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Korruption, Konflikt, Krise: Müssen wir Afrika retten?

In Deutschland ist das Afrika-Bild nach wie vor von Armut und Chaos geprägt. Es wird Zeit für eine differenzierte Betrachtung Afrikas in jeder Hinsicht. Das Grundprinzip muss eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein.

 Foto: dpa
Foto: dpa

Das Bild, das sich die Deutschen von Afrika machen, ist nach wie vor geprägt von Armut und Chaos, man könnte auch von den verschiedenen, mindestens drei Ks sprechen: Korruption, Konflikt, Krise. In Filmen und Fotos aus Afrika sieht man ständig Klischees abgebildet, zum Beispiel ärmlich gekleidete junge Frauen auf Feldern mit Kindern auf dem Rücken oder bettelnde Kinder. Die Presse und viele Politiker arbeiten sehr intensiv an diesem Bild. Das deutsche Fernsehen zeigt in jüngster Zeit vermehrt selbstgedrehte Filme über Afrika – meist sind die Helden irgendwelche deutsche oder deutschstämmige Ärzte oder Farmer. Afrikaner lösen ihre Probleme im deutschen Fernsehen eher selten selbst.

Passend dazu hat sich eine ganze „Hilfsindustrie“ herausgebildet, die sich der „Rettung Afrikas“ widmet. Prominente reisen regelmäßig nach Afrika und lassen sich mit Kindern abbilden, die ihre Gäste dankbar ansehen. Dabei bedienen sie sich einer ausgesprochenen Leichtigkeit. Diese Darstellung vermittelt den Eindruck, dass es der ausländischen Berühmtheiten bedarf, um die Probleme Afrikas zu lösen. Diese Entwicklung hat in Afrika sowohl Zorn als auch Spott hervorgerufen. Und in der Tat mag sich mancher fragen, ob die Menschen in Afrika wirklich eine solch herablassende Behandlung verdient haben. Um es vorweg zu nehmen: natürlich nicht!

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Aber zunächst sollte man die Haltung hinter dieser Herablassung näher beleuchten. Sie zieht sich nämlich im Grunde durch nahezu sämtliche Formen der Entwicklungszusammenarbeit durch. Offizielle Entwicklungshilfe (ODA) richtet sich nach wie vor an den Vorstellungen der Geber aus, sie setzen regelmäßig die Agenda. Entsprechend niedrig ist die Effektivität der ODA, wie zahlreiche empirische Studien, darunter etliche sogenannte Meta-Studien zeigen. Meta-Studien fassen die Ergebnisse der empirischen Literatur nicht nur zusammen, sondern bewerten sie mit Hilfe empirischer Analysen genauer.

Das Ergebnis der sogenannten Aid Effectiveness Literature ist bedrückend – im Grunde ist das Geld – von wenigen Ausnahmen abgesehen – komplett versickert. Das heißt freilich nicht, dass man nicht im Falle von Naturkatastrophen oder einer Pandemie wie der gegenwärtigen helfen soll: Es wäre zum Beispiel sehr wichtig, auch afrikanische Bürger schnell zu impfen. Das hilft dort und nützt uns, wenn bald wieder Normalität einkehrt. Hierfür Mittel der Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, wäre sehr klug (und effektiv).

Neben der Entwicklungshilfe mit Zahlungsströmen gibt es weitere Formen, nämlich der technischen Zusammenarbeit, der Ausbildung und weiterer personeller Hilfe. Dabei fällt stellvertretend für andere Länder das Programm des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) besonders ins Auge, mit dessen Hilfe junge Deutsche in Entwicklungsländer entsandt wird, um dort als Freiwillige zu helfen. Das ist sicherlich sehr lehrreich für die jungen Menschen, aber niemand sollte glauben, dass sie einen ernsthaften Beitrag zur „Rettung Afrikas“ leisten können. Die entsprechende Website des BMZ vermittelt jedoch diesen Eindruck.

