Werbung
Deutsche Märkte schließen in 9 Minuten
  • DAX

    17.751,85
    -274,73 (-1,52%)
     
  • Euro Stoxx 50

    4.912,99
    -71,49 (-1,43%)
     
  • Dow Jones 30

    37.791,92
    +56,81 (+0,15%)
     
  • Gold

    2.406,00
    +23,00 (+0,97%)
     
  • EUR/USD

    1,0632
    +0,0006 (+0,0532%)
     
  • BTC-EUR

    58.529,23
    -2.370,62 (-3,89%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    85,50
    +0,09 (+0,11%)
     
  • MDAX

    25.998,17
    -448,97 (-1,70%)
     
  • TecDAX

    3.288,14
    -46,18 (-1,38%)
     
  • SDAX

    14.023,71
    -234,37 (-1,64%)
     
  • Nikkei 225

    38.471,20
    -761,60 (-1,94%)
     
  • FTSE 100

    7.822,67
    -142,86 (-1,79%)
     
  • CAC 40

    7.925,43
    -119,68 (-1,49%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.871,54
    -13,48 (-0,08%)
     

Politikwissenschaftler zu Neuwahlen: AfD könnte profitieren

Eine erneute Landtagswahl in Thüringen könnte die Rechtspopulisten stärken. Auch deshalb lässt CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer die Thüringer Parteifreunde erstmal gewähren.

Fast wäre der Coup der AfD perfekt gewesen. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen konnte nur gelingen, weil die Partei des Rechtsnationalen Björn Höcke ihren eigenen Kandidaten fallen ließ, und den Liberalen unterstützte.

Das sei doch ein schönes „Geschenk“ zum siebten Jahrestag der Gründung der AfD, befand der Thüringer AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner. „Auch wenn FDP und CDU mittlerweile Angst vor der eigenen Courage bekommen“, so zeige die Wahl von Kemmerich doch, „die AfD lässt sich auf Dauer nicht ignorieren“, frohlockte die stellvertretende Parteivorsitzende Alice Weidel.

Doch 24 Stunden später war der Spuk schon wieder vorbei. Weil er mit Stimmen von CDU, FDP und AfD gewählt worden war, sah sich Kemmerich heftiger Kritik von allen Seiten ausgesetzt. Auch in seiner Partei geriet er schwer unter Druck. Letztlich strich er dann doch die Segel und erklärte sich zu Neuwahlen bereit.

WERBUNG

Auch wenn die AfD darauf mit scharfer Kritik reagierte: Mit der Wahl Kemmerichs errang sie einen Etappensieg. Und auch das Rückzugsmanöver des FDP-Politikers und die in Aussicht stehende Neuwahl des Thüringer Landtags dürfte ihr wohl eher nutzen, als schaden, sind Politikwissenschaftler überzeugt. Wohl auch deshalb konnte sich die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrer Forderung nach einem erneuten Urnengang nicht durchsetzen

Dabei hatte das CDU-Präsidium noch am Mittwochabend auf Initiative Kramp-Karrenbauers eine Neuwahl empfohlen. Doch die Thüringer CDU stellte sich quer und will nun zunächst die parlamentarischen Möglichkeiten eines Neustarts ausloten. Sollte dies nicht möglich sein, seien Neuwahlen unausweichlich, machte Kramp-Karrenbauer in der Nacht zum Freitag nach stundenlangen Beratungen in Erfurt deutlich.

AKK lässt Thüringer CDU gewähren

Das bedeutet, dass Kramp-Karrenbauer ihren Erfurter Parteikollegen zunächst die Möglichkeit einräumt, ohne Neuwahl und damit ohne die dabei erwarteten Verluste das Ergebnis der Ministerpräsidentenwahl zu korrigieren. Diese Verluste wären wohl eingetreten, während die AfD bei einer Neuwahl mit Zugewinnen rechnen könnte.

„Nach dem jetzigen Tohuwabohu, das vielfältige Nachweise politischer Inkompetenz in Handeln und Verantwortung in sich birgt, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die AfD davon profitieren wird“, sagte der Passauer Politik-Professor Heinrich Oberreuter dem Handelsblatt. „Gleichwohl sind Neuwahlen jetzt der konkurrenzlose Ausweg.“

Auch der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer rechnete mit einem Stimmenzuwachs für die AfD. „Sollte es vorgezogene Neuwahlen geben, dann wird die AfD – wie sie jetzt schon in einer Pressemitteilung verdeutlichte - die Auflösung des Landtags als „Kniefall vor Merkels Politbüro-Befehl“ und „Verachtung demokratischer Prinzipien“ brandmarken und sich als Opfer eines Anti-AfD-Kartells der Altparteien hinstellen“, sagte Niedermayer dem Handelsblatt. „Da es viele Leute geben wird, die argumentieren, die Ministerpräsidentenwahl sei eine normale demokratische Wahl gewesen, deren Ergebnis man zu respektieren habe, kann das der AfD bei Neuwahlen durchaus nützen.“

Hürden auf dem Weg zur Neuwahl

Ähnlich äußerte sich der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer. Das Unverständnis und die Empörung über das Verhalten von FDP und CDU innerhalb und außerhalb des Freistaates sei so groß, „dass beide Parteien bei Neuwahlen sicher mit weiteren Einbußen rechnen müssten“, sagte Arzheimer dem Handelsblatt. „Dass die AfD möglicherweise nochmals etwas besser abschneidet, ist nicht auszuschließen, von weiteren großen Zugewinnen würde ich aber nicht ausgehen.“

Kemmerich hatte am Donnerstag seinen Rücktritt als „unumgänglich“ bezeichnet. Wohl auch, weil der Druck aus der Bundespartei immer größer wurde. FDP-Chef Christian Lindner reiste extra zu Krisengesprächen nach Erfurt, um die Lage zu klären. Zuvor hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Wahl mit Hilfe von Stimmen der CDU und der AfD „unverzeihlich“ genannt und verlangt, das Ergebnis dieses Vorgangs müsse korrigiert werden.

Die FDP-Fraktion Thüringen will nun einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen. Er wolle den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten nehmen, begründete Kemmerich seine Entscheidung. Die AfD habe „mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen“, sagte er. „Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten. Die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.“

Doch eine Auflösung des Parlaments ist gar nicht so leicht möglich. Nach der Landesverfassung muss eine Abstimmung über Neuwahlen von mindestens einem Drittel der Abgeordneten beantragt werden – in Thüringen wären das 30. Die FDP-Fraktion hat aber nur fünf Abgeordnete im Thüringer Landtag. Die Liberalen waren im Herbst hauchdünn mit nur 73 Stimmen über der Fünf-Prozent-Hürde in den Landtag gekommen. Um Neuwahlen zu beschließen, wären sogar die Stimmen von zwei Dritteln der Abgeordneten nötig.