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Konkurrenten reichen nächste Klage gegen Megadeal von RWE und Eon ein

Elf Versorger greifen die Freigabe der Großfusion durch die EU-Kommission vor Gericht an. Sie kritisieren die Marktmacht von Eon und RWE scharf.

Die Übernahme von Innogy ist abgeschlossen – es gibt aber neuen juristischen Ärger. Foto: dpa
Die Übernahme von Innogy ist abgeschlossen – es gibt aber neuen juristischen Ärger. Foto: dpa

Nach ihrem milliardenschweren Tauschgeschäft haben sich Eon und RWE längst neu aufgestellt. Elf Konkurrenten aus Deutschland wollen sich aber noch immer nicht geschlagen geben. Gegen die Freigabe des Deals durch die EU-Kommission haben sie jetzt beim Europäischen Gericht (EuG) in Luxemburg jeweils eine zweite Nichtigkeitsklage eingereicht. Das erfuhr das Handelsblatt aus Kreisen der Kläger.

Die Unternehmen beklagen sich über die Marktmacht von Eon und RWE, die Einschränkung des Wettbewerbs – und vor allem die negativen Folgen für die Verbraucher. Sie wollen bessere Konditionen herausholen. In einem extremen Szenario droht den beiden Energiekonzernen nun sogar die Rückabwicklung ihrer Fusion.

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Eon und RWE sehen die Klagen zwar gelassen. Unter den Klägern sind aber einige der mächtigsten deutschen Regionalversorger wie Mainova aus Frankfurt, Teag aus Thüringen, Enercity aus Hannover und die Leipziger Stadtwerke, aber auch der Ökostromanbieter Naturstrom.

Die neue Klage, die am Freitag beim Gericht der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg eingereicht wurde, richtet sich dieses Mal gegen die Freigabe von Eons Teil der Transaktion. Die Kläger sehen bei der Entscheidung formelle und materielle Mängel.

Eon hatte im Herbst 2019 die RWE-Tochter Innogy mit den Sparten Netz und Vertrieb übernommen. Der Konzern war damit in die Spitzengruppe der europäischen Versorger aufgestiegen, versorgt seitdem europaweit rund 50 Millionen Kunden mit Strom und Gas und betreibt ein Energienetz mit einer Länge von rund 1,5 Millionen Kilometern.

RWE hatte sich im Gegenzug das Geschäft mit erneuerbaren Energien von Innogy einverleibt, aber auch die Wind- und Solaranlagen von Eon übernommen. Der Stromproduzent, dessen Atomkraftwerke schon bald und dessen Kohlekraftwerke nach und nach vom Netz müssen, positionierte sich damit als neuer starker Spieler bei den Erneuerbaren. Zudem erhielt RWE unter anderem eine Beteiligung an Eon von 16,7 Prozent.

Gegen die Übernahme der Erzeugungsaktivitäten durch RWE hatten die elf Kläger schon im vergangenen Mai eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Da Eons Part später genehmigt worden war und die EU-Kommission sich mit der Veröffentlichung der Begründung ungewöhnlich lange, bis zum 10. November 2020, Zeit ließ, konnte der zweite Teil erst jetzt eingereicht werden.

„Wir schätzen die Freigaben der Europäischen Kommission als grundsolide ein, denn diese wurden nach einem sehr sorgfältigen und entsprechend langwierigen und intensiven Verfahren erteilt“, erklärte Eon am Freitag nach Bekanntwerden der zweiten Klage: „Wir gehen davon aus, dass diese Freigaben Bestand haben werden.“

RWE hatte damals, im Mai, sehr entspannt reagiert. Auch Eon-Chef Teyssen hatte die Bemühungen der Konkurrenten immer abgetan. „Wir messen diesen Klagen, wenn überhaupt, äußerst geringe Erfolgsaussichten zu“, sagte er auf der letzten Hