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Lügen im Lebenslauf, manipulierte Zeugnisse: Ein Privatdetektiv erzählt, wie er im Auftrag von Unternehmen Bewerber durchleuchtet

Bei Ungereimtheiten in einer Bewerbung beauftragen Unternehmen mitunter Privatermittler. Hans Rother ist einer und erzählt von seiner Arbeit.

Gibt es Ungereimtheiten im Lebenslauf, heuert manch ein Unternehmen einen Privatdetektiv an, um den Bewerber zu überprüfen – gerade, wenn es um eine Führungsposition geht. (Symbolbild: Getty Images)
Gibt es Ungereimtheiten im Lebenslauf, heuert manch ein Unternehmen einen Privatdetektiv an, um den Bewerber zu überprüfen – gerade, wenn es um eine Führungsposition geht. (Symbolbild: Getty Images)

Wenn Hans Rother arbeitet, sitzt er oft sehr lange im Auto und warte darauf, dass eine ihm fremde Person ein Gebäude verlässt. Ist es endlich so weit, startet er den Motor und nimmt die Verfolgung auf. Er beobachtet jeden Schritt, notiert sich jedes wichtige Detail. Am Ende seiner „Recherche“ übergibt er seinem Auftraggeber eine Büromappe mit den gesammelten Informationen. Hans Rother ist Privatdetektiv.

Ein Großteil seiner Klienten kommt – wie in fast allen Detekteien – aus der Wirtschaft. Chefs, die einen Abrechnungsbetrug wittern, gehören ebenso zu Rothers Auftraggebern wie Unternehmen, die glauben, dass ein Mitarbeiter auf Betriebskosten blau macht oder seine Spesen falsch abrechnet. Immer mal wieder werden auch Job-Anwärter zu einer seiner Zielpersonen. „Meistens ab einem Jahres-Gehalt von 125.000 Euro aufwärts“, sagt er.

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Ob Kündigung, freiwillige Auszeit oder verzögerter Berufseinstieg – es gibt so manche Lücke im Lebenslauf, die Job-Kandidaten bei der Bewerbung lieber für sich behalten. Gerade, wenn es um eine Stelle im Topmanagement geht. Gibt es Ungereimtheiten, kommt Rother ins Spiel – häufig, wenn sich Posten in der Vita überschneiden oder Unterlagen nicht vollständig sind.

Der Privatdetektiv setzt sich dann an seinen Schreibtisch, telefoniert viel, überprüft sämtliche Angaben. Manchmal gibt er sich dabei als jemand anderes aus, etwa um bei dem ehemaligen Chef des Job-Kandidaten nach dessen Arbeitsverhalten zu fragen. „Ich arbeite viel mit Legenden“, sagt er. So nennen Privatdetektive falsche Storys, Vorwände oder Identitäten.

Arbeiten bei Briefkasten-Firmen und ein Studium in der Karibik

Dass Bewerber schummeln, kommt nicht selten vor. Laut einer Umfrage des Personaldienstleisters Robert Half unter 500 Managern haben knapp drei Viertel aller Führungskräfte schon mal einen Bewerber aussortiert, weil er falsche Angaben gemacht hat. Rother bearbeitet zwischen zehn und 15 Bewerberüberprüfungen im Jahr. Manchmal werden nur Details unterschlagen. Zum Teil kommt es aber auch vor, dass Zeugnisse manipuliert oder ganze Arbeitsverhältnisse erfunden sind.

Erzählt der Bewerber auch die Wahrheit? Das ist für Unternehmen nicht immer leicht zu ermitteln (Symbolbild: Getty Images)
Erzählt der Bewerber auch die Wahrheit? Das ist für Unternehmen nicht immer leicht zu ermitteln (Symbolbild: Getty Images) (ljubaphoto via Getty Images)

Einmal, erzählt Rother, habe er einen Bewerber überführt, der behauptete, zwei Semester in der Dominikanischen Republik studiert zu haben – Zeugnis inklusive. Nach ein paar Anrufen sei klar gewesen, dass der Job-Kandidat nie einen Fuß in eine Universität in der Karibik gesetzt hatte, zumindest nicht, um dort zu studieren. Stattdessen sei er in besagtem Zeitraum mehr oder weniger arbeitslos gewesen. Das vorgelegte Zeugnis gehörte einem Freund.

Ein anderes Mal stellte sich ein Unternehmen, bei dem ein Bewerber angeblich zuvor gearbeitet hatte, als eine Briefkastenfirma heraus. Auch hier wurde ein Zeugnis präsentiert. Offenbar hatte die neue Führungskraft in spe kurz mal gegoogelt, welche Firma gut in seinen Lebenslauf passen könnte und stieß dabei auf ein Unternehmen, das es eigentlich gar nicht gab. „Als wir dahin gefahren sind, war sogar der Briefkasten mittlerweile tot“, sagt Rother.

Eine rechtliche Grauzone

Wenn Rother ermittelt, unterliegt er strengen Regeln. Er muss sowohl das Persönlichkeitsrecht als auch den Datenschutz einhalten. Niemand darf mit einem Teleobjektiv in eine Wohnung fotografieren, Türen aufbrechen oder heimlich Kameras installieren. Will ein Unternehmen einen Privatdetektiv beauftragen, eine bestimmte Person zu observieren, braucht es dafür zudem einen triftigen Grund - ansonsten handelt es rechtswidrig. Dieser ist zum Beispiel bei einem konkreten auf Tatsachen beruhenden Verdacht gegeben, dass ein Mitarbeiter klaut oder krankgeschrieben ist und dabei heimlich für einen Konkurrenten arbeitet.

Selbst bei diesen Aufträgen bewegen sich Privatdetektive häufig in einer Grauzone. Wie ist da die Lage, wenn ein Bewerber observiert wird? Denn neben seinen Recherchen am Schreibtisch, erzählt Rother, komme es auch immer wieder vor, dass Unternehmen ihn anheuern, um Job-Anwärter auf ihre Bonität oder in ihrem privaten Umfeld zu überprüfen. Allerdings nur, wenn ein berechtigtes Interesse oder ein Anfangsverdacht bestehe. „Zum Beispiel, wenn der Arbeitgeber einen anonymen Hinweis bekommt“, sagt Rother.

Arbeitsrechtsanwalt Pascal Croset sieht das kritisch. Bewerbungsunterlagen wie Zeugnisse auf deren Richtigkeit zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Lüge bestehen, sei unter Umständen erlaubt. Einen Bewerber von einem Privatdetektiv beschatten zu lassen, greife aber tief in die Persönlichkeitsrechte desjenigen ein. Dazu kämen möglicherweise Verstöße gegen das Datenschutzgesetz. Da ein Job-Anwärter noch keinen Vertrag unterschrieben habe und damit in keinem Verhältnis zum Unternehmen stehe, habe der potenzielle Arbeitgeber in der Regel auch keinen triftigen Grund für eine Observation, sagt Croset.

Der gläserne Mitarbeiter

Dennoch kennt auch der Arbeitsrecht-Profi Fälle, in denen Unternehmen Detektive beauftragt haben, um einen Bewerber auszuspähen. Backgroundcheck oder Pre-Employment-Screening nenne sich das. Zweck dieser Überprüfung ist es, so viel wie möglich über den Bewerber zu erfahren, bevor ihn ein Unternehmen einstellt.

In den USA oder Großbritannien werden solche Methoden regelmäßig angewandt. Laut der Homepage der amerikanischen Organisation PBSA (Professional Background Screening Association) umfassen diese Bewerberscreenings neben Lizenzprüfungen, Daten zum Fahrerverhalten, Standesamtsregister oder Informationen aus früheren Arbeitsverhältnissen auch Drogentests und psychologische Gutachten.

Tatsächlich kommen auch die meisten Klienten, die Rother für eine Bewerberprüfung beauftragen, aus den USA oder Kanada. Das seien meist Unternehmen, die jemanden für eine hohe Position in einer Zweigstelle oder einem Tochterunternehmen in Deutschland suchten.

Fliegt eine Bewerberüberprüfung auf, kann es passieren, dass das Unternehmen, das den Detektiv beauftragt hat, viel Geld dafür bezahlen muss. „Verstöße gegen den Datenschutz werden jetzt viel konsequenter verfolgt und können sehr teuer werden“, sagt Croset.

Er nennt als Beispiel den schwedischen Moderiesen H&M. Im Oktober 2020 ist das Unternehmen zu einer Strafe von 35 Millionen Euro verurteilt worden, weil es mit der Überwachung Hunderter Mitarbeiter gegen das Datenschutzgesetz verstoßen hatte. „Das ist das Gleiche, wie einen Bewerber auszuspähen – nämlich verboten“, sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Als Detektiv entlarvt wurde Rother bei seinen Recherchen allerdings bisher noch nie. Manchmal werde er angesprochen, wenn er mit dem Auto in einer Straße stehe. Dann erzählt er, dass er gerade die Mobilfunkverbindung prüfe. Oder, dass er auf einen Freund warte. Eben eine seiner Legenden.

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