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Warum Konzerne wie Evonik und Lanxess der Konjunkturflaute trotzen

Die Chemiebranche spürt starken Gegenwind. Die Spezialisten halten aber mit insgesamt stabilen Ertragsprognosen den Kurs fürs Gesamtjahr.

Für die europäische Chemieindustrie hat sich das Konjunkturumfeld im ersten Halbjahr spürbar eingetrübt. Aber die Entwicklung trifft längst nicht alle Akteure so heftig wie die Branchenschwergewichte BASF oder Covestro, die mit hohen zweistelligen Ertragseinbußen kämpfen.

Das machten jetzt die Halbjahreszahlen etlicher Spezialchemie-Hersteller deutlich. Auch sie werden von der Konjunkturabkühlung und den Schwächen der Autoindustrie gebremst, können sich im schwachen Umfeld insgesamt aber deutlich besser behaupten. Etliche Konzerne stellen für das Gesamtjahr stabile bis leicht steigende Erträge in Aussicht.

Als vorerst letzter Branchenvertreter bestätigte am Freitag auch der Kölner Chemiekonzern Lanxess den gespaltenen Trend in der Chemiebranche. Während die operativen Erträge bei der BASF im Halbjahr um 45 Prozent und bei Covestro sogar um fast 70 Prozent schrumpften, verbuchte Lanxess im ersten Halbjahr bei stabilem Umsatz von 3,6 Milliarden Euro nur einen vergleichsweise moderaten Rückgang des Betriebsgewinns um ein Zehntel auf 282 Millionen Euro.

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Das bereinigte Betriebsergebnis vor Abschreibungen (Ebitda) konnte der Konzern auf Vorjahresniveau behaupten, den Reingewinn sogar leicht auf 184 Millionen Euro verbessern. Schon Anfang Juli hatte der Konzern seine Jahresprognose, die ein stabiles Ebitda von gut einer Milliarde Euro vorsieht, bestätigt.

Firmenchef Matthias Zachert hat das jetzt weiter bekräftigt. „Die Konjunkturrisiken nehmen sicher zu, und wir sehen keine Verbesserung in der Autoindustrie“, räumte er am Freitag ein. Das zweite Quartal habe indessen gezeigt, dass sich die Transformation des Konzerns auszahle.

Durch den Rückzug aus dem Kautschuk-Geschäft hatte Lanxess in den letzten Jahren seine Abhängigkeit von der Autoindustrie deutlich verringert und gleichzeitig andere Spezialchemie-Segmente durch Akquisitionen ausgebaut, so unter anderem durch die Übernahme der US-Firma Chemtura.

Drei von vier Konzernsegmenten konnten daher im ersten Halbjahr ihre Erträge halten oder verbessern. Lediglich das Kunststoffgeschäft von Lanxess litt unter der schwachen Automobilnachfrage.

Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Essener Evonik-Konzern, der für das erste Halbjahr einen operativen Gewinnrückgang um 17 Prozent auf 655 Millionen Euro meldete, bei einem nahezu stabilen Umsatz von 6,6 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn vor Abschreibungen (Ebitda) lag lediglich um sechs Prozent unter Vorjahr.

Zunehmend schwieriges Umfeld

Und anders als der Branchenführer BASF, der seine ursprüngliche Ertragsprognose drastisch revidieren musste und nun bis zu 30 Prozent Ertragsrückgang erwartet, bestätigte auch das Evonik-Management das bisherige Gewinnziel für das Gesamtjahr. Der Essener Konzern geht danach weiterhin von einem „mindestens stabilen“ Ebitda und einem deutlich verbesserten Free-Cashflow aus.

„Wir liefern in einem zunehmend schwierigeren Umfeld“, bekräftigte Finanzchefin Ute Wolf die Zuversicht im Analysten-Call. Im vergangenen Jahr hatte Evonik in vergleichbarer Struktur 2,15 Milliarden Euro Ebitda erzielt und gut 670 Millionen Euro an frei verfügbaren Mitteln im operativen Geschäft erwirtschaftet.

Ähnlich äußern sich einige andere Spezialchemiekonzerne. Die französische Arkema etwa verzeichnete im ersten Halbjahr bei stabilem Umsatz einen operativen Gewinnrückgang von rund elf Prozent. Für das Gesamtjahr stellt der Hersteller von Klebstoffen, Lack-Rohstoffen und Industriechemikalien ebenfalls ein stabiles Ebitda in Aussicht.

Die niederländische DSM, ein Hersteller von Nahrungsmittelzusätzen, Pharmavorprodukten und Spezialkunststoffen, weist für das erste Halbjahr zwar einen Umsatzrückgang um fünf Prozent auf 4,6 Milliarden Euro und einen Rückgang des Ebitda um 18 Prozent auf 862 Millionen Euro aus.

