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Ladenhüter Arriva: Bahn muss sich erhofften Verkaufspreis wohl abschminken

Die Zeit drängt. Am 3. Mai um 12 Uhr will die Deutsche Bahn ihre Bieterliste schließen. Zum Verkauf steht die Auslandstochter Arriva. Potenzielle Interessenten müssen sich schnell entscheiden, obwohl es um Milliarden geht.

Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erwartet im Juni eine klare Ansage, wie der Staatskonzern seinen zusätzlichen Finanzbedarf von fünf Milliarden Euro decken will. Und dabei spielt der Verkauf von Arriva eine entscheidende Rolle. Doch diesen Plan umzusetzen ist schwieriger als erwartet – wenn er am Ende nicht sogar scheitert.

Nach Einschätzung aus Bankenkreisen kann Bahn-Finanzvorstand Alexander Doll, der mit dem Verkauf beauftragt ist, wohl kaum wie erwartet mit vier Milliarden, sondern allenfalls mit drei Milliarden Euro rechnen. Dazu kommt: Die Unsicherheit rund um den Brexit könnte zu erheblichen Verzögerungen führen. Arriva ist eine britische Firma mit Sitz im nordenglischen Sunderland.

Bislang haben sich nur Finanzinvestoren gemeldet. Darunter sind nach Handelsblatt-Informationen aus Frankfurter Kreisen Apollo, Advent und I Squared Capital, ein Infrastrukturinvestor, der im September vergangenen Jahres für seinen neu aufgelegten Fonds sieben Milliarden Euro eingesammelt hatte. Erste Gespräche mit Investoren haben Finanzchef Doll, der vor seinem Bahn-Job selbst Investmentbanker bei Barclays war, gezeigt, dass die Preisvorstellungen noch weit auseinanderliegen.

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Doll bevorzugt einen Komplettverkauf an einen einzigen Interessenten. Ein Börsengang oder ein sogenannter Dual Track, also ein paralleles Verfahren mit Investoren und Börsengang, gelten nur als zweitbeste Lösung. Das Mandat für den Verkauf haben Deutsche Bank und Citigroup. Finanzkreisen erscheint ein Börsengang als das bessere Verfahren im momentan noch freundlichen Umfeld an der Börse.

„Das ist ein möglicher, realistischer Weg“, heißt es. Als Börsenplätze kämen London, wo Arriva schon einmal notiert war, oder Amsterdam infrage. Die Bahn selbst äußerte sich auf Anfrage nicht dazu.
In den Vorgesprächen mit dem Bahn-Finanzchef wurde offenbar deutlich, dass die angesetzten vier Milliarden Euro Kaufpreis sehr ehrgeizig sind.

Die ersten Preisvorstellungen der Finanzinvestoren liegen eine Milliarde Euro unter denen der Bahn. Strategische Investoren wie die französische Staatsbahn SNCF gibt es bislang keine. Die Bahn hofft aber, dass sich „sowohl Finanzinvestoren wie strategische Investoren“ melden. Und dass im Zuge der Ausschreibung bessere Gebote hereinkommen.

Grundsätzlich wird Arriva, die Bus- und Bahnlinien im Staatsauftrag in 14 Ländern Europas betreibt, als Infrastrukturinvestment gesehen, das aber nicht einen so stabilen Cashflow wie etwa Stromleitungen oder Pipelines abwirft. Die Bahn hatte 2010 rund 2,8 Milliarden Euro für Arriva bezahlt und das Unternehmen dann von der Börse genommen.

Preisfindung gestaltet sich schwierig

Inzwischen ist Arriva kräftig gewachsen. Umsatz und Ergebnis (Ebit) haben sich auf 5,4 Milliarden beziehungsweise 300 Millionen Euro in etwa verdoppelt. Das Ergebnis von Arriva könnte höher liegen, würden nicht fast jedes Jahr außerordentliche Belastungen durch Restrukturierung oder Abschreibungen anfallen. Zuletzt waren es gut 200 Million Euro, die das Ebit schmälerten.

Eine Preisfindung ist nicht einfach. Vergleichbare Unternehmen an der Börse oder Beteiligungsverkäufe in der Branche gibt es nur wenige. Allerdings zeigen die Beispiele, dass drei Milliarden für Arriva realistischer sind als vier Milliarden Euro.

National Express etwa, ein britischer Bahn- und Busbetreiber, der auch in Deutschland unterwegs ist, wird an der Londoner Börse für umgerechnet 2,3 Milliarden Euro gehandelt. Der operative Gewinn liegt bei knapp 200 Millionen Euro. Im Januar hatte die deutsche Entsorgungsfirma Rethmann 34 Prozent der französischen Transdev gekauft, die ebenfalls in Deutschland Busse und Bahnen betreibt, und dafür 340 Millionen Euro bezahlt.

Transdev veröffentlicht kaum Zahlen, das operative Ergebnis liegt bei 115 Millionen Euro. National Express wie auch Transdev legen grob gerechnet das Neun- bis Elffache des Ebit als Kaufpreis für eine Transportgesellschaft wie Arriva nahe. Die Bahn-Tochter käme so auf einen Verkaufserlös von gut drei Milliarden Euro.

Offen bleibt dann immer noch die Frage, wer die Schulden von etwa einer Milliarde übernimmt, die auf der Arriva-Bilanz lasten. Investoren zeigen sich zudem zurückhaltend, weil es in Großbritannien teilweise für Arriva nicht rundläuft. Verzögerungen bei diversen Projekten drücken die Erwartungen.

Auch dürfte der Großbritannien-Schwerpunkt wegen der Unsicherheiten durch den möglichen Austritt der Briten aus der EU zu Preisabschlägen führen. Arriva macht zwei Drittel seines Umsatzes mit Bus- und Bahnverkehr auf der Insel. Ein Banker meinte sogar, Arriva sei ein „exotisches Asset“.

So ähnlich sehen das auch Kritiker des Bahn-Zukaufs vor einem Jahrzehnt. Die Deutsche Bahn, so hieß es seitdem, sollte sich auf das Eisenbahngeschäft in Deutschland konzentrieren und keinen Nahverkehr im Ausland betreiben. Arriva fährt zwar jedes Jahr Gewinne für den deutschen Staatskonzern ein, weshalb Bahn-Chef Richard Lutz auch gern von einer „schönen Tochter“ spricht, von der er sich ungern trennen würde.

Doch die Finanznot der Bahn ist inzwischen so groß, dass Lutz dringend Geldquellen auftun muss. Zumal laut Geschäftsplan von Arriva in den nächsten Jahren Investitionen von 1,9 Milliarden Euro nötig wären, um das Unternehmen im Wettbewerb zu stärken. Investitionen, die der Mutterkonzern Deutsche Bahn angesichts der eigenen Not wohl kaum bereitstellen könnte.

Im Herbst 2018 hatte Lutz nach massiver Kritik an Pünktlichkeit und Qualität des Konzerns in Deutschland seine Agenda für eine bessere Bahn vorgestellt, um die Probleme im Personen- wie im Güterverkehr in den Griff zu bekommen. Diese Offensive kostet Geld. 4,95 Milliarden Euro sind dafür veranschlagt.

Etwa für ein Redesign der ersten ICE-Flotte aus den 1990er-Jahren, die Sanierung von Bahnhöfen und vor allem auch für mehr Personal. Allein in diesem Jahr braucht die Bahn nach den Kalkulationen des Vorstands schon 2,2 Milliarden Euro zusätzlich. Geld, das nicht vom Eigentümer Bund kommen wird, denn der bezahlt nur Investitionen in die Infrastruktur.

Deshalb hat der Aufsichtsrat den Vorstand damit beauftragt, bis zur nächsten Sitzung am 18. und 19. Juni ein Finanzierungs- und ein Strategiekonzept vorzulegen, wie es mit der Bahn weitergehen soll. Geklärt werden soll vor allem, wie die Qualitätsoffensive finanziert werden kann.

Würde der Verkauf von Arriva, der noch in diesem Jahr über die Bühne gehen sollte, platzen, bliebe der Bahn wohl keine Alternative, als die Schulden zu erhöhen. 20 Milliarden Euro sind es schon jetzt. Bislang ist das die Schmerzgrenze für die Politik. Eine erneute Kapitalerhöhung durch den Bund steht derzeit aber auch nicht zur Debatte. 2017 gab es schon einmal und außer der Reihe eine Milliarde Euro aus der Kasse des Finanzministers.

Verkauf soll auch neue Strategie einläuten

Ob Arriva verkauft werden kann oder ein Ladenhüter wird, ist für Bahn-Chef Lutz eine entscheidende Frage. Es geht um mehr als das Stopfen von Finanzierungslöchern. Verkehrsminister und Aufsichtsrat erwarten eine neue Strategie. Die alte stammt noch von Lutz‘ Vorgänger Rüdiger Grube und lautete Expansion um jeden Preis – auch im Ausland. Selbst mit dem Verkauf von Arriva würde dieses Kapitel nur zum Teil geschlossen.

Auch der Logistikkonzern Schenker (16 Milliarden Euro Umsatz) müsste dann auf den Verkaufszettel und Dutzende kaum profitable Auslandsbeteiligungen der Schienengütertochter DB Cargo. Die Deutsche Bahn würde auf die Hälfte ihrer heutigen Größe schrumpfen. Konzernchef Lutz spricht zwar immer von „Wachstumsschmerzen“ der Bahn, dann wären es aber wohl eher „Schrumpfungskrämpfe“.