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"Kostenloser Nahverkehr ist teuer und hätte wenig Wirkung"

In einem Brief an die EU denkt die Bundesregierung über kostenlosen ÖPNV nach. Warum der Verkehrsexperte Andreas Knie das für eine schlechte Idee hält – und stattdessen auf Digitalisierung und Anreizsysteme setzt.

Herr Knie, die Bundesregierung erwägt, den Nahverkehr kostenlos anzubieten und so die Luft in den Städten zu säubern. Wie realistisch ist so ein Szenario?
Ziemlich unrealistisch. Ein kostenloser Nahverkehr ist teurer und hätte wenig Wirkung. Man kann ungefähr mit zehn bis 15 Milliarden Euro Mehrkosten pro Jahr rechnen. Und der Luft würde das gar nichts bringen. Denn die meisten Leute meiden den öffentlichen Nahverkehr nicht, weil er zu teuer ist.

Sondern?
Weil er viel zu kompliziert ist. Es gibt unzählige Tarifwaben, Ticketautomaten aus dem frühen 20. Jahrhundert, denen man für Metallgeld Papierstücke entlocken muss ohne zu wissen wie weit man damit kommt. Und dann sind die Bahn oder der Bus natürlich gerade nicht da, wenn man sie braucht. Das schafft Frust – und führt zu der Entscheidung, beim nächsten Mal lieber doch ins Auto zu steigen.

Der Preis für den ÖPNV ist also völlig egal?
Nein, das nicht, aber die aktuelle Höhe der Preise schreckt höchstens zehn Prozent der wechselbereiten Leute ab.

Was müsste man stattdessen tun, um die Leute in den Nahverkehr zu locken?
Man müsste den Verkehrsunternehmen Anreize setzen, mehr Leute zu befördern, das Produkt attraktiver zu machen. Konkret finanziert der Staat einen Grundbetrag – und den Rest müssten die Betriebe dann selbst verdienen. Heute werden lediglich rund 30 Prozent der Gesamtkosten über Fahrgeldeinnahmen gedeckt, das kann man steigern, wenn die Mehreinnahmen im Unternehmen verbleiben können und die Unternehmen neben Bussen und Bahnen auch Autos, Räder und alles andere anbieten können. Der Nahverkehr der Zukunft ist ein digital vernetzter Fuhrpark in einem Mix von individuellen und kollektiven Verkehrsmitteln.

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Das liefe aber dann auf höhere Preise hinaus.
Nein, gerade nicht. Mehr Kunden, die mehr Leistungen nachfragen, schaffen höhere finanzielle Spielräume. Und damit kann man wiederum attraktivere Preise gestalten.

Wie sähe das konkret aus?
In einer innovativen ÖPNV-Welt wird nur noch nach Entfernung und Zeit, vielleicht noch CO2-Ausstoß abgerechnet. Sie können die S-Bahn nehmen, aber auch ein E-Bike leihen oder ins Car-Sharing-Auto steigen. Egal, was Sie nutzen, eine App registriert ihren Weg, die genutzten Verkehrsmittel und berechnet dann den Preis. Mit so einem Modell könnte man durch flexible Angebote auch Überlastungen entgegenwirken. Es wird attraktiver nicht nur zwischen 6 und 9 Uhr zu fahren, sondern auch zu anderen Zeiten unterwegs zu sein.

Und für wie realistisch halten Sie so ein Szenario?
Leider ebenfalls für recht unrealistisch. Der ÖPNV ist in Deutschland noch immer in ein Regulierungskorsett aus den 30er Jahren gezwängt. Dieses Korsett heißt Personenbeförderungsgesetz. So lange wir das nicht grundlegend reformieren, wird sich nur wenig ändern.

KONTEXT

Zur Person

Andreas Knie

Andreas Knie ist Gründer und Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ). Der Sozialwissenschaftler und Verkehrsexperte ist seit 2010 Mitglied der Arbeitsgruppe Rahmenbedingungen der Nationalen Plattform Elektromobilität.