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Lastenrad-Sharing: So funktionieren die Geschäftsmodelle der wachsenden Branche

Nextbike, Donk.ee, Sigo und Avocargo – sie alle bieten Lastenrad-Sharing. Doch die Angebote sind sehr verschieden.
Nextbike, Donk.ee, Sigo und Avocargo – sie alle bieten Lastenrad-Sharing. Doch die Angebote sind sehr verschieden.

In Berlin kann man sie schon eine ganze Weile beobachten: Eltern, die mit Kindern und Einkäufen im Lastenrad durch die Stadt fahren. Doch wer dahinter ein bloßes Hauptstadt-Phänomen vermutet, täuscht sich. Allein im Jahr 2020 sind in Deutschland rund einhunderttausend Cargobikes verkauft worden. Schätzungsweise 150 Sharing-Dienste für Lastenräder sind bundesweit aktiv. Der Markt ist innerhalb von drei Jahren massiv gewachsen.

Viele Kommunen planen, Teile ihrer Innenstädte autofrei zu machen. Hinzu kommen die Klimaziele der Europäischen Union. Das gibt Sharing-Anbietern mit elektrischen Lastenrädern Auftrieb. Erst kürzlich ist mit Avocargo in Berlin das erste Free-Floating-Modell für E-Lastenräder gestartet: Die Bikes können frei innerhalb des Geschäftsgebiets angemietet und abgestellt werden. Andernorts werden stationsbasierte Modelle betrieben. Doch lassen sich diese Dienste überhaupt wirtschaftlich betreiben – sind gar Profite möglich?

„In Köln steigen die Nutzungszahlen jedes Jahr weiter an“, sagt Ernst Raupach, Geschäftsführer der Green Moves GmbH. Seit 2018 hat die Tochterfirma des Düsseldorfer Stromanbieters Naturstrom 60 E-Lastenräder in der Nachbarstadt verteilt. Damals war Green Moves mit der Marke Donk-ee in Deutschland der erste Sharing-Anbieter, der eine spontane Vermittlung ohne Übergabe ermöglichte. Mit der App lässt sich ein Rad an einer der Partner-Stationen 30 Minuten im Voraus reservieren und ausleihen. Neun Cent pro Minute bis maximal 27 Euro für den Tagessatz kostet das. 4.000 registrierte Nutzerinnen und Nutzer hat die Plattform nach eigenen Angaben.

Wo das Geld für Cargobike-Sharing herkommt

Profitabel ist das Unternehmen bisher nicht. „Ich bin überzeugt, dass man solche Systeme kostendeckend betreiben kann“, sagt Raupach. Eine wichtige Voraussetzung dafür sei, dass die Städte noch fahrradfreundlicher werden. „Als Green Moves sind wir nicht darauf angewiesen, eine Kapitalmarktrendite zu erzielen“. Es gehe in erster Linie um den Klimaschutz und die Verkehrswende. Allerdings müsse man als privatwirtschaftliches Unternehmen zumindest mit einer schwarzen Null aus der Sache herausgehen. Zuschüsse kommen von der Kommune, ähnlich wie bei beim Öffentlichen Nahverkehr. Ohne staatliche Hilfe geht es derzeit also nicht.

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Bremen, Chemnitz, München, Göttingen und auch Berlin haben zwei Dinge gemeinsam: Sie bieten kostenfreie Lastenräder zum Verleih an und diese Angebote sind durch den ADFC aufgebaut worden. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) ist ähnlich wie der ADAC strukturiert, nur dass fürs Radfahren lobbyiert wird. In Zusammenarbeit mit den Kommunen sind so in den vergangenen Jahren in allen Bundesländern zahlreiche Sharing-Dienste entstanden.

Die Flottengrößen rangieren von einer Handvoll wie in Heidelberg bis zu Hunderten in Großstädten. Eine Statistik, wie viele Fahrzeuge genau im Betrieb sind, gibt es nicht. Bekannt ist, dass 2020 laut Marktdaten des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) mehr als 100.000 Cargobikes in Deutschland verkauft worden sind. Davon 78.000 mit E-Antrieb. Zum Vergleich: 2018 waren es Schätzungen des ZIV zufolge noch rund 40.000 – allerdings nur mit Beinkraft betriebene Fahrzeuge.

Unterschiede zwischen Stationsmodellen und Free Floating

Die meisten durch Kommunen unterstützten Sharing-Projekte ähneln sich darin, dass sie einen stationsbasierten Verleih anbieten. Das heißt, die Lastenräder müssen an einem festgelegten Ort abgeholt und wieder zurückgebracht werden. Für viele dieser Angebote sind außerdem längerfristige Voranmeldungen und eine händische Übergabe notwendig. „Aufgrund der Beliebtheit der Lastenräder sind sie teilweise wochenlang im Voraus ausgebucht“, sagt Marc Shakory, Gründer von Avocargo.

Diese Erfahrung haben er und seine beiden Mitgründer in Berlin gemacht, wo allein 130 Cargobikes vom ADFC kostenlos gemietet werden können. Anfang 2021 haben sie das Startup Avocargo gegründet, das dieses Problem lösen soll. Und zwar durch Free Floating. Das bedeutet, die Fahrzeuge müssen nicht zu festen Stationen gebracht werden, sondern stehen in der Stadt verteilt und können beliebig innerhalb des festgelegten Bezirks wieder abgestellt werden.

