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Legal-Tech-Start-up Advocado greift Inkassoportale an

Advocado bringt eine App heraus, die anwaltlich geprüfte Dokumente für Flug- und Zugverspätungen erstellt. Der kostenlose Service bringt Inkassoportale in Bedrängnis.

Meist klappt es schnell und reibungslos: Ist der Flug verspätet oder ausgefallen, schnappt man sich eines der gängigen Portale, gibt seine Daten ein und bekommt ein paar Wochen später die einem zustehende Entschädigung.

Einziger Wermutstropfen bei Portalen wie Flightright.eu oder airhelp.com: Sie nehmen bis zu 30 Prozent an Provision. Das Greifswalder Start-up Advocado, das seit fünf Jahren erfolgreich Anwälte bei rechtlichen Problemen vermittelt, will das nun ändern.

Das Unternehmen startet eine App, die ein Frontalangriff auf all die Inkassoplattformen ist. Nutzer können mit wenigen Informationen und ein paar Klicks ein anwaltlich geprüftes Dokument erstellen, es digital unterschreiben und dann an die betreffenden Firmen schicken – sei es per Mail, als Fax oder Brief.

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„Wir wissen mittlerweile, dass Bahn, Fernbus- und Fluggesellschaften auch zahlen, wenn man sich als Kunde direkt an sie wendet“, erklärt Maximilian Block, der das Start-up vor fünf Jahren gemeinsam mit Jacob Saß gegründet hat. „Dafür braucht niemand 30 Prozent Provision zu zahlen.“

In der App, die ab diesem Freitag in den Stores von Google und Apple zu finden ist, wird aber nicht nur das Thema Mobilität behandelt. „Wir wollen für jedes Rechtsproblem die beste Lösung anbieten“, sagt Saß.

Zum Start lassen sich auch Dokumente erstellen, um Auskünfte bei Schufa und Creditreform anzufordern. In Kürze sollen auch die Themen Gepäckverlust oder Mängel bei Pauschalreisen abgedeckt werden. Weitere Rechtsgebiete sollen in den kommenden Monaten folgen, beispielsweise Datenschutzauskünfte oder die Abwendung einer Mieterhöhung.

„Viele Menschen trauen sich gar nicht, direkt in eine Mietminderung zu gehen, scheuen auch den Aufwand“, weiß Block. Es gäbe eine Vielzahl von kleineren Rechtsthemen, bei denen man nicht immer gleich mit „der Anwaltskeule“ kommen müsse. Viele Dinge ließen sich mit einem professionell aufgesetzten Schreiben lösen.

Advocado verzichtet bei dem neuen Service auf hohe Provisionen. Das Unternehmen setzt vielmehr darauf, viele neue Nutzer zu gewinnen – und hofft natürlich, dass die User den Rechtsbeistand über die App buchen, sollten sie mit dem Gratisschreiben nicht ans Ziel kommen.

Denn die Vermittlung von passenden Fachanwälten zu spezifischen Themen ist weiterhin der Hauptjob des Legal Techs, das seinen Ursprung in der Greifswalder Uni hat. Dort trafen der 36-jährige Jurist Block und der 31-jährige BWLer Saß bei einem Business-Plan-Seminar aufeinander.

Gratis-Obst in der Villa

Wenig später breitete sich ihr Unternehmen im Technologiezentrum der Stadt aus. Seit diesem Jahr residiert es in einer alten Villa mitten im Zentrum, gelber Anstrich, weiße Säulen am Eingang. Es gibt kostenloses Obst und Getränke für die mittlerweile 50 Mitarbeiter – alles im Berliner Flair – und das zweieinhalb Autostunden von der Hauptstadt entfernt.

Mehr als 60.000 aktive Kunden haben sie auf ihrer Seite. Der Umsatz befinde sich im siebenstelligen Bereich, er wachse jährlich um rund 300 Prozent, erklären die Gründer. Längst sind sie über Greifswald hinaus bekannt in der Branche, ziehen Talente aus Berlin, Hamburg oder Köln an die Ostsee. Bewerbungen bekämen sie mittlerweile aus ganz Europa.

Die Idee zur App hatten sie schon länger. Im August fiel die finale Entscheidung und seitdem saß ein Kernteam von bis zu vier Entwicklern daran. „Kommt es zu einem neuen Rechtsskandal, können wir innerhalb von Minuten nach Bekanntwerden eines Anspruchs ein Dokument in die App stellen“, erklärt Saß.

100.000 Nutzer wollen sie im ersten Jahr erreichen. Die Zielgruppe ist indes gigantisch groß: Jeder Smartphone-Besitzer ist ein potenzieller Nutzer.

Als nächster Meilenstein steht die Expansion ins Ausland an. Bisher ist Advocado, in das unter anderem die Berliner Wagniskaptalfirmen GPS Ventures und a50 Ventures sowie die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern investiert sind, nur im deutschsprachigen Raum aktiv. Anfragen von Mandanten erhalten sie aber schon jetzt global.

Mittlerweile gäbe es sogar Anwälte, die ihre Aufträge zu 80 oder 90 Prozent über Advocado erhalten. „Es gibt in unseren 350 Partnerkanzleien mittlerweile richtige Anwaltsnomaden, die nur mit dem Laptop von überall auf der Welt ihre Mandanten betreuen können“, sagt Block.

Lassen sich rechtliche Probleme denn so einfach auf andere Staaten übertragen? Ja, sagt Block. „Wir bieten ja nur die Dienstleistung an, die konkrete Rechtsberatung vermitteln wir direkt an einen Anwalt.“

An das globale Wachstum glaubt auch Wolfgang Kemna, der seit der Finanzierungsrunde 2017 als Business Angel investiert ist. „Die beiden Gründer besitzen ein tiefes Verständnis des Legal-Tech-Marktes“, erklärt der langjährige ehemalige SAP-Manager.

Die Skalierbarkeit im deutschen Markt habe sich bereits während der Seed-Phase bestätigt. „Nach Deutschland rückt 2020 die DACH-Region in den Fokus“, sagt Kemna. Danach würden weiter europäische und angelsächsische Märkte folgen.

Auch wenn es noch keine konkreten Pläne gibt, die beiden Gründer sind sich schon jetzt sicher: „Unser Konzept ist definitiv international skalierbar.“