Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • Nikkei 225

    40.168,07
    -594,66 (-1,46%)
     
  • Dow Jones 30

    39.807,37
    +47,29 (+0,12%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.645,52
    +1.353,71 (+2,11%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.379,46
    -20,06 (-0,12%)
     
  • S&P 500

    5.254,35
    +5,86 (+0,11%)
     

Der Kreditech-Gründer fördert vor allem kleine Unternehmen

Sebastian Diemer fällt selbst in der streng krawattenlosen Berliner Start-up-Szene auf. Auch ein kühler Frühjahrstag hindert den Fintech-Unternehmer nicht daran, in der Zentrale von Finiata ein kurzärmliges weißes T-Shirt zu tragen, dazu eine blaue Jeans – und rote Sneaker.

Später kurvt er noch mit einem Hoverboard – einer Art Elektroskateboard – durch das Großraumbüro. Dass Diemer gerne Motocross-Bikes fährt und sich dabei auch schon mal ein Bein brach, hat sich längst herumgesprochen.

Der 31-Jährige ist unkonventionell, ist immer in Bewegung. Vielleicht ist diese ständige Suche nach einer neuen Herausforderung der Schlüssel dafür, dass er mittlerweile zu Deutschlands erfolgreichsten Firmengründern zählt. Gemeinsam mit Alexander Graubner-Müller hat Diemer das Fintech Kreditech gestartet und geführt.

Nach turbulenten Anfangszeiten – und veröffentlichten Mails, die einen harschen Umgangston Diemers belegen – hat sich Kreditech trotz allem zu einem Vorzeige-Fintech entwickelt, das so unterschiedliche Investoren wie die Weltbank, Peter Thiel und J. C. Flowers anzieht. „Sebastian ist ein Mensch mit extrem viel Energie, der Dinge antreiben kann und vor Problemen nicht zurückschreckt“, beschreibt Graubner-Müller seinen langjährigen Freund.

WERBUNG

Diemer stieg im Dezember 2015 bei Kreditech aus und ist seitdem finanziell unabhängig. Was ihn nicht dazu gebracht hat, Dinge ruhiger anzugehen. Eher im Gegenteil – er hat sich zu einem Seriengründer entwickelt. Sein derzeit wichtigstes Start-up heißt Finiata, ein Unternehmen, das er vor knapp zwei Jahren gründete und als „Schnellboot mit 50 Leuten“ charakterisiert.

Diemer spricht immer Klartext – auch wenn es scheinbar nicht passt

Finiata vergibt mithilfe der Solarisbank kleinen Unternehmen und Freelancern zur Begleichung ihrer Rechnungen kurz laufende Kredite, die im Durchschnitt bei 2600 Euro liegen. „Wir betreten damit Neuland, da die Banken dieses Segment, es geht dabei um 700 Millionen Unternehmen in Europa, ignorieren“, sagt Diemer. Regelmäßig belegen Umfragen der Staatsbank KfW, dass gerade kleine Unternehmen Schwierigkeiten haben, Kredite zu bekommen.

Derzeit wächst Finiata nach Diemers Angaben monatlich um 30 Prozent. Bei Investoren kommt das Projekt an. Ende 2017 sammelte das Start-up 18 Millionen Euro ein. Diemer ist nicht nur bei Finiata finanziell engagiert. Geld hat er in rund zehn teilweise selbst gegründete Start-ups gesteckt. Sie heißen Digitalkasten, Wirkaufendeinenflug.de, Coya, flatfair, smileexyz. Zudem hat er sich auch bei Risikokapitalgebern wie LaFamiglia und Fly.vc engagiert.

Diemer kommt in der Regel schnörkellos zum Punkt. Doch längst nicht allen gefällt seine direkte Art, das weiß er selbst nur zu gut: „Ich sage sehr ungefiltert, was ich denke, und damit haben manche Leute anfangs ein Problem.“ Das sorgt teilweise auch für Irritationen in einem Umfeld, „in dem ansonsten kein Tacheles geredet wird, sondern Floskeln ausgetauscht werden“, sagt Diemer.

