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Er kopierte eine berühmte Marketing-Methode und wurde damit erfolgreich

„Es macht mir große Freude, das Lebenswerk meiner Eltern fördern zu können“, sagt Raoul Bracht, der Geschäftsführer von Liebscher & Bracht.
„Es macht mir große Freude, das Lebenswerk meiner Eltern fördern zu können“, sagt Raoul Bracht, der Geschäftsführer von Liebscher & Bracht.

Als Teenager ging Raoul Bracht lieber Kitesurfen, statt die Schulbank zu drücken. Das konnte er, weil seine Eltern mit ihm und seinem Bruder von Frankfurt nach Spanien umgezogen waren, an die südlichste Spitze Kontinentaleuropas. In dem andalusischen Fischerdorf Tarifa war der Wind zum Kiten zwar brauchbar, er aber fühlte sich wie ein Außenseiter. Er konnte weder fischen, noch Spanisch sprechen. Später, an der Uni, war es ähnlich: Studieren passte nicht zu ihm. Er brach den ersten von vier Studiengängen sogar schon nach der Einführungs-Vorlesung ab. Und einer Karriere in der Finanzwelt kehrte er nach einem kurzen Praktikum in einer Wiener Bank den Rücken.

Stattdessen entschloss er sich, seinen Eltern Roland Liebscher-Bracht und Petra Bracht zu helfen. Die beiden hatten eine Schmerztherapie entwickelt, schafften es aber nicht, genügend Menschen von ihrer Behandlungsweise zu überzeugen. Raoul machte es sich zur Aufgabe, die Idee seiner Eltern in ein funktionierendes Unternehmen auszubauen.

Er versuchte vieles, auch Marketing-Methoden, die zunächst kontraintuitiv schienen: Unter anderem bot er Videos mit Ausschnitten der Therapie-Methode kostenlos auf Facebook und Youtube an.

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Mit Erfolg: Heute ist der Kanal von Liebscher & Bracht mit 1,56 Millionen Abonnenten der größte Medizinkanal Deutschlands, jeden Monat gibt es auf YouTube zehn Millionen Aufrufe. Die Bücher zur Methode werden regelmäßig Spiegel-Bestseller und Liebscher & Bracht schulen heute tausende Ärzte und Therapeuten in ihrer Methode. Raouls Team umfasst nicht mehr nur seine Eltern und eine Buchhalterin, sondern 150 Mitarbeiter.

Im großen Flashback-Interview erzählt uns der Jungunternehmer, was ihn als neuer Chef anfangs am meisten schockierte und von wem er sich seine Tricks fürs Marketing abschaute.

Raoul, wann hast du dich entschieden, alles an den Nagel zu hängen, um deinen Eltern zu helfen?

Das war während meines vierten Versuchs eines Studiums. Damals habe ich im vierten Semester ein Praktikum in einer Bank in Wien gemacht.

Die meisten meiner Studienkollegen wollten ins Banking oder die Beratung und auch ich spürte, wie die anderthalb Jahre an der Business Uni auf mich abzufärben begannen. Denn ich war drauf und dran, einen Job zu machen, der eigentlich nicht zu mir passte.

Das habe ich bei dem Praktikum in der Bank letztlich auch genau gespürt und zwei Dinge verstanden. Erstens: Ich will niemals so ein Leben führen. Und zweitens: Da wird auch nur mit Wasser gekocht. Noch am selben Abend habe ich meinen besten Freund angerufen und ihm mitgeteilt: „Ich breche ab. Und werde aus der von meinen Eltern entwickelten Therapie ein Unternehmen aufbauen.”

Wer hat dich bei der Entscheidung unterstützt?

Ich habe die Entscheidung alleine getroffen und musste sie nur noch verkünden. Meine Eltern haben sich riesig gefreut – zum Glück! Denn als ich es ihnen erzählt habe, gab es kein zurück mehr: Ich hatte mich schon exmatrikuliert.

