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Konkurrierende Privatsender verbünden sich im Werbegeschäft

Deutschlands größte Privatsender machen gemeinsame Sache: Die Mediengruppe RTL Deutschland und Pro Sieben Sat 1 werden Werbekunden künftig individualisierte TV-Reklame über eine einheitliche Plattform anbieten. Dafür gründen die beiden Medienkonzerne ein Joint Venture, an dem sie jeweils die Hälfte der Anteile besitzen. Das teilten beide Firmen am Mittwochabend mit.

Damit wollen die TV-Sender Werbeumsätze von den amerikanischen Tech-Konzernen zurückholen. Google, Facebook und zunehmend auch Amazon erlösen Milliardenumsätze mit personalisierter Reklame. An den Fernsehsendern geht das Geschäft bislang praktisch komplett vorbei.

Das wollen die Deutschen ändern. Über die neue Plattform können die Werbetreibenden ihre Aufträge für das sogenannte Addressable TV sowie für Internetvideos bei beiden Sendergruppen automatisiert buchen. Das Bundeskartellamt muss dem Vorhaben der beiden Konkurrenten noch zustimmen.

Mit diesem Vorstoß kämen RTL und Pro Sieben Sat 1 einer Forderung der Werbekunden nach, sagte Matthias Dang, Chef von IP Deutschland, der Vermarktungstochter von RTL. Vor allem der Branchenverband OWM fordert einen einheitlichen Standard für personalisierte TV-Werbung.

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Die technologische Basis der neuen Partnerschaft ist die Plattform Active Agent, die Teil der zur Pro Sieben Sat 1 Group gehörenden Virtual Minds Gruppe ist. „Alle relevanten Sender, die den Standard HBB-TV anbieten, sind daran angebunden“, meinte Dang. Weitere Sender seien willkommen, sich anzuschließen.

RTL und Pro Sieben sehen sich gegenüber den Internetkonzernen jetzt im Vorteil. Denn sie könnten beides anbieten: reichweitenstarke Werbung auf den Fernsehbildschirmen und daneben individualisierte Spots.

„Die TV-Werbung wird dadurch noch wertvoller“, sagte Thomas Wagner, Chef von Seven One Media, der Vermarktungssparte von Pro Sieben Sat 1. Der Manager ist überzeugt, dass die TV-Sender Umsatz gewinnen können. „Wir wollen neue Potenziale erschließen und streben auch mehr Geschäft mit dem Mittelstand an.“

Für die TV-Sender ist die personalisierte Werbung enorm wichtig. Denn das Geschäft mit der klassischen Reklame stagniert. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass die Konzerne für einen zielgerichtet ausgestrahlten Spot das Zwei- oder Dreifache verlangen können.

Individuelle Werbeblocks bereits getestet

Noch sind die Umsätze mit personalisierter TV-Werbung in Deutschland allerdings überschaubar: Beide Vermarktungsfirmen setzen damit nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr um. Aber die Fantasie ist groß: Bis 2022 werde der Markt für Addressable TV und Onlinevideo in Deutschland voraussichtlich im einstelligen Milliardenbereich liegen, heißt es.

Aktuell sind rund 18 Millionen TV-Geräte im deutschsprachigen Raum für individualisierte Werbung erreichbar. Bei den deutschen TV-Sendern liefen in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Testkampagnen über den Bildschirm. So konnten Automarken beispielsweise in ihre Spots die Adressen der Händler vor Ort einblenden.

Oder die Zuschauer öffneten per Fernbedienung ein Menü mit weiteren Informationen, zum Beispiel zu Läden in der unmittelbaren Umgebung. Bei Pro Sieben nutzen Zuschauer den sogenannten „Red Button“, einen roten Knopf auf der Fernbedienung. So stoßen sie auf Internetseiten, die Spezialisten für den Fernseher optimiert haben.

Die Zuschauer bekommen von den komplexen technischen Abläufen im Hintergrund nichts mit. So ist für Besitzer eines dafür geeigneten Geräts die personalisierte Reklame zu sehen, während alle anderen herkömmliche Werbung betrachten. Nach Ende des individuellen Werbeblocks ist das Programm für alle wieder dasselbe.

Erklärtes Ziel der TV-Konzerne ist es, ein Gegengewicht zur individuellen Werbung der großen US-Konzerne zu schaffen. Drei Blöcke sind es, mit denen die deutschen TV-Macher um die Werbekunden konkurrieren.

Erstens Google und sein Videodienst Youtube, zweitens Facebook und dessen Fotoplattform Instagram, drittens die Reklame auf Amazon. Vor allem der amerikanische Onlinehändler bereitet den Medien Kopfzerbrechen, da er am Kaufprozess der Konsumenten am dichtesten dran ist. Amazon baut die eigene Werbeabteilung konsequent aus.

Die Tech-Konzerne setzen vor allem auf die direkte Kundenansprache. In dieses Feld wollen Dang und Wagner nun auch stärker einsteigen. Die Daten, die die Zuschauer hinterlassen, sollen es möglich machen.

Die TV-Stationen stehen schwer unter Druck. Im ersten Quartal gingen die Einnahmen aus TV-Reklame bei Pro Sieben Sat 1 um vier Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 478 Millionen Euro zurück. Der Umsatz mit digitaler Werbung und neuer, personalisierter TV-Reklame kletterte zwar um 14 Prozent, doch das Volumen ist mit 30 Millionen Euro bescheiden. Die Gruppe sieht den eigenen Anteil an der Fernsehwerbung hierzulande bei knapp 50 Prozent.

Ein ähnliches Bild gibt es bei der RTL Group. Im ersten Quartal sank der Umsatz mit TV-Werbung um zwei Prozent. Die TV-Werbeeinnahmen tragen noch zu 45 Prozent zum Konzernumsatz der Luxemburger bei.

Die Deutschen verbringen nach wie vor viel Zeit vor dem Fernseher, wenden sich aber zunehmend anderen Diensten wie Netflix zu. 249 Minuten waren es laut AGF Videoforschung im ersten Quartal pro Tag – immerhin 13 Minuten weniger als im Vorjahr.
Die Zusammenarbeit der beiden konkurrierenden Medienhäuser hat allerdings auch ihre Grenzen. In den RTL-Werbeverbund Ad Alliance, dem kürzlich Axel Springer beigetreten ist, will Pro Sieben nicht einsteigen.

Mehr: Das Tochterunternehmen des US-Medienkonzerns Viacom bietet einen kostenfreien TV-Streamingdienst an. In Deutschland soll das Angebot jetzt ausgebaut werden.