Allerdings hatte der Konzern im vergangenen Jahr sehr stark -vom vorrübergehenden Ausfall der Vitamin-E-Produktion bei etlichen Konkurrenten profitiert. Klammert man diesen Effekt aus, hat sich das operative Ergebnis laut DSM um gut ein Zehntel und der Umsatz um drei Prozent verbessert.

Firmenchef Feike Sijbesma spricht daher von einem „guten Ergebnis in herausforderndem Umfeld“ und bestätigte ebenfalls die bisherige Gewinnprognose für das Gesamtjahr. Die sieht eine Steigerung des vergleichbaren Ebitda um einen hohen einstelligen Prozentsatz vor.


Wacker ist eine negative Ausnahme

Noch günstiger sehen die Zahlen des niederländischen Farbenherstellers Akzo aus, der bei stabilem Umsatz für das erste Halbjahr eine Verbesserung seines operativen Gewinns um rund 25 Prozent meldete.

Die belgische Solvay wiederum verbuchte bei leichtem Umsatzwachstum im ersten Halbjahr ein nahezu stabiles Ebit von gut 800 Millionen Euro und stellt auch für das Gesamtjahr eine in etwa stabile Ertragskraft in Aussicht.

Eine negative Ausnahme im vergleichsweise robusten Trend der Spezialchemie-Anbieter ist der Münchner Silikon- und Silizium-Spezialist Wacker, der von einem starken Margenverfall bei Solarsilizium getroffen wurde und daher für das erste Halbjahr jetzt bei nahezu stabilem Umsatz von 2,5 Milliarden Euro einen Rückgang des Betriebsgewinns (Ebit) um gut 70 Prozent auf 71 Millionen Euro und des Ebitda um ausweisen musste.

Immerhin hat sich dabei die Situation gegenüber dem besonders schwachen Jahresauftakt im zweiten Quartal wieder gebessert. Für das Gesamtjahr bleibt Wacker bei der Prognose eines Ebitda-Rückgangs um zehn bis 20 Prozent. Allerdings werde man dabei eher am unteren Ende der Spanne liegen, heißt es im am Donnerstag vorgelegten Zwischenbericht.

Insgesamt jedoch erweisen sich die europäischen Spezialchemie-Konzerne als vergleichsweise widerstandsfähig gegenüber dem aktuellen konjunkturellen Gegenwind. Vor allem zwei Faktoren spielen dabei eine Rolle: Anders als BASF oder Covestro sind diese Konzerne weniger stark in schwankungsanfälligen Geschäften wie Polyurethanen und Basischemikalien engagiert, die aktuell unter Überkapazitäten und besonders starkem Preisdruck leiden. Auch die Abhängigkeit von der Autoindustrie ist überwiegend geringer.

Viele Konzerne ändern ihre Struktur derzeit tiefgreifend

Positiv wirken darüber hinaus offenbar auch die umfangreichen Restrukturierungen und Portfoliobereinigungen der zurückliegenden Jahre. Die Firmen haben in diesem Zuge ihre Abhängigkeit von Standardprodukten verringert, die Ausrichtung auf stabilere Segmente wie Ernährung und Gesundheit verstärkt und Kostenstrukturen verbessert.

Ähnlich wie Lanxess haben auch etliche andere Konzerne ihre Struktur durch Übernahmen und Desinvestitionen stark verändert. Solvay trennte sich von Geschäftsfeldern wie PVC und Polyamiden und übernahm stattdessen unter anderem den US-Chemiespezialisten Cytec einen Hersteller von speziellen Verbundmaterialien und Chemikalien für die Ölindustrie.

Akzo verkaufte ihr umfangreiches Industriechemikalien-Geschäft an den Finanzinvestor Carlyle, der diese nun unter dem Namen Nouryon als eigenständiges Unternehmen führt.

Evonik wiederum verstärkte sich 2017 mit der Übernahme des Additiv-Geschäfts von Air Products und dem Kauf des Silikat-Geschäfts von Huber. Im Gegenzug trennte sich der Essener Konzern von seiner Sparte Methacrylate (Plexiglas). Sie wurde jetzt für drei Milliarden Euro inklusive der mit veräußerten Pensionsverbindlichkeiten an den Finanzinvestor Advent verkauft.

Nach Abzug von Steuern dürften Evonik damit netto etwa zwei Milliarden Euro zugeflossen sein, die der Konzern nun zur Entschuldung und für weitere ergänzende Akquisitionen nutzen kann. Strategisch sei man damit bei der Ausrichtung auf Spezialchemie ein gutes Stück vorangekommen, zeigt sich Firmenchef Christian Kullmann überzeugt. „Damit wird Evonik weniger anfällig für konjunkturelle Schwankungen.“