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Der Kursabsturz als Kommunikations-Panne

Selten fällt eine Aktie um ein Drittel, wenn ein Vorstandsmitglied geht. Das passierte bei Grenke. Aktionäre sind nervös wegen eines Shortsellers. Und eine zu komplizierte Ad-hoc verunsicherte zusätzlich.

Nach massiven Bilanzmanipulations-Vorwürfen war Grenke bei den Prüfungen seiner Geschäftsprozesse auf Probleme gestoßen. Die Aktien des Leasing-Konzerns waren infolgedessen am Montag um 30 Prozent eingebrochen. Am Dienstag legte der Kurs dann wieder um rund sechs Prozent zu. Foto: dpa
Nach massiven Bilanzmanipulations-Vorwürfen war Grenke bei den Prüfungen seiner Geschäftsprozesse auf Probleme gestoßen. Die Aktien des Leasing-Konzerns waren infolgedessen am Montag um 30 Prozent eingebrochen. Am Dienstag legte der Kurs dann wieder um rund sechs Prozent zu. Foto: dpa

Der Dax stieg am Montag auf ein Rekordhoch, aber die Aktie von Grenke verlor mehr als 30 Prozent. Panik hatte sich unter den Grenke-Aktionären breitgemacht, nachdem der Baden-Badener Leasingspezialist eine Pressemitteilung zum Abgang seines langjährigen Vorstandsmitglieds Mark Kindermann veröffentlicht hatte. Darin hieß es, dass es im Rahmen laufender Prüfungen zu „kritischen vorläufigen Bewertungen bisheriger interner Prozesse in der Complianceorganisation und der internen Revision gekommen“ sei. Ein Bereich, den Kindermann bis zum Sommer verantwortet hat. Doch selbst sehr kapitalmarkterfahrene Leser haben diese Mitteilung nicht verstanden. In einer Art Kurzschlussreaktion haben viele die Aktie verkauft.

Denn die Angst ist groß, dass an den Vorwürfen des britischen Shortsellers Fraser Perring etwas dran sein könnte. Er bezichtigte Grenke im Sommer 2020 der Geldwäsche und Bilanzfälschung und hatte an dem Kursabsturz durch seine Wetten auf fallende Aktienkurse verdient. Damals hatte die Aktie zwei Drittel an Wert verloren. Seitdem hatte sie wieder ein wenig im Kurs zulegen können, war gestern dann aber wieder nahezu auf den September-Stand abgestürzt. Damals hatte die Bafin Sonderprüfungen bei Grenke eingeleitet und das Unternehmen beauftragte zwei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

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Doch noch immer lauern Hedgefonds darauf, dass der Kurs fällt. Ihre meldepflichtigen Netto-Leerverkaufspositionen summierten sich Ende Januar auf 4,4 Prozent. Zuletzt meldete Bronte Capital Management aus Australien eine Neuposition von leicht über 0,5 Prozent. Die dürfte sich Montag schon ausgezahlt haben.

Grenke hatte im September zwar eine schnelle Klärung durch die Prüfer angekündigt, doch es gab bislang nur Zwischenergebnisse. Inzwischen wurden nur ein paar Vorwürfe etwas entkräftet. Die Ratingagentur S & P hielt beispielsweise die Bilanzfälschungsvorwürfe für unbegründet, KPMG bestätigte, dass es die Bankguthaben bei Grenke tatsächlich gibt. Damit war eine Parallele zum Fall von Wirecard, bei dem Geld auf Treuhandkonten nicht vorhanden war, zumindest vom Tisch. Weil aber Aktionäre noch immer auf eine endgültige Klärung warten, zeigte sich die Nervosität anfang der Woche sehr deutlich.

Investoren waren von der Mitteilung entsetzt. „Selbst wenn das nur ein kommunikatives Desaster sein sollte und man es nicht mit Betrügereien zu tun hat und Kindermann das Bauernopfer ist – es wirft ein schlechtes Licht auf das Unternehmen und seine Führung“, sagte ein Fondsmanager. Dem Aktienexperten fehlt bei Grenke einfach das Gespür dafür, was kryptische Mitteilungen am Kapitalmarkt auslösen. Mancher wünschte sich, dass die Baden-Badener sich mal in leichter Sprache üben und klar kommunizieren. Das holte der Aufsichtsratsvorsitzende von Grenke, Ernst-Moritz Lipp am Dienstagabend nach Börsenschluss nach und veröffentlichte einen langen Brief, um die Transparenz zu bieten, die man in der Ad-hoc-Mitteilung am Montag vermasselt hat. Sie dürfte manchen Aktionär und Anleihenbesitzer von Grenke beruhigen. (Hier können Sie den Brief im Original als PDF downloaden.)