Was kam dann auf dich zu?

Eigentlich gab es nur ein Problem: Die Ohnmacht, als ich mich entschied, Unternehmer zu werden. Wenn es keinen Weg mehr zurück gab und ich dann mit der Realität konfrontiert wurde.

In den ersten Tagen habe ich stundenlang mein Outlook aktualisiert – immer in der Hoffnung auf eine Notification, dass sich wieder ein Therapeut für die Ausbildung angemeldet hat, damit etwas Geld zur Verfügung steht. Schließlich mussten ja Rechnungen bezahlt werden. (Damals war Liebscher & Brachts einzige Einnahmequelle über Therapeuten, die sich für die L& B Ausbildung anmeldeten, Anm. d. Red.)

Kannst du dich an einen besonders schwierigen Moment erinnern?

Ich erinnere mich an diesen einen Samstag. In den Tagen zuvor startete eine Post-Kampagne von uns, für die ich mühsam das Geld zusammengekratzt hatte, um Menschen auf unsere Vorträge aufmerksam zu machen. Über solche Kampagnen hatten wir damals unsere Ausbildungen verkauft. Ich lief also am darauffolgenden Samstag ins Büro und schickte auf dem Weg dorthin 30 Minuten lang Stoßgebete in den Himmel: Das Faxgerät möge bitte voll mit Anmeldungen sein. Und wieviele waren es am Ende? Null!

Dieses Gefühl der Ohnmacht zu überwinden und sich anzutrainieren, einfach trotzdem weiterzumachen, egal was kommt. Das war die größte Hürde. Sie wurde aber auch mein größtes Learning. Bis heute ist das eine meiner größten Stärken: Ich lasse mich nicht aufhalten, komme was wolle.

Gab es in deiner Kindheit schwierige Momente?

Der prägendste Moment war sicher, in die spanische Schule eines kleinen Fischerdorfes zu kommen, ohne ein Wort Spanisch zu sprechen. Das war ein Kampf, den mein Bruder und ich jeden Tag aufs Neue zu bestreiten hatten. Da war Durchsetzungsvermögen gefragt! Jeden Tag zu spüren, dass du ein Fremder bist und nie wirklich einer von ihnen sein wirst – das hat dafür gesorgt, dass ich später immer mein eigenes Ding gemacht habe. Und zwar nicht im Sinne einer Rücksichtslosigkeit gegenüber meinem Umfeld, sondern dass ich mich auf meine innere Stimme verlasse und zu meiner eigenen Haltung und meinen Werten stehe.

Was war denn als Kind dein Traumjob?

Ich weiß noch, wie ich oft Bilder von Windsurfern gemalt habe. Als Fünfjähriger saß ich damals stundenlang am Strand und habe den Erwachsenen bei Starkwind zugeschaut. Wahrscheinlich habe ich davon geträumt, professioneller Windsurfer zu werden – so wie Robby Naish. Übrigens ja einer der wenigen Sportler, die aus ihrem Namen ein wirklich großes Unternehmen gebaut haben, das letztlich unabhängig von seiner sportlichen Leistung und von ihm funktioniert.

Wie kamst du auf die Idee, die Videos mit Methoden deines Vaters umsonst auf Youtube anzubieten?

Durch eine Google-Suche bin ich auf den Youtube-Vortrag „Being a Content Marketing animal” von Gary Vaynerchuck gestoßen, den ich mir danach immer wieder und wieder „reingezogen” habe. Weil das für mich alles so unglaublich schlüssig war, begann ich damit, Liebscher & Bracht auf Basis dieser Philosophie aufzubauen – und habe mir in den Jahren danach all seine Videos mindestens drei Mal angeschaut.

Wie genau funktionierte das Prinzip bei Liebscher & Bracht?

