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Krise bei der Deutschen Post - Appel übernimmt

Lange haben die Versprechungen von Post-Chef Frank Appel nicht gehalten. „Wir werden Sie auch in Zukunft nicht enttäuschen“, rief er seinen Aktionären noch auf der Hauptversammlung Ende April zu. Das Geschäft laufe planmäßig, versprach er, die gesetzten Ziele würden erreicht. Am vergangenen Freitag kassierte Appel seine Prognose schon wieder ein. Statt den versprochenen 4,15 Milliarden Euro Betriebsgewinn sollen bis Jahresende nur noch 3,2 Milliarden zusammenkommen. Der Grund: Das Brief- und Paketgeschäft läuft nicht.

Elf Jahre lang war Jürgen Gerdes Chef der Sparte. Im April hat ihn Appel degradiert, an diesem Dienstag gab er seinen Vorstandsposten zum 30. Juni auf. Der Konzern habe in den vergangenen Jahren nicht in ausreichendem Maße in die Weiterentwicklung dieser Sparte investiert, so Appel. Damit warf er seinem ehemaligen Vorstandsmitglied indirekt Versäumnisse vor. Doch die Schuld allein auf Gerdes zu schieben, greift zu kurz. „Auch Appel trägt an den Problemen eine Mitschuld“, heißt es in Analystenkreisen. Offiziell erfolgte die Trennung von Gerdes denn auch "in bestem gegenseitigen Einvernehmen" aufgrund "unterschiedlicher Auffassung über die strategische Schwerpunktsetzung". So lässt sich handfester Dissens auch abmoderieren.

Appel übernimmt Pep

Der Chef hat das Steuerrad nun selbst in die Hand gekommen. Vorerst wird Appel den Paketbereich leiten, der im Postjargon als Pep (Post, E-Commerce, Parcel) bezeichnet wird. Und er will aufräumen: die Personalkosten sollen gesenkt und die Erlöse gesteigert werden. Es ist nicht das erste Mal, dass Appel eingreift. Immer dann, wenn es brenzlig wurde, hat er die Jobs seiner Vorstandskollegen übernommen: Er leitete schon den Personalbereich, war später für das Frachtgeschäft zuständig. Nun eben die Paketsparte. Die zu reformieren, dürfte allerdings seine größte Herausforderung werden. Denn Pep ist mit 18,2 Milliarden Euro das mit Abstand größte Ressort im Dax-Konzern. Allein durch Versäumnisse in diesem Bereich wird das Jahresergebnis der Post um fast ein Viertel geschmälert.

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Doch wie kann das sein? Das Paketgeschäft brummt, zuletzt verschickten die Deutschen, das zeigen Zahlen der Bundesnetzagentur, über 18 Milliarden Pakete. 2006 waren es gerade einmal zwei Milliarden. Davon aber hat die Post kaum etwas. Mit Kampfpreisen ist der Konzern bei Großkunden wie Amazon oder Zalando vorgeprescht und karrt Pakete für weniger als zwei Euro durch die Republik. Damit lässt sich kaum Geld verdienen. Zu wenig, wie sich jetzt zeigt. Zudem steigen die Kosten: Die Beschäftigten verdienen dank des Tarifvertrags mit der Gewerkschaft Verdi 1,7 Prozent mehr, im Oktober kommen noch einmal drei Prozent dazu. Die Aufwendungen für den Pakettransport steigen, die Marge schrumpft – ein teurer Paketboom für die Post.

„Nachdem das Geschäft jahrelang gelaufen ist, hat der Vorstand hat es versäumt, diese Situation rechtzeitig zu erkennen“, sagt ein Analyst. Die Aktionäre haben das Missmanagement bestraft. Die Aktie fiel am Dienstag unter die Marke von 30 Euro – ein Verlust von fast 25 Prozent in nur wenigen Tagen. Auch Marktkenner sind geschockt, viele Banken haben ihre Kursziele für den Logistikkonzern aus Bonn nach unten geschraubt.

Personalkosten drücken

Konzernlenker Appel will den Trend umkehren. Der Neurobiologe, der bei der Unternehmensberatung McKinsey promoviert hat, kündigte „eine Reihe von Maßnahmen“ an, um das Ergebniswachstum nachhaltig zu sichern. So kündigte Appel an, die Aufwendungen „indirekt“ senken zu wollen – vor allem durch niedrigere Personalkosten. Zunächst ist das Vorhaben ein teures: Mit einem bis zu 500 Millionen Euro teurem Vorruhestandsprogramm sollen tausende Beamte aus früheren Bundespostzeiten in den Ruhestand wechseln. Damit will Appel die Aufwendungen bis 2020 jährlich um 200 Millionen Euro drücken. Gewerkschaften haben allerdings Sorge, dass dies allein nicht reicht, um die ambitionierten Ziele zu erreichen. Sie befürchten Entlassungen.

Geld will Appel auch bei der Zustellung sparen – indem er das Paket- und Briefgeschäft insbesondere auf der letzten Meile automatisiert und digitalisiert. Heißt: Vor allem die Haustürzustellung soll professioneller organisiert werden. Wie genau, bleibt Appel zwar schuldig. Denkbar ist, dass es zu unterschiedlichen Tarifen kommen wird. Kunden, die sich eine Bestellung an die Haustüre liefern lassen, könnten dann mehr bezahlen als Paketempfänger, die ihre Sendung in einem Paketshop abholen. Appel verspricht sich hier Kosteneinsparungen von 150 bis 250 Millionen Euro pro Jahr.

Zudem hofft er auf die Entscheidung der Bundesnetzagentur. Sie soll dem Vernehmen nach der Post die Erlaubnis erteilen, das Porto für einen Standardbrief zum 1. Januar 2019 um zehn auf 80 Cent anzuheben. Nach Berechnungen des Handelsblatts könnte dies einen Mehrertrag von fast 750 Millionen Euro bringen. Dass die Behörde zustimmt, ist wahrscheinlich. Das wäre dann die dritte Portoerhöhung innerhalb von nur wenigen Jahren.

Wegen langanhaltenden Verträgen mit Geschäftskunden, ist es schwierig die Tarife in diesem Bereich kurzfristig anzuheben. Absehbar ist, dass Appel mit Amazon, Zalando und Ebay verhandeln wird, um höhere Tarife durchzusetzen. Durch die Marktmacht der Online-Plattform dürfte das allerdings keine einfache Aufgabe werden.

Als Appel zuletzt die Aufgaben seiner Vorstandskollegen übernahm, hat er die Probleme in den Griff bekommen: Als Personalverantwortlicher bewies er Stärke gegenüber den Gewerkschaften und konnte die Lohnkosten senken. Die Frachtsparte hat er aus dem IT-Chaos geführt. Jetzt muss Appel zeigen, ob er auch die Probleme der Pep in den Griff bekommt. Zunächst aber sollte er bei seinen Aktionären wieder Vertrauen gewinnen. Denn im Moment, so wirkt es, sind Appels Aussagen in nur wenigen Wochen wieder hinfällig.