Selbstbewusstsein zeigte er schon früh. Während eines Praktikums bei der Beratungsgesellschaft Roland Berger wies er im Alter von 21 Jahren einen Seniorpartner bei einer Präsentation auf einen Fehler bei der Risikokalkulation hin. „Dieser Mut, unabhängig von Hierarchien konstruktiv zu argumentieren, führte sogar zu einem Jobangebot“, erinnert sich Diemer.

Es kam dann aber doch anders. Nach dem Studium an der EBS Business School und der London School of Economics machten er und sein Freund Graubner-Müller Bekanntschaft mit dem Rocket-Internet-Gründer Oliver Samwer. Und der hatte einen Job für die beiden. Auf einem Flug nach China erklärte er ihnen, dass sie 1000 Einheimische für acht Verkaufsbüros rekrutieren sollten. Wenn er in zwei Monaten wieder da sei, sollte der Job erledigt sein.

„Man muss sich diese skurrile Situation vorstellen – vor zwei Wochen drückten wir noch die Uni-Bank und sollten jetzt diesen verrückten Job erledigen“, schüttelt Diemer noch immer den Kopf. Doch es gelang. „Wir haben aus einem Starbucks heraus Headhunter und Personalvermittlungsfirmen eingeschaltet und gesagt, wir zahlen die doppelte Provision für jeden, den wir in den nächsten sieben Tagen nehmen.“

Solche Jobs würden natürlich die Wahrnehmung verzerren, wie Wirtschaft da draußen funktioniere, räumt Diemer ein. Aber wertvolle Erfahrungen habe er bei Samwer allemal sammeln können. „In der Frühphase geht es gar nicht darum, den perfekten Plan zu haben“, sagt er. Vielmehr gehe es darum, schnell am Markt Hypothesen auszuprobieren und umzusetzen, daraus zu lernen und erfolgreiche Maßnahmen schnell zu skalieren.“

So sind Graubner-Müller und Diemer übrigens auch bei Kreditech vorgegangen. In der allerersten Phase wollten die Jungmanager über Kreditech Kredite an Privatpersonen vergeben. Als die Finanzaufsicht Bafin das unterband, stießen sie auf ein größeres Thema: die Einschätzung der Kreditwürdigkeit über digitale Medien im Ausland. So entstand der Plan, „Banking for the underbanked“ zu kreieren.

„Es gibt in Deutschland keinen Mangel an Wagniskapital“

Dabei machte Diemer eine prägende Erfahrung. „Als Kreditech rapide auf 300 Mitarbeiter wuchs, habe ich gemerkt, dass Gründer und Manager zwei grundverschiedene Anforderungsprofile haben.“ Man könne nicht mehr extrem schnell neue Ideen umsetzen und innovative Strategien ausprobieren, wenn Investoren einem ein paar Hundert Millionen Euro anvertraut haben“, sagt Diemer.

„Bei Kreditech hatte er später eine Rolle auszuüben, die ihm nicht so behagte“, weiß auch Graubner-Müller. Diemer sei Manager einer größeren Organisation mit vielen Pflichten gewesen.

Eher orientiert er sich an Elon Musk, der mit seinem Tesla die Autobranche aufmischen will. „Immer, wenn er etwas verkauft hat, hat er fast sein komplettes Vermögen in das nächste Projekt gesteckt“, sagt Diemer. Und zwar in Projekte, die die Menschheit nachhaltig verändern, „nicht in die 20. Kopie von etwas Bestehendem oder in marginale Innovationen“. Gleichzeitig bekennt sich Diemer auch zu Engagements in Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum.

Und „ganz konservativ“ habe er aber auch in Neubauten in Frankfurt und Hamburg investiert. Vielleicht gerade weil Diemer ein leidenschaftlicher Unternehmer ist, schaut er auf das Thema Risikokapital. „Es gibt in Deutschland keinen Mangel an Wagniskapital“, sagt er. Weitere staatliche Töpfe seien nicht erforderlich. Die Politik sollte sich darauf beschränken, Spielregeln aufzustellen.

Und es wäre nicht verkehrt, gut ausgebildete ausländische Daten-Wissenschaftler leichter nach Deutschland zu bekommen. Mit der Politik kokettiert Diemer ein bisschen. „Vielleicht ist das etwas für später“, sagt er. „Irgendwann bin ich nicht mehr auf dem Spielfeld, sondern kreiere es.“