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Krankenkassen brauchen immer mehr Steuergeld – Bundesrechnungshof fordert mehr Transparenz

Die gesetzliche Krankenversicherung muss mit immer mehr Steuergeld unterstützt werden, nicht nur wegen der Corona-Pandemie. Die Details des Milliardenzuschusses sind nebulös.

Der Bundesrechnungshof fordert mehr Transparenz beim Bundeszuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen. Foto: dpa
Der Bundesrechnungshof fordert mehr Transparenz beim Bundeszuschuss an die gesetzlichen Krankenkassen. Foto: dpa

Im deutschen Sozialversicherungssystem gibt es einen schwer greifbaren Begriff, hinter dem sich Zuwendungen in Milliardenhöhe aus dem Bundeshaushalt verbergen: Es handelt sich um versicherungsfremde Leistungen. Auch an die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) fließt unter diesem Posten ­immer mehr Steuergeld – ohne dass genau geklärt wäre, wie sich diese Beträge zusammensetzen.

Der Bundesrechnungshof fordert nun mehr Transparenz beim Bundeszuschuss an die GKV, der in der Corona-Pandemie auf eine Rekordhöhe von 18 Milliarden Euro gestiegen ist. Die Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an den Finanztopf der Krankenkassen dürften in den kommenden Jahren weiter zunehmen, wenn die Regierung einen heftigen Beitragsanstieg verhindern und die 40-Prozent-Grenze bei den gesamten Sozialabgaben einhalten will.

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Statt einer pauschalen Abgeltung versicherungsfremder Leistungen sei eine „gesetzlich näher bestimmte und besser nachvollziehbare Berechnungsgrundlage“ für den Bundeszuschuss an die GKV nötig, heißt es in einem Bericht des Bundesrechnungshofs, der dem Handelsblatt vorliegt.

Die versicherungsfremden Leistungen müssten „möglichst präzise definiert“ werden, was dann auch eine zuverlässigere Finanzplanung für den Bundeshaushalt und die GKV ermöglichen würde.

Grundsätzlich finanzieren sich die gesetzlichen Krankenkassen aus den Beiträgen ihrer Mitglieder. Bei der Einführung durch die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2004 betrug der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an die GKV eine Milliarde Euro. Seit 2017 liegt er bei jährlich 14,5 Milliarden Euro, im vergangenen Jahr kamen dazu noch einmal 3,5 Milliarden Euro wegen der pandemiebedingten Belastungen für die Krankenkassen.

Leistungsausgaben dürften zukünftig wachsen

Dieses Jahr sind sogar fünf Milliarden Euro als Sonderzuschuss eingeplant, insgesamt werden also rund 20 Milliarden Euro an Steuergeld ins GKV-System fließen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatten sich im September auf diese Summe geeinigt, um den Anstieg der Zusatzbeiträge der Krankenkassen zu dämpfen.

Die Leistungsausgaben in der GKV dürften vor dem Hintergrund der alternden Gesellschaft in den nächsten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich anwachsen. Der Bundesrechnungshof verweist auf Berechnungen des Instituts für Gesundheit und Sozialforschung: Unter der Prämisse, dass der allgemeine Krankenkassenbeitrag 15 Prozent nicht übersteigen soll, werde es bis zum Jahr 2040 einen auf bis zu 70 Milliarden Euro anwachsenden zusätzlichen Bedarf geben, der durch einen Bundeszuschuss aus Steuergeld abgedeckt werden müsste.

Grob lassen sich die gesamtgesellschaftlichen Aufgaben eingrenzen, für die das GKV-System einen Ausgleich aus dem Bundeshaushalt erhält. Der Bundesrechnungshof führt unter Verweis aus das Bundesgesundheitsministerium unter anderem die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern sowie von nicht berufstätigen oder geringfügig beschäftigten Ehegatten und Lebenspartnern auf.

Außerdem würden Leistungen rund um die Schwangerschaft und Mutterschaft in die Kategorie fallen. In der Pandemie könnte auch die unabhängig vom Versicherungsstatus laufende Kostenübernahme für Coronatests als versicherungsfremde Leistung gelten.

Eine eindeutige Definition und verlässliche Berechnungen über das tatsächliche Finanzvolumen existieren aber nicht. „Der jeweils gesetzlich bestimmten Höhe des Bundeszuschusses liegen keine Erhebungen der tatsächlich von der GKV zu leistenden versicherungsfremden Leistungen und ihrer Kosten zugrunde“, schreibt der Bundesrechnungshof.

GKV-Spitzenverband unterstützt Forderung nach mehr Klarheit

In der Praxis ist der Steuerzuschuss also ein politisches Instrument, mit dem je nach Kassensituation verfahren wird. „Abhängig von der Haushaltslage des Bundes und der GKV sowie in Reaktion auf wirtschaftliche Krisensituationen wurde er mehrfach erhöht und wieder abgesenkt“, bemerkt der Bundesrechnungshof.

Eine klare Abgrenzung würde der GKV ermöglichen, ihre Finanzlage verlässlicher zu beurteilen. „Zugleich würde eine Kürzung des Bundeszuschusses zur Haushaltssanierung und ein daraus folgendes Sonderopfer der Beitragsgemeinschaft erschwert“, heißt es im Bericht.

Ohne eine gewisse Flexibilität komme das System aber auch nicht aus, schlussfolgert der Bundesrechnungshof mit Blick auf die Corona-Pandemie. Dem Bund müsse es insbesondere in Krisensituationen möglich sein, „durch einen kurzfristigen ergänzenden Bundeszuschuss die Leistungsfähigkeit der GKV zu bewahren und die Beitragssätze der GKV zu stabilisieren“.

Der GKV-Spitzenverband unterstützt die Forderung nach mehr Klarheit in den Finanzbeziehungen zwischen Bundeshaushalt und beitragsfinanzierten Krankenkassen. „Ein verlässlicher und dynamisierter Bundeszuschuss wäre die angemessene Reaktion auf die vielfältigen Leistungen, die die gesetzliche Krankenversicherung im Auftrag des Staates übernimmt“, sagte die Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer dem Handelsblatt.

„Eine saubere Abgrenzung, was zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und welche versicherungsfremden Leistungen sie im Auftrag des Staates übernimmt, ist die Grundlage für eine faire Lastenteilung.“