Es geht bei der Trennung vom Vorstandsmitglied Kindermann um Probleme bei der Unternehmensführung und bei der Auslegung von Regeln („Compliance“). Kindermann war für die Organisation und Recht zuständig. Er hatte allerdings schon seit dem Sommer 2020 keine besondere Rolle mehr und galt längst als entmachtet. Das Unternehmen hatte seine Aufgaben auf die Vorstandsvorsitzenden verteilt und eine neue Risikomanagerin eingestellt. Worüber viele Aktionäre gestern offenbar hinweggelesen haben: Es ging um vorläufige Bewertungen der internen Prozesse. Kindermann wird dem Unternehmen zudem weiterhin außerhalb des Vorstands „zur Verfügung stehen“, wie es hieß.

Eine Persona non grata, der man schwere Verfehlungen oder gar geschäftsschädigendes Verhalten vorwirft, die vielleicht sogar Ermittlungen behindert haben könnte, kann Kindermann also nicht sein. Sonst wäre eine weitere Zusammenarbeit kaum möglich.

Ebenfalls ging in der verschwurbelten Pressemitteilung der Hinweis unter, dass es nicht erwiesen sei, ob die mit Kindermann im Zusammenhang stehenden Probleme „berechtigt“ sind und ob sie auch wirklich „bedeutend“ sind. Im Bereich Compliance ist es mitunter schon dann eine kritische Situation, wenn es nach Ansicht von Prüfern zu wenig Personal gibt, dass sich um die Einhaltung von Regeln kümmert. In seinem Brief wies Lipp auch darauf hin, dass Mängel etwa am „Compliance-Handbuch“ von den Aufsehern festgestellt wurden. Da geht es jetzt auch ganz ins Klein-Klein. „Laut der aktuellen ad-hoc-Mitteilung geht es offenbar nur um prozessuale Themen, die keine wesentlichen Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben sollten“, sagte Uwe Rathausky, Vorstand des Finanzdienstleisters Gané, der WirtschaftsWoche bereits am Dienstagnachmittag. Gané hält in einem Investmentfonds einen hohen Anteil in Grenke-Aktien. Rathausky kritisiert aber, dass es Grenke bisher versäumt habe, die Zusammenhänge und die Auswirkungen der Verabschiedung von Mark Kindermann zu erklären und es an Transparenz mangele. Der Aufsichtsratsvorsitzende Lipp ist dem Wunsch jetzt nachgekommen. Um Vertrauen am Kapitalmarkt aufzubauen, so Rathausky, müssten, die Wirtschaftsprüfer und die BaFin allerdings schleunigst abschließende Ergebnisse liefern.

Wenn sich bei hoher Nervosität kaum jemand traut, einen Kurssturz zum Kauf zu nutzen, fällt der besonders drastisch aus. So kam es am Montag bei recht niedrigen Umsätzen zu dem Minus von 30 Prozent. Die Grenke-Anleihen fielen im Kurs teils auf 88 Prozent ihres Nennwerts. Am Dienstag hat sich der Aktienkurse bis Mittag um fünf Prozent leicht erholt. Möglicherweise haben sich aber auch nur die Shortseller eingedeckt und Aktien günstig gekauft. Nachbörslich aber am Dienstagabend um 21 Uhr erholte sich der Kurs rasant und stieg um zehn Prozent. All das hätte nicht sein müssen. Gewinner sind Investmentbanken und Broker, die all die Verkaufs- und Kaufaufträge abwickeln.

Mehr zum Thema: Wirecard, Tesla, Nikola, jetzt Grenke: Spekulanten, die auf fallende Kurse wetten, sind das neue Feindbild von Managern und Anlegern – dabei halten sie die Börse sauber. Ein Inside-Report.