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Lebensfresser Überstunden: 6.500 davon häufen sich im Laufe einer Karriere an – warum und was ihr dagegen tun könnt

Denkt euch folgendes: Ihr seid im Büro. Es ist Feierabend. Aber nur drei von zehn Leuten gehen. Ihr blickt kaum auf. Schließlich hängt ihr selbst noch im Projekt fest und grübelt über etwas nach, für das ihr keine Lösung gefunden habt. Auch wenn euch die so spät kaum noch zufliegen dürfte, bleibt ihr vor dem Rechner hocken. Wie sähe das auch aus, wenn ihr jetzt, so ganz pünktlich zum Ende des Arbeitstages, aufstündet und ginget? Der Chef ist auch noch da. Eure Lieblingskollegen auch. Und überhaupt: Essen, das kann warten.

Ein Feierabend, an dem keiner geht – und der aufgrund von Überstunden keiner ist: Vielen Menschen ist das vertraut. Einer Studie von "gehalt.de" zufolge leistet fast jeder zweite Beschäftigte in Deutschland (48 Prozent) Überstunden – das macht in Summe während einer Karriere 3,5 Beschäftigungsjahre oder 6.500 Stunden on top, das heißt: über das eigentlich nötige Arbeitsmaß hinaus. 68 Prozent dieser Überstunden sind sogar unbezahlt. Es sind verlorene Lebensstunden ohne Ausgleich.

Das sind pro Person im Schnitt 2,9 Arbeitsstunden mehr pro Woche, als sie vertraglich vereinbart leisten müsste oder als tariflich geregelt ist. Denn so definieren sich Überstunden. In vielen Arbeitsverträgen gibt es Klauseln, die festlegen, in welchem Umfang Überstunden zu leisten sind, also zum Beispiel pauschal die Ableistung von Mehrarbeit umfassen.

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Wer seine Arbeitszeit über das nötige Maß hinaus ausdehnt, hat Gründe: zu viele zeitaufwendige Projekte, für die keine ausreichende Zahl an Mitarbeitenden zur Verfügung steht. Viele Meetings und Ablenkungen im Büro, die zu Lasten der Arbeitsproduktivität gehen. Ein Zeitmanagement, das besser sein könnte. Manchmal auch all das zusammen.

In manchen Arbeitsfeldern, in höheren Einkommensklassen und bei Führungskräften sind Überstunden dagegen häufiger die Regel: 83 Prozent der Führungskräfte machen laut "gehalt.de" Überstunden, im Schnitt sind es 7,8 Stunden pro Woche und Person. Bei den Branchen mit Tendenz zu Überstunden fallen Unternehmensberatungen auf – hier fallen pro Woche und Person im Schnitt 4,7 Überstunden an. Im „Ranking“ folgen die Branche für Konsum- und Gebrauchsgüter (4,1 Überstunden) und Hotels und Gaststätten (4 Überstunden).

Gesetzlich müssen Überstunden grundsätzlich bezahlt werden, solange der Arbeitsvertrag einer Person keine explizite Regelung zu Überstunden enthält und der Verdienst nicht über einer bestimmte Grenze (6.150 brutto im Monat) liegt. Dafür wiederum muss das Zusatz-Pensum durch den Arbeitgeber veranlasst oder zumindest gebilligt sein.

Seit 2019 müssen Arbeitgeber offiziell die Arbeitsstunden ihrer Angestellten erfassen. So soll etwa nachweisbar sein, dass die Höchstarbeit von 48 Wochenstunden pro Kopf oder Ruhezeiten von mindestens elf Stunden ununterbrochener Ruhezeiten nach Arbeitstagen eingehalten werden. In der Praxis, bei der tatsächlichen Dokumentation der Arbeitszeit, klappt das aber nur bedingt.

Das wissen etwa Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern. Hier werden Stunden oft noch von Hand erfasst und das nicht unbedingt zuverlässig.

Doch ob Überstunden aus systemischen Gründen, aus Erfolgsdruck oder einer problematischen Gewohnheit heraus entstehen: Wichtig ist, ihnen vorzubeugen. Wie klappt die Abgrenzung zwischen Pflicht und Mehrarbeit? Das ist von Fall zu Fall und je nach Position und Gepflogenheit in einem Unternehmen unterschiedlich.

Sprecht über den Arbeitsbedarf – und sagt auch mal Nein

Mal hier, mal da eine Viertelstunde länger an etwas zu arbeiten, ist normal. Werden Überstunden allerdings zur Regel, dann ist Vorsicht geboten. Sollten sich die Überstunden zur Normalität entwickelt haben, ist eine Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert, Offenheit. Nur wer seinen regelmäßig übervollen Schreibtisch auch kommuniziert, kann auf Verständnis bei der Führungskraft hoffen.

Wer große Aufgaben vor sich hat, sollte sie zeitnah und gut strukturiert abarbeiten und bei Bedarf mit der Führungskraft Rücksprache halten. Chefs ihrerseits sollten aufmerksam oder hellhörig werden, wenn sie den Eindruck haben, dass Überstunden in ihren Teams an der Tagesordnung sind. Dann kann es gesund sein, Arbeit anders zu verteilen oder Verantwortlichkeiten und Strukturen zu überdenken.