Schließlich darf das leidige Thema Lieferkettengesetz nicht unerwähnt bleiben. Die Bundesregierung ist zur Zeit noch nicht entschieden darüber, ob sie der deutschen Wirtschaft strafbewehrt vorschreiben soll, die Einhaltung von Menschenrechten, Umweltschutz oder sozialen Rechten entlang ihrer gesamten Lieferkette sicherzustellen oder zumindest sorgsam zu dokumentieren – während das BMZ sehr dafür zu sein scheint, ziert sich der Wirtschaftsminister zurecht.

Afrikanische Botschafter haben einer Pressemeldung des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft zufolge, dass sie sich selber in der Verantwortung für diese Themen sehen und zudem von der deutschen Wirtschaft keine Bedrohung für Menschenrechte ausginge. Afrikanische Studierende an der Friedrich-Schiller-Universität brachten ein solches Gesetz gar mit dem Kolonialismus vergangener Tage in Zusammenhang. Offenbar wird es in Afrika nicht völlig neutral betrachtet.

Die Europäische Union (EU) und andere Mitgliedsländer haben ähnliche Pläne wir das BMZ. Außerdem nehmen in den sogenannten Wirtschaftspartnerschaften (EPAs), die die EU mit den früheren Kolonien, den AKP-Staaten, vereinbart, Klauseln zu Menschenrechten, Umweltschutz, soziale Fragen und Gleichberechtigung großen Raum ein Auch hier drückt sich eine Überheblichkeit der Europäer gegenüber den afrikanischen Partnern aus; und zwar losgelöst von der Wichtigkeit und Richtigkeit der adressierten Themenkreise.

Es wird somit Zeit für eine differenzierte Betrachtung Afrikas in jeder Hinsicht. Das Grundprinzip muss eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein. Es ist zudem einigermaßen absurd, einerseits immer wieder auf die Untaten in der Kolonialzeit hinzuweisen und sich andererseits derart ungeniert über die afrikanischen Bürger und ihre Regierungen zu stellen. Offenbar wurde doch nicht viel aus der Kolonialzeit gelernt.

Fest steht außerdem: Der Kontinent ist in den vergangenen zwei Dekaden schneller gewachsen als jeder andere Kontinent – zugegeben mit großen internen Unterschieden. Vor der Coronakrise waren die Länder recht erfolgreich mit der Armutsbekämpfung und dem Aufbau einer Mittelschicht. In vielen Ländern gibt es erfolgreiche und sehr innovative Unternehmen; die Digitalisierung scheint zum Teil weiter vorangeschritten zu sein als hierzulande. Die Gründung der kontinentalen Freihandelszone AfCFTA, der hinsichtlich Anzahl der Mitglieder größten Freihandelszone der Erde, bietet Potential für die Mitgliedsländer, aber auch für die Unternehmen aus der EU.

Insgesamt ist Afrika heute der Chancenkontinent. Genauso sollten ihm die Europäer und die Deutschen begegnen. Entwicklungszusammenarbeit sollte deshalb auf die wirtschaftlichen Chancen und nicht auf ein hierzulande wahrgenommenes, aber so in der Realität nur selten beobachtetes Elend ausgerichtet werden. Vielleicht sollte das Konzept der Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich überdacht und in normale diplomatische Beziehungen umgewandelt werden. Unsere eigene Arroganz kostet nicht nur Sympathien in Afrika, sondern auch unsere Selbstachtung – und ganz profan – Einkommenschancen für unsere Unternehmen und Beschäftigten. Denn wenn wir die Chancen nicht nutzen, werden wir am meisten verlieren. Afrika wartet nicht und muss von uns nicht gerettet werden!

Mehr zum Thema: Entwicklungsminister Müller will den Onlinehandel in Afrika mit der Deutschen Post DHL fördern. Der Konzern will afrikanischen Unternehmen dabei helfen, ihre Produkte billiger zu transportieren.