Wer Vanyerchuck kennt, weiß, dass sein erstes Business darin bestand, über Youtube den Weinhandel seines Vaters zu einem Online-Versand mit über 60 Millionen Dollar Jahresumsatz zu machen. Am Anfang habe ich seine Tipps und Erfahrungen einfach mehr oder weniger kopiert: Erst den Youtube-Kanal gestartet und E-Mail-Verteiler aufgebaut, dann mit Vollgas in die Kraft von Facebook-Ads – als sie noch extrem günstig waren – investiert und schließlich Spiegel-Bestseller-Bücher auf den Markt gebracht. Und dabei immer seine Philosophie verfolgt, dass Branding wichtiger ist, als der kurzfristige Sale. Rückblickend muss man einfach sagen: Es hat funktioniert.

Hast du dich in den Jahren bei Liebscher & Bracht verändert?

Ich war ein Kind. Ich habe das Gefühl, dass ich erst durch die letzten Jahre als Unternehmer erwachsen geworden bin. Wie ein Träumer, der durch den oft harten Unternehmer-Alltag mit all seinen Herausforderungen, Rückschlägen und Erfolgen in der Realität aufgewacht ist. Aber ehrlich gesagt, vermisse ich inzwischen dieses naive kindliche Träumen. Mal sehen, ob ich einen Weg finde, es wieder mehr für mich zu entdecken und auch zuzulassen. Dieses ständige „Zerdenken” der Dinge und das „Realisten-Dasein,” wie ich es nenne, sind nicht wirklich entspannend.

Wie würde deine beste Freundin oder dein bester Freund dich in einem Satz beschreiben?

Freundschaften sind mir extrem wichtig. Sie geben Kraft und fühlen sich nach zuhause an. Freundschaften bedeuten absolute Loyalität und bedingungsloses Vertrauen. Und das erfährt man nur mit einer Handvoll Menschen. Es gibt zwei Dinge, die mir meine Freunde immer wieder spiegeln. Erstens: Ich bin irgendwie anders, meine Entscheidungen sind immer überraschend, niemand sieht sie kommen. Und zweitens: Es bereitet ihnen ein gutes Gefühl, mit mir befreundet zu sein, weil sie wissen, dass sie sich auf mich zu 1.000 Prozent verlassen können.

Welchen Rat würdest du anderen Jungunternehmern geben?

Zwei Tipps hätte ich. Erstens: Suche dir Menschen, die dich auf deinem Weg begleiten und von deren Erfahrung du profitierst und lernst. Aber sei dabei pragmatisch! Höre nur auf diejenigen, bei denen du überprüfen kannst, dass sie das, was du suchst, schon mal erfolgreich gemacht haben. Denn: Talk is cheap.


Zweitens: Man hört es überall und es kommt auch mir inzwischen zu den Ohren raus, aber ich glaube, jeder Unternehmer hat es schon erlebt und weiß: Das Geheimnis liegt im Machen. Machen, machen, machen. Nachdenken ist gut, aber zerdenken ist schlecht. Ein rudimentärer Plan reicht, und dann mit Vollgas aufs Umsetzen konzentrieren. Am Ende kommt es ohnehin immer anders, als man denkt.

Wenn du die Uhr zurückdrehen könntest, würdest du beim Aufbau von Liebscher & Bracht irgendetwas anders machen?

Ich würde eine Sache definitiv anders angehen: direkt die allerbesten Mitarbeiter an Bord holen. Denn was ist ein Unternehmen? Es sind die Menschen, die darin arbeiten. Hat man ein mittelmäßiges Team, wird der Erfolg mittelmäßig sein. Hat man jedoch ein Top-Team, wird man Top-Ergebnisse erzielen.

Ich würde also HR viel früher zum Herz des Unternehmens machen. Selbst heute habe ich noch das Gefühl, dass HR für die meisten Unternehmer eine reine Verwaltungsstelle bzw. ein Kostenblock darstellt. Für mich ist es der Motor eines Unternehmens, der entscheidet, ob ich die besten Leute gewinne und sie mich Jahre oder idealerweise Jahrzehnte lang begleiten.