitgliedstaaten bei gemeinsamen Standards im Umgang mit Daten mitmachen, würden „europäische Standortvorteile leichtfertig verspielt“.

In dem Strategiepapier stellt der Spitzenverband eine Reihe von Forderungen auf, um die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Gesundheitswirtschaft zu stärken – unter anderem weniger Bürokratie bei Forschungsförderungen und eine bessere Ausbildung von Fachkräften. Der deutsche EU-Ratsvorsitz müsse „die nächsten sechs Monate bestmöglich nutzen, um die Rahmenbedingungen für die Produktion und Entwicklung von Gesundheitsprodukten zu verbessern“, sagte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.

Spahn plant europäische Seuchenschutzbehörde

Schließlich geht es Spahn darum, die EU als weltweiten Gesundheitswächter zu positionieren. Die vergangenen Monate haben gezeigt: China agiert in der Pandemie intransparent, auf die USA unter der Führung von Donald Trump ist kein Verlass.

Das bisher unscheinbare European Center for Disease Control (ECDC) soll daher zu einer europäischen Seuchenschutzbehörde ausgebaut werden. Spahn schwebt eine Institution vor, die nicht nur „nach Europa hinein“ wirkt, sondern sich auch außerhalb von Europa engagiert.

Als der Minister sich im vergangenen Herbst auf einer Afrikareise ein Bild vom Kampf gegen Ebola machte, waren dort amerikanische und chinesische Seuchenexperten im Einsatz. Europäer waren nicht in Sicht. „Die Pandemie ist auch eine Chance für Europa“, sagt Spahn. „Die sollten wir ergreifen, um den Auftritt der Europäischen Union in der Welt und für die Welt zu stärken.“

Nach Trumps Entscheidung, die USA aus der Weltgesundheitsorganisation zu führen, sei ein „koordiniertes, verstärktes Vorgehen Europas“ in der WHO gefordert. Die französische Europaparlamentarierin Nathalie Colin-Oesterlé, Berichterstatterin des Gesundheitsausschusses, drückt es drastischer aus: „Die öffentliche Gesundheit ist zu einer geostrategischen Waffe geworden, die einen Kontinent in die Knie zwingen kann.“

Viele von Spahns Vorhaben sind eher mittel- und langfristige Weichenstellungen. Für den kurzfristigen Kampf gegen das Coronavirus stellte die EU-Kommission am Mittwoch einen Aktionsplan vor, um auf eine mögliche zweite Infektionswelle zu reagieren. Nach dem Chaos im Frühjahr strebt die Brüsseler Exekutive an, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten etwa bei der Entsendung medizinischer Notfallteams zu verbessern. Für eine derartige „humanitäre Luftbrücke“ werden 36 Millionen Euro bereitgestellt. Bei Schutzausrüstungen und Medikamenten sollen strategische Vorräte angeschafft werden.

„Wir brauchen einen Schild, um die Schwächsten zu schützen“, sagte Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit. Außerdem empfahl sie, die Impfung gegen die saisonale Grippe europaweit auszuweiten, insbesondere für Hochrisikogruppen. Margaritis Schinas, Vizepräsident der EU-Kommission, sagte: „Wir wollen generelle Lockdowns vermeiden.“ Europa sei sehr viel besser vorbereitet, als es noch im Februar und März der Fall war.