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Nach Kritik von Umweltschützern an Aluminiumkapseln: Nespresso-Kaffee will klimaneutral werden

Ab 2022 soll das Kapselsystem klimaneutral sein. Dafür nutzt die Nestlé-Tochter auch recyceltes Alu. Umweltaktivisten geht das nicht weit genug.

Die Kapseln können in der Gelben Tonne entsorgt oder im Nespresso-Shop abgegeben werden. Umweltschützer kritisieren jedoch den Gebrauch von Aluminium. Foto: dpa
Die Kapseln können in der Gelben Tonne entsorgt oder im Nespresso-Shop abgegeben werden. Umweltschützer kritisieren jedoch den Gebrauch von Aluminium. Foto: dpa

Im ersten Lockdown sind plötzlich die Nespresso-Kapseln knapp geworden. Zum einen haben die Menschen im Homeoffice mehr Kaffee zu Hause getrunken. Zum anderen ruckelte es anfangs in der Lieferkette.

„Wir mussten in unseren drei Werken in der Schweiz auf Wechselschichten umstellen und die Belieferung aus den Plantagen unserer 110.000 Kleinbauern Corona-sicher machen“, sagt Mark Ruijgrok, Deutschlandchef von Nespresso. „Insgesamt sind wir gut durch die Krise navigiert.“ Der Marktanteil der Kaffeemaschinen der Schweizer an Einzelportionsgeräten wuchs 2020 laut GfK zweistellig auf 22,5 Prozent.

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Der Siegeszug der Kaffeekapseln hat jedoch Schattenseiten: Jedes Jahr müssen Milliarden Aluminiumkapseln entsorgt werden. Seit Langem steht Nespresso deshalb in der Kritik. Zwar sind die Kapseln seit 1993 auf eigenes Betreiben für die Gelbe Tonne lizenziert. „Das wissen viele Verbraucher leider immer noch nicht“, erklärt Ruijgrok. Auch die Shops nehmen gebrauchte Kapseln zurück. Die globale Recyclingrate liegt bei 30 Prozent.

Die Nestlé-Tochter reagiert nun auf den öffentlichen Druck zu mehr Nachhaltigkeit. „Ab 2022 ist jede Tasse Nespresso-Kaffee klimaneutral. Das umfasst die gesamte Lieferkette und schließt auch das Recycling der Kapsel mit ein“, sagt der Manager. Zur Kompensation des CO2 werden unter anderem Bäume auf den Kaffeefarmen gepflanzt.

Umweltschützern geht das nicht weit genug. „Aluminiumkapseln sind eine Umweltsauerei“, meint Thomas Fischer, Leiter Kreislaufwirtschaft der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der Abbau des Erzes zerstöre Naturräume, es entstehe giftiger Rotschlamm. Das Schmelzen des Metalls sei energieintensiv.

Aluminium steht daher allgemein in der Kritik, gilt als Werkstoff aber oft noch als unersetzlich. „Wir forschen an Alternativen, aber kein anderes Material schützt Kaffee aktuell besser vor Licht, Luft und Feuchtigkeit als Aluminium“, setzt Nespresso-Manager Ruijgrok entgegen.

Immerhin setzt Nespresso künftig auf recyceltes Aluminium. „Das benötigt nur etwa fünf Prozent der Energie des Neu-Aluminiums“, sagt Tim Decken, Nachhaltigkeitsmanager bei Nespresso. Spätestens ab Jahresende sollen alle Kapseln für zu Hause mit 80 Prozent Recyclingmaterial hergestellt sein. Das Material kommt von einem deutschen Alu-Recycler. Das stamme aus einer Vielzahl von Quellen von Endkonsumenten inklusive Aluminiumschrott sowie Material, das beim Produktionsprozess zurückgewonnen werde.

Fischer vermutet, dass zu einem großen Teil Abfälle aus der Aluminiumproduktion genutzt werden, die aufgrund ihres Werts ohnehin eingeschmolzen und als neuwertig genutzt werden. „Solche Reste werten wir als Neumaterial“, sagt er, „dadurch wird die Umwelt nicht entlastet.“

Die DUH kritisiert, es gebe keinen Kapsel-Kreislauf. In der Gelben Tonne würden Nespresso-Relikte zwar aussortiert und recycelt, aber mit anderen Alu-Verpackungen verschiedenster Legierungen zu Guss-Alu verschmolzen. „Daraus lassen sich keine neuen Kaffeekapseln herstellen, nur andere Produkte wie Fensterrahmen“, sagt Fischer. Die Kapseln erhalten etwa in Kulis, Fahrradrahmen oder Victorinox-Taschenmessern ein zweites Leben.

