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Lage der Lufthansa wird dramatischer – Geringe Aktionärspräsenz gefährdet Rettung

An diesem Montag treffen sich Finanzminister Scholz, Lufthansa-Chef Spohr und Großaktionär Thiele. Die Chancen für eine Einigung sind gering, das Insolvenzrisiko steigt.

Es sollte ein Deal sein, der in die Geschichte eingeht. Ein Dax-Konzern wird vom Staat mit neun Milliarden Euro gerettet, ebenso fast 140.000 Jobs, und dabei wird für den Steuerzahler noch eine ansehnliche Rendite erzielt. Doch die Zweifel, dass die Rettung der Lufthansa in dieser Form Wirklichkeit werden kann, wachsen. Die notwendige Zustimmung der Aktionäre auf der Hauptversammlung am kommenden Donnerstag wackelt.

Der Münchener Unternehmer Heinz Hermann Thiele hat das Schicksal von Lufthansa mit seinem Anteil von zuletzt 15,52 Prozent in seiner Hand. Nach Informationen des Handelsblatts ist für diesen Montag ein Treffen von Thiele mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geplant. Mit dabei sein wird wohl auch Lufthansa-Chef Carsten Spohr.

Das Ziel: Die Rahmenbedingungen für die staatlichen Hilfen sollen nachgebessert werden. Doch ob das reichen wird, Thiele zufriedenzustellen, weiß niemand. Der hatte zwar Nachverhandlungen gefordert, er stört sich aber auch an der geplanten Beteiligung des Bundes an Lufthansa mit 20 Prozent.

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Viel Spielraum gibt es nicht, heißt es Berlin. Das Paket stehe. Allerdings kann Lufthansa auf bessere Konditionen im Rettungspaket für die österreichische Tochter AUA verweisen, die dafür zugesagt hat, mehr in umweltfreundliche Flugzeuge zu investieren. Das könnte eine Kompromisslinie in Deutschland sein, der Bund könnte damit der Kritik am Hilfspaket begegnen.

In Deutschland hat der Bund weniger Wert auf Umweltfaktoren, sondern mehr auf eine Rendite gelegt. „Die Bundesregierung betreibt hier eine Gewinnmaximierung“, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. So beträgt der Bezugspreis für die Aktien des Bundes mit 2,56 Euro nur rund ein Viertel des aktuellen Kursniveaus.

Zudem werden für stille Einlagen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro in den ersten zwei Jahren vier Prozent fällig, danach steigt der Satz bis auf 9,5 Prozent ab 2027. Das Paket wird den Konzern allein im kommenden Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich für Zinsen und Tilgung kosten. Eine Senkung der Zinsen wäre also eine große Erleichterung.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hatte die Entscheidungsträger in Berlin bereits in der vergangenen Woche auf die schwierige Lage hingewiesen. Er habe verdeutlicht, dass bei einer Ablehnung des Rettungspaketes vonseiten der Aktionäre eine akute Insolvenzgefahr drohe, heißt es in Kreisen des Unternehmens. Sollte Großaktionäre Thiele schon vor dem Aktionärstreffen erklären, dass er gegen die vorgeschlagene Staatsbeteiligung stimmen wird, müsste die Lufthansa Insolvenz beantragen.

Die Gefahr ist groß: Zwar haben Union Investment und DWS erklärt, trotz Bedenken an den Konditionen dem Paket des Bundes zustimmen zu wollen – mangels Alternativen. Ähnlich argumentiert auch der wichtige Stimmrechtsberater ISS. Doch entscheidend ist, wie viele Aktionäre anwesend sein werden.

Sagen auch andere Aktionäre Nein?

In einem am Sonntag an die Mitarbeiter verschickten Brief von Konzernchef Spohr heißt es, dass man mittlerweile wisse, dass die Hauptversammlungspräsenz am Donnerstag bei weniger als 38 Prozent liegen werde. Er sei sich sehr bewusst, dass die Ereignisse der letzten Wochen und die aktuelle Situation viele mit großer Sorge erfüllen würden, schreibt Spohr: „Daher möchte ich Ihnen heute nochmals nachdrücklich versichern, dass wir auch an diesem Wochenende und in den nächsten Tagen weiterhin im engen Austausch und stetigen Dialog mit der Bundesregierung und unseren größten Aktionären stehen.“

Für den Fall, dass es auf der Hauptversammlung keine Zustimmung gebe, „haben wir umfangreiche Vorbereitungen getroffen, unter anderem, um ein Grounding zu verhindern.“ Auch würde das Management die verbleibenden Zeit bis zur Anmeldung einer Insolvenz nutzen, um mit der Bundesregierung Optionen zu besprechen.

Der Knackpunkt: Die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Bund sehen vor, dass das Paket bei einer Präsenz von weniger als 50 Prozent eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Beim letzten Aktionärstreffen betrug die Präsenz bescheidene 33 Prozent.

Bei den nun erwarteten 38 Prozent besitzt Thiele deutlich mehr als ein Drittel der stimmberechtigten Aktien. Und möglicherweise stockt der Münchener Unternehmer vor der Hauptversammlung sogar noch weiter auf. Am vergangenen Donnerstag hat er acht Millionen Aktien seines Unternehmens Knorr-Bremse verkauft. Wofür er den Erlös von rund 700 Millionen Euro verwenden will, ist offen.