Nein sagen zu können, hilft auch gegen Überstunden: So wissen Führungskräfte oder Kollegen Bescheid, gerade auch dann, wenn ein Nein rechtzeitig kommt. In Teams ergeben sich oft Gelegenheiten, Aufgaben, die ihr aus Zeitgründen nicht erledigen könnt, durch einen Einsatz zu einem anderen Zeitpunkt auszugleichen. Offenheit und direkte Ansprache helfen.

Um im eure Arbeit möglichst zügig und am Stück erledigen zu können, solltet ihr Ablenkung vermeiden. Hier hilft eine feste Struktur von Arbeit und Pausen. Tätigkeiten wie der Check von Emails oder der eigenen Social Media-Accounts sollten nicht während der Arbeit, sondern in dafür vorgesehenen Pausen erfolgen. So beugt ihr Überstunden vor.

Der passende Arbeitsort hilft

Seit der Pandemie variieren die Arbeitsorte. Das macht es im Zweifel leichter, sich Arbeit so einzurichten, dass sie gut ins Leben passt – und die Ergebnisse gut werden.

Wer die Wahl hat, sich den Arbeitsort aussuchen zu können, sollte sie nutzen. So sollten Menschen, die am ehesten im trubeligen Büro ihren Workflow finden, dort arbeiten. Andere brauchen für ihre Produktivität die Ruhe des heimischen Schreibtisches. In Unternehmen, in denen diese Wahl nicht möglich ist, kann die eigene Arbeitsweise ein Anlass für ein Gespräch dazu mit der Führungskraft sein. Schließlich profitieren alle davon, wenn jemand seinen Workflow verbessern kann.

Kollegen schieben Überstunden? Bleibt autonom

Nur weil Kollegen länger arbeiten, als es gut für sie und ihre Produktivität ist, muss das nicht für jeden anderen genauso gelten. Jedenfalls nicht, solange es sich nicht um ein explizit so geplantes Projekt handelt, für das ihr gemeinsam einsteht.

In Abhängigkeit von Branche und Arbeitsort gilt: Wenn ihr es gut hinbekommt, euch und eure Arbeitsbelastung einzuschätzen und in einen passenden Einklang mit den Aufgaben zu bringen, solltet ihr euch durch Kollegen, die länger am Schreibtisch sitzen bleiben, nicht aus dem Konzept bringen lassen. Genauso gilt: Unterstützt euch im Team gegenseitig, wenn es euch möglich ist und setzt Grenzen, wenn der Arbeitsumfang zu groß wird. Sprengen Projekte regelmäßig den Rahmen oder laufen aus dem Ruder, hilft ein offener Hinweis gegenüber Führungskräften.

Wer im Eventbereich oder auf der Intensivstation arbeitet, hat davon im Zweifel nichts, aber kann ein Übermaß an Stunden, die im Rahmen eines Projekts anfallen, nach Absprache später abfeiern.

Nach Feierabend die Arbeitsgeräte ausgeschaltet lassen

Wer in seiner Freizeit noch auf dem Diensthandy Emails checkt oder Slackbenachrichtigungen liest, ist am nächsten Tag im Büro selbst nicht mehr so leistungsbereit, ergab eine Studie. Abends weiter zwischen Privatleben und Job hin- und herzuspringen, raubt Kraft, fand das Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund heraus.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Laut "gehalt.de" ist die Überstundenzahl in den letzten zehn Jahren um mehr als die Hälfte gesunken. „In Zeiten, in denen Work-Life-Balance im Vordergrund steht und der Arbeitsmarkt mehr auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgerichtet ist, sinkt tendenziell die Bereitschaft, Überstunden zu machen“, sagt Arbeitsmarktökonom Korbinian Nagel.

Karriere nur durch Überstunden? Vorsicht

Ein Trugschluss ist zumeist der Glaube, dank vieler Überstunden in der Karriere voranzukommen. Eher ist es so: Ein Mensch, der gute Arbeit leistet, aber dafür regelmäßig seinen Stundensatz überzieht, riskiert die eigene Belastungsgrenze und setzt unter Umständen das falsche Zeichen. Verlässlich zu sein, bedeutet nicht, alles mitzumachen. An der richtigen Stelle Einsatz zu zeigen, bringt mehr, als seiner Firma eine Riesensumme an Arbeitsstunden zu schenken. Das ist eher verlorene Lebenszeit.

Etwas besser macht es der öffentliche Dienst, wo Überstunden klar geregelt sind. Jede Überstunde wird abgegolten. Um Arbeitszeitbedingungen in Unternehmen zu verbessern, muss nicht gleich die Mentalität mancher Behörden Einzug halten („Freitags ab eins macht jeder seins“). Ein gesundes Maß an Selbstbeschränkung aber "erzieht" auch manche Führungskraft – und wenn das bedeutet, ab einer bestimmten Tageszeit nicht mehr in den Kollegen-Chat zu schauen oder das Smartphone mal ganz auszuschalten.

jsk