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Lagarde öffnet die Tür für ein flexibleres Inflationsziel

Die EZB-Chefin deutet an, dass die Notenbank im Rahmen ihrer Strategiedebatte prüfen wird, künftig zeitweise auch höhere Preissteigerungen zuzulassen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte dem Vorbild der US-Notenbank Fed folgen und temporär eine Inflation von über zwei Prozent tolerieren. Das hat EZB-Chefin Christine Lagarde in einer Rede auf der EZB-Watchers-Konferenz in Frankfurt angedeutet. Eine Politik, bei der vergangene Verfehlungen des Inflationsziels später aufgeholt werden, „könnte geprüft werden“, sagte sie.

Die EZB strebt bisher eine Inflation von knapp unter zwei Prozent für den Euro-Raum an, die sie als ideal für die Wirtschaft ansieht. Dieses Ziel allerdings verfehlt sie seit Jahren. Im Rahmen einer Überprüfung ihrer Strategie diskutieren die Geldpolitiker über die Präzisierung ihrer Ziele.

Die Fed hatte jüngst ihre Strategiedebatte abgeschlossen und angekündigt, temporär eine Inflation über zwei Prozent tolerieren zu wollen. Sie strebt jetzt nur noch an, dass die Preise „im Durchschnitt“ um zwei Prozent steigen. Danach waren die Inflationserwartungen in den USA deutlich gestiegen.

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Eine Auslegung des Inflationsziels wie bei der Fed wäre allerdings höchst umstritten. Die EZB könne die Entscheidung der Amerikaner nicht einfach übernehmen, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann auf der Konferenz. Er verwies darauf, dass die Fed explizit Vollbeschäftigung als gleichgewichtiges Ziel zur Preisstabilität hat, während bei der EZB die Kontrolle der Inflation eindeutig Priorität besitzt.

Der frühere EZB-Vizepräsident Christian Noyer nannte ein nur noch durchschnittliches Inflationsziel „extrem riskant“. Als Beispiel verwies er darauf, dass die EZB nach einer zehnjährigen Verfehlung des Inflationsziels um einen Prozentpunkt eine Dekade lang einen Wert von drei Prozent erreichen müsste, um dann wieder eine Absenkung auf zwei Prozent zu erreichen. Dies wäre mit enormen Kosten für die Wirtschaft verbunden. François Villeroy de Galhau, Präsident der französischen Notenbank, äußerte, der mittelfristige Horizont der EZB-Politik gebe ihr genug Spielraum.

Warnung von Weidmann

Lagarde sprach auch weitere Themen für die Strategiedebatte an. So will die EZB prüfen, ob die Kosten für das Wohnen im eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung bei der Inflationsberechnung berücksichtigt werden sollen. Die Debatte schwelt seit Längerem, ist aber auch mit methodischen Problemen behaftet.

Lagarde verwies zudem darauf, dass Finanz- und Geldpolitik heute enger als früher aufeinander abgestimmt werden müssen. Weidmann warnte aber davor, die Linie zwischen beiden Bereichen zu „verwischen“. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hob hervor, dass die gesamte Verschuldung einzelner Euro-Staaten, nicht nur die Staatsverschuldung, Gegenstand einer eingehenden Analyse sein werde.

Die Konferenz zeigte deutlich das Spannungsfeld, in dem sich die Notenbank bewegt. Auf der einen Seite ist sie durch die Coronakrise noch weiter von ihrem Ziel abgekommen, die Inflation der Marke von zwei Prozent näherzubringen. Am Montag hatte das Statistische Bundesamt für Deutschland einen Preisrückgang um 0,2 Prozent im September vermeldet. Für den gesamten Euro-Raum erwarten Ökonomen sogar einen Rückgang um 0,3 Prozent. Vor allem südeuropäische Länder wie Griechenland, Spanien und Italien hatten zuletzt sehr niedrige Inflationsraten vermeldet.

Die niedrige Inflation zeigt die Notwendigkeit an, geldpolitisch noch mehr als bisher zu tun. Zugleich legt die Rezession nahe, dass Geld- und Finanzpolitik enger zusammenarbeiten. Außerdem gibt es drängende Probleme wie den Klimawandel und wirtschaftliche Ungleichheit, die die Notenbanken nicht ausblenden können, wie Lagarde erneut betont hat.

Demgegenüber stehen aber Sorgen, dass langfristig eine großzügige Geldpolitik neue Risiken schafft und zugleich die Notenbank zu stark politischen Einflüssen aussetzt. Weidmann warnte vor „Ungleichgewichten“ im Finanzsystem, die auf lange Sicht auch die Preisstabilität gefährden. Otmar Issing, ehemals EZB-Chefvolkswirt, betonte: „Zentralbanken sind nicht unabhängig, um selber ihr Mandat auszudehnen.“ Lucrezia Reichlin von der London School of Economics wies darauf hin, dass Europa wahrscheinlich für viele Jahre mit weit höherer Staatsverschuldung leben muss, als bei Schaffung der Währungsunion vorgesehen war.

Nebenbei ging es bei der Konferenz auch um speziellere Probleme, die aber durchaus große Auswirkungen haben können. Issing warb dafür, die sogenannte monetäre Analyse, bei der es um die Entwicklung von Geldmengen geht, nicht zu vernachlässigen.

Besondere Forderung

Sie ist in den letzten Jahren immer mehr in den Hintergrund getreten. Für die aktuelle Geldpolitik hat sie nur noch wenig Bedeutung, könnte aber Hinweise auf sich anbahnende Probleme bei der Finanzstabilität geben. Lane bekannte, er finde diese Analyse sehr spannend und wichtig. Stanford-Professor John Taylor zeigte auf, dass in der Coronakrise die Geldmengen weltweit viel weiter aufgebläht wurden als 2008 nach der Finanzkrise.

Eine besondere Forderung stellte Athanasios Orphanides, der früher dem EZB-Rat angehörte: Die EZB solle sich von den Urteilen der Ratingagenturen lösen. Seiner Meinung nach hatte im Frühjahr ein erster Schritt in diese Richtung erheblich zur Stabilisierung der Euro-Zone beigetragen.

Lagarde hatte schon im Eingangsstatement versucht, wenigstens ein für alle Teilnehmer akzeptables Ziel zu definieren. Sie sagte: „Geldpolitik kann nur glaubwürdig sein, wenn wir sicherstellen, dass unsere Ziele von den Bürgern, denen wir dienen, verstanden und geteilt werden.“

Mehr: Fed erklärt ihre neue Strategie und drängt die US-Politik zu weiteren Staatshilfen.