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CSU, FDP und Grüne lehnen Brinkhaus-Vorschlag zur Wahlrechtsreform ab

Ohne Wahlrechtsreform könnte der Bundestag im Jahr 2021 auf mehr als 800 Mitglieder anwachsen. Die Union präsentiert in letzte Minute einen Gegenvorschlag.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion will mit einem Kompromissvorschlag eine Grenze von 750 Abgeordneten einführen. Foto: dpa
Der Vorsitzende der Unionsfraktion will mit einem Kompromissvorschlag eine Grenze von 750 Abgeordneten einführen. Foto: dpa

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki hat eindringlich vor einem Scheitern der Wahlrechtsreform gewarnt, mit deren Hilfe der Bundestag wieder kleiner werden soll. „Es wäre ein fatales Signal für unsere Demokratie und das Parlament, wenn eine Einigung nicht gelänge, wonach es leider derzeit aussieht“, sagte Kubicki der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Denn objektiv war genug Zeit vorhanden, eine verfassungskonforme Lösung zu finden.“

Die Fraktionen im Bundestag hatten sich bereits in der vergangenen Wahlperiode nicht auf eine Wahlrechtsreform einigen können. Die Folge war, dass das Parlament bei der Wahl 2017 mit 709 Abgeordneten so groß wurde wie nie zuvor. Für die Bundestagswahl 2021 wird ein weiteres Anwachsen auf möglicherweise mehr als 800 Abgeordnete befürchtet, wenn das Wahlrecht zuvor nicht geändert wird.

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Einen konkreten Gesetzentwurf gibt es bislang nur von FDP, Grünen und Linken. Wegen der darin vorgesehenen Reduzierung der Zahl der Wahlkreise lehnt insbesondere die CSU diesen Vorstoß kategorisch ab. Die drei Oppositionsfraktionen bestehen aber darauf, dass der Bundestag über ihren gemeinsamen Entwurf am kommenden Freitag, dem letzten Sitzungstag vor der Sommerpause, abschließend berät und darüber abstimmt.

„Gelingt dies nicht in dieser Sitzungswoche, wird das nichts mehr zur kommenden Bundestagswahl“, sagte Kubicki, der auch stellvertretender FDP-Vorsitzender ist. „Schon jetzt ist der Zeitplan für alles, was daran hängt, also der Zuschnitt der Wahlkreise, die Kandidatenaufstellung und so weiter eine riesige Zumutung.“

Kubicki wies darauf hin, dass es für die von den Fraktionen der FDP, Linken und Grünen vorgeschlagene Lösung sogar eine rechnerische Mehrheit im Parlament geben würde. „Die Sozialdemokraten sind in dieser Frage aber an ihren Koalitionspartner, die Union, gekettet und können aus koalitionsinternen Gründen nicht für die Verkleinerung des kommenden Bundestages stimmen. Dies ist alles in allem enttäuschend. Denn hier geht es schlicht nicht um eine politische Richtungsfrage, sondern um die Arbeitsfähigkeit des höchsten deutschen Parlaments.“

Ein weiteres Anwachsen des Bundestags bei der Wahl 2021 hätte nach Kubickis Auffassung auch negative Folgen für dessen Arbeitsfähigkeit. „Das liegt alleine schon daran, dass wir gar nicht so schnell so viele räumliche Kapazitäten aufbauen können.“ Teile der Verwaltung müssten dann in Container umziehen oder weit abseits des Regierungsviertels untergebracht werden.

Auch die inhaltliche Arbeit des Bundestags würde beeinträchtigt: „Wegen der Tatsache, dass vor allem in den großen Fraktionen jeder Abgeordnete eine angemessene Aufgabe übernehmen soll, müssen Themenbereiche immer kleinteiliger geschnitten werden. Für eine sinnvolle Lösung von politischen Problemen wäre das in jedem Falle nachteilig“, sagte Kubicki der dpa.

Brinkhaus präsentiert Alternative

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus will mit einem Kompromissvorschlag doch noch eine Wahlrechtsreform ermöglichen. Das Modell des CDU-Politikers, das die CSU dazu bewegen soll, ihren Widerstand aufzugeben, sieht eine Begrenzung der Zahl der Mandate auf 750 vor. Das wären 49 mehr als der Bundestag derzeit hat, aber deutlich weniger als die befürchteten mehr als 800 Sitze, auf die das Parlament bei der Wahl 2021 ohne eine Wahlrechtsreform anwachsen könnte.

Über den Vorschlag hatte zuerst das ARD-Hauptstadtstudio berichtet. Er liegt auch der Deutschen Presse-Agentur vor. Er sieht ab einer Zahl von 750 Abgeordneten eine Kappung vor. Danach soll im Wechsel jeweils ein Überhangmandat nicht durch Ausgleichsmandate kompensiert und ein Direktmandat gestrichen werden, bis man bei der Höchstzahl von 750 Sitzen angelangt ist. Die Direktmandate sollen in den Wahlkreisen mit den schwächsten Erststimmergebnissen nicht zugeteilt werden.

Das hätte zur Folge, dass die CSU, die alle vorliegenden Vorschläge zur Wahlrechtsreform strikt ablehnt, keines ihrer Direktmandate verlieren würde. Nach ARD-Informationen würden CDU und SPD diesem Modell zustimmen.

CSU unversöhnlich

Gleichwohl reagierte die CSU ablehnend: „Der Vorschlag ist mit uns nicht abgesprochen“, sagte ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Stefan Müller. Eine Wahlrechtsreform entspreche zwar den Ideen seiner Partei.

„Einen Vorschlag allerdings, der Gewinnern von Wahlkreisen den Einzug in den Deutschen Bundestag verweigert, halten wir für verfassungswidrig.“ Auch in seiner eigenen Partei erhielt Brinkhaus eine Abfuhr: „Der Vorschlag mit einer Kappung von Wahlkreisen ist verfassungswidrig und damit inakzeptabel“, sagte der CDU-Abgeordnete Axel Fischer der dpa.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, begrüßte zwar die vorgesehen Deckelung der Mandate als „geeignete Grundlage für einen Kompromiss“. „Allerdings sollte die Obergrenze, ab der Mandate nicht mehr zugeteilt werden, nicht über der derzeitigen Bundestagsgröße liegen.“ Die SPD hatte selbst eine Begrenzung bei 690 Mandaten vorgeschlagen.

Schneider meinte nun, ein solcher „Notfallmechanismus“ für die nächste Bundestagswahl komme mit kleinen rechtlichen Änderungen aus und könne nach einer politischen Einigung in der kommenden Woche auch noch Anfang September gesetzlich verankert werden. Für eine dauerhafte Reform schlage die SPD die Einsetzung einer Kommission unter Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Bürgern vor.

FDP und Grüne gegen Brinkhaus-Vorstoß

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, begrüßte zwar, dass sich Brinkhaus überhaupt um einen Kompromiss bemüht. „Sein Vorschlag ist jedoch offenkundig nicht fair, weil er die CSU von jedem Beitrag zur Lösung freistellt. Brinkhaus knickt damit vor der Blockadehaltung der CSU zulasten aller anderen ein“, sagte Buschmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Zudem ist der Vorschlag unambitioniert, weil das Modell einen Bundestag zulässt, der noch größer als der jetzige wäre und das Anwachsen auf bis zu 800 Abgeordnete nur gering dämpft.“

Auch die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, kritisierte, dass der momentan 709 Abgeordnete zählende Bundestag nach dem Brinkhaus-Modell nochmals größer würde. „Noch dazu sieht es so aus, dass es wieder die Union wäre, die von diesem Vorschlag einseitig profitieren würde“, sagte Haßelmann. „Eine echte Wahlrechtsreform sieht anders aus. Was daran soll eine Reform sein? Offenkundig fehlt der Union und der Koalition insgesamt die Kraft für eine dringend notwendige Wahlrechtsreform.“ Für die Grünen gelte der Grundsatz, dass jede Stimme gleich viel wert sein müsse.