Gleichzeitig wird in Finanzkreisen berichtet, dass Thiele abgestimmt „mit einem großen US-Investor“ agiert. Wer das ist, ist nicht bekannt. Lufthansa jedenfalls bereitet sich auf das Schlimmste vor. Innerhalb von Politik und Unternehmen weisen Beteiligte indes darauf hin, dass Thiele als größter Aktionär kein Interesse an einer Insolvenz haben könnte. Drei Szenarien zeichnen sich nun ab.

Zum einen könnte der Unternehmer einer Kapitalerhöhung zustimmen, der Staat würde sich mit 20 Prozent beteiligen und Lufthansa hätte Zugriff auf neun Milliarden Euro. Das Rettungspaket würde durchgewinkt. Offen ist noch, wie das rechtlich gehandhabt werden kann, wenn am Montag tatsächlich noch Nachbesserungen vereinbart werden.

Formal gesehen ändert sich damit der „Gegenstand“, der zur Abstimmung gestellt wird. Die Aktionäre hätten kaum Zeit, die neue Lage zu analysieren. Das könnte eine Verschiebung der Hauptversammlung erforderlich machen. Oder aber den Aktionären wird das Paket vorgelegt mit dem Hinweis, dass im Nachhinein noch „Besserungen“ umgesetzt werden könnten, auf keinen Fall aber eine Verschlechterung der Konditionen.

Denkbar ist auch, dass sich Thiele enthält. Seine Stimmen würden dann nicht mitgezählt, auch dann wäre der Weg frei für das Hilfspaket. Thiele wiederum hätte seine Kritik an der Staatsbeteiligung zum Ausdruck gebracht. Und seine Enthaltung könnte hilfreich sein, wenn er später auf dem Klageweg bessere Konditionen für das Hilfspaket oder eine Entschädigung der Altaktionäre erreichen will.

Vorbild Herbert Quandt

Die dritte Option ist schließlich die Ablehnung – mit der unweigerlichen Folge der Insolvenz von Europas größter Fluggesellschaft. Die würde wohl als sogenanntes Schutzschirmverfahren gestaltet. Dabei ist das Ziel, das Unternehmen zu sanieren und fortzuführen. Das Management und der von Gericht bestellte Sachwalter müssten innerhalb von drei Monaten einen Sanierungsplan erstellen. Der muss von den Gläubigern verabschiedet und vom Gericht formal bestätigt werden.

Als Aktionär würde Thiele gegenüber den Kreditgebern nachrangig behandelt. Der Unternehmer könnte allerdings einen Massekredit anbieten, der zur Fortführung der Geschäfte erforderlich ist. Lufthansa würde sicherlich mehrere Milliarden Euro benötigen. Später könnte Thiele diesen Kredit dann in Eigenkapital umwandeln und so seine Kontrolle über die Lufthansa ausbauen.

Doch die damit verbundenen Risiken sind erheblich. So ist keineswegs gesagt, dass der Sachwalter sich des Massekredits von Thiele bedienen wird. Das Geld kann auch von Banken kommen oder wie im Fall von Condor vom Staat. Der Bund dürfte jedenfalls versuchen, selbst den Massekredit zu stellen. Da Thiele kein Zocker ist, werden ihm diese Risiken bewusst sein.

Wahrscheinlicher ist, dass Thiele einen ausgebufften Plan hat, um sich mittelfristig die Macht bei Lufthansa zu sichern und sich damit ein Denkmal zu setzen. Thiele – das ist bekannt – schätzt einen Unternehmer: Herbert Quandt. Der hat Ende 1959 in einer durchaus riskanten Aktion den damals schwer angeschlagenen Autohersteller BMW gerettet. Das Manöver hat Industriegeschichte geschrieben und weist durchaus Parallelen zum Fall Lufthansa auf.

Beide Unternehmen waren oder sind in großen Schwierigkeiten, brauchen Hilfe von außen. Bei BMW sollte der Rivale Daimler-Benz das Ruder übernehmen: Über Wochen war der Deal ausgekungelt worden, unter Beteiligung der Deutschen Bank, die damals sowohl bei BMW als auch bei Daimler im Aufsichtsrat saß. Bei Lufthansa wurde ebenfalls über Wochen verhandelt – hier aber mit dem Staat. In beiden Fällen wurden dabei die Bestandsaktionäre nicht eingebunden. Sie müssen bei Lufthansa mit einer massiven Verwässerung ihrer Anteile rechnen, analog zu BMW 1959.

Beim Autokonzern gingen deshalb die Kleinaktionäre bei der entscheidenden Hauptversammlung im Dezember 1959 auf die Barrikaden – unterstützt von den BMW-Händlern. Das beeindruckte Herbert Quandt. Eigentlich hatte er vor, den vorab vereinbarten Deal mitzutragen. Doch die heftige Gegenwehr auf der Hauptversammlung brachte ihn zum Umdenken. Eine andere Idee entstand: Warum das Unternehmen nicht selbst retten.

Die Dramaturgie dürfte bei Lufthansa allerdings anders ablaufen. Das Aktionärstreffen ist wegen Corona virtuell und mit großen Einschränkungen der Rechte der Aktionäre versehen. Es gibt kein Rederecht, spontane Gegenanträge sind nicht möglich. Die müssen bis Montagnacht 24 Uhr schriftlich vorliegen. Bis Sonntagnachmittag gab es aber keine. Auch Ergänzungen zur Tagesordnung wurden bisher nicht publiziert.

Mitarbeit: P. Köhler, J. Hildebrand, K. Stratmann