Die Umweltproblematik beschäftigt nur nicht die Schweizer. Wettbewerber etwa bieten Kaffeekapseln aus kompostierbarem Kunststoff. Jedoch dürfen die nicht in der Biotonne entsorgt werden. „Grotesk“ findet das Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbands. Hier müsse die Politik dringend handeln.

Solche Kapseln hält Fischer indes für keineswegs besser. Sie bereiteten Kompostierern Probleme, weil sie sich oft nur unvollständig abbauen. „Viele Kompostanlagen sortieren die Biokapseln als Störstoffe mühsam heraus“, meint Fischer.

Die Kundschaft ist indes vom Prinzip Kapselkaffee überzeugt. Deutschland sei ein großer Markt für Nespresso, erklärt Ruijgrok, der sich wie Konzernmutter Nestlé zu Zahlen ausschweigt. Im dritten Quartal erzielte Nespresso laut Konzernbericht aber ein „mittleres einstelliges Wachstum“. Der globale Umsatz soll nach Branchenschätzungen bei mehr als vier Milliarden Franken liegen. Wegen hoher Nachfrage wird nun das Werk in Rumont für 160 Millionen Franken ausgebaut.

Nachahmer dominieren Supermärkte

Nespresso ist Pionier der Kaffeekapsel, kann sich aber auf seiner Innovation nicht ausruhen. Erfunden wurden die Kapseln schon 1986, erst durch TV-Spots mit George Clooney kam vor rund 15 Jahren der Durchbruch. Nicht nur die Kapseln samt Maschinen waren neu, auch der Vertrieb ausschließlich im Webshop und in etwa 800 Nespresso-Boutiquen. Heute werden die Kapseln auch an die Gastronomie vertrieben.

Der Siegeszug zog Nachahmer an, gegen die die Schweizer vergebens vor Gericht zogen. Die Supermarktregale sind voll mit den Kapseln, die mit Nespresso-Maschinen kompatibel sind. „Wir alle können gemeinsam im Markt noch wachsen“, meint Ruijgrok. Kapseln hatten 2019 einen Marktanteil von 5,6 Prozent am Kaffeemarkt, Pads kamen auf 7,5 Prozent.

Seine Marktstellung will Nespresso mit der neuen Maschine Vertuo ausbauen, die seit September auch hierzulande verkauft wird. Vertuo-Geräte können durch neue Technologie Kaffee vom Espresso bis zur Halbliterkanne zubereiten. Dabei rotiert die Alukapsel mehr als 7000-mal pro Minute.

Allerdings sind Vertuo-Kapseln in diversen Größen nicht mit klassischen Nespresso-Maschinen kompatibel. Die Riesenkapseln von Vertuo seien unter Umweltaspekten auch nicht besser, meint Fischer von der DUH. Das grammweise Verpacken von Kaffee verbrauche überproportional viel Material. Entsprechend teuer ist der Kaffee. Generell seien Kaffeekapseln „Gelddruckmaschinen“.

Bei Verbrauchern kommt Portionskaffee indes an. Mit Vertuo will Nespresso die Kaffeetrinker ansprechen, die sonst gefilterten Kaffee oder solchen aus Vollautomaten trinken. „Filterkaffee avanciert zum neuen Lifestylegetränk“, so Preibisch vom Verband. „Zugleich wollen die Deutschen ihren Kaffee zu Hause schnell und unkompliziert zubereiten.“

Marktführer für Nespresso-kompatible Kapseln im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ist JDE (Jacobs). JDE kam laut „Lebensmittelzeitung“ von Januar bis August 2020 auf etwa 41 Prozent, gefolgt von Dallmayr (21 Prozent) und Handelsmarken (18 Prozent).

Um der Konkurrenz das Geschäft in Supermärkten nicht komplett zu überlassen, brachte Nestlé Kapseln der Marke Starbucks in den Handel. Im Mai 2018 hatten die Schweizer für 7,15 Milliarden Dollar die Vermarktungsrechte für den US-Kaffee erworben. Starbucks-Kapseln haben nun einen Marktanteil von neun Prozent im deutschen Einzelhandel. Starbucks wird nicht von Nespresso, sondern von Nestlé vermarktet.

Nun testet Nestlé erstmals Kaffeekapseln der Marke Nescafé in den Niederlanden und in Australien. Ruijgrok sieht darin keine Konkurrenz zur Premiummarke Nespresso. „Nescafé ist die größte Kaffeemarke der Welt, die sich an eine ganz andere Zielgruppe richtet.“ Der Niederländer betont: „Nespresso-Kapseln werden wir keinesfalls im Supermarkt verkaufen. Im Direktvertrieb sind wir ganz nah am Kunden und unabhängig.“