Ähnlich wie bei der Kölner Plattform Donk-ee können die Fahrzeuge auch bei Avocargo spontan gemietet werden. Abgerechnet wird im 20-Minuten-Takt mit 1,90 Euro. Der Tagestarif liegt bei 29 Euro. Also ähnlich wie bei Donk.ee deutlich unter dem Preis eines Carsharing-Angebots. Derzeit sind es bei Avocargo zehn Räder. Doch schon im Sommer soll auf über Hundert aufgestockt und das Geschäftsgebiet in Berlin nach Osten erweitert werden, sagt Shakory zu Gründerszene. Möglich macht das eine anstehende Finanzierungsrunde, die von Risikokapitalgebern und Angels begleitet wird. Genauere Angaben möchte Shakory noch nicht darüber machen.

Auch die beiden Mobililitätsanbieter Lime und Tier Mobility haben angedeutet, ihr Portfolio womöglich durch Lastenräder zu erweitern. Konkret dazu äußern, wollten sie sich bisher nicht.

Konkurrenz setzt auf andere Geschäftsmodelle

Das Leipziger Fahrradsharing-Unternehmen Nextbike testet zusammen mit der Deutschen Bahn ebenfalls Lastenräder für seine Flotte. Etwa 100 Stück sind in Norderstedt, Mannheim, Freiburg, Kiel, Wiesbaden und Bochum verteilt. Einige sind stationsbasiert, andere können in definierten Zonen frei abgestellt werden. Generell würden Lastenräder innerhalb des Sharingsystems einen höheren Flächenbedarf, Investitions- und Betriebsaufwand bedeuten, heißt es auf Anfrage vom Unternehmen. Bei E-Lastenrädern müssen die Akkus gewechselt werden. Dafür braucht es Personal. Das verursacht mehr Kosten. Sowohl Nextbike als auch Avocargo setzen auf Wechselakkus.

Das Darmstädter Startup Sigo hat nochmals in einen anderen Weg eingeschlagen und in 14 Städten Stationen für E-Cargobikes aufgebaut. Sie werden über Induktion automatisch geladen. Die Standorte hat das Unternehmen in Zusammenarbeit mit Wohnungswirtschaften errichtet. Die Idee: Eine Hausgemeinschaft teilt sich die Räder. Wer zur Kita, zum Supermarkt oder an den See will, findet die Möglichkeit direkt vor seiner Haustür. In Berlin hat das Startup zum Beispiel die Charlottenburger Baugenossenschaft als Partner.

Probleme zum Start

Mit dem Geschäftsmodell wollen die Macher von Sigo einem Problem aus dem Weg gehen: der Streitfrage, wo die Fahrzeuge im öffentlichen Raum abgestellt werden können. In Großstädten ist der Platz rar. Nicht nur Autos nehmen den Großteil der Flächen ein, auch Konkurrenz-Angebote wie E-Mopeds, E-Scooter und neuerdings auch Kabinenroller brauchen Platz auf den Gehwegen. Zwar gibt es erste Maßnahmen Seitens der Kommunen, Autoparkplätze in Lastenbike-Flächen umzuwandeln. Doch bisher läuft der Übergang recht langsam. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Vandalismus.

Damit hat auch Raupach aus dem Rheinland seine Erfahrungen gemacht: „Wir hatten am Anfang mehr technische Probleme als erwartet. Da wir auf sehr hochwertige und stabile Fahrzeuge gesetzt haben, hatten wir zudem gelegentlich mit Diebstahl zu kämpfen.“ Das Problem habe man durch GPS-Sender lösen können. Bedingt durch Diebstahl und Vandalismus sind von den anfänglich 60 derzeit nur noch 50 Räder im Dienst.

Wie es mit den Sharing-Anbietern weitergeht

Green Moves testet derzeit ein Abo-Modell für Lastenräder. Das laufe sehr gut an, so Raupach. Außerdem habe man einen Zuschlag für eine weitere Stadt in NRW bekommen, um einen neuen Sharing-Dienst aufzubauen. An eine Expansion in weitere Städte denkt Avocargo-Gründer Shakory derzeit noch nicht. Momentan gehe es darum, zusammen mit Investoren Konzepte zu erarbeiten, um weitere Fahrzeuge zu beschaffen. „Man kann Lastenrad-Sharing profitabel betreiben. Du musst deine Operations im Griff haben, deine Kunden verstehen und ein gutes Produkt bieten“, sagt Shakory.

Arne Behrensen, Geschäftsführer der Lastenfahrrad-Plattform Cargobike.jetzt, sieht den Wirtschaftlichkeitsaspekt nochmal aus einer anderen Perpektive: „Für ehrenamtliche freie Lastenrad-Initiativen stellt sich nicht die Frage, ob sich der Verleih finanziell rechnet.“ Ab einer gewissen Anzahl an Rädern werde ein rein ehrenamtlicher Betrieb aber immer schwieriger, so Behrensen. Viele lokale Initiativen erhalten deshalb Unterstützung ihrer Kommunen. „Auch einzelne Unternehmen unterstützen die Initiativen“. Zum Beispiel die Hersteller von Cargobikes oder auch Biosupermärkte wie Alnatura und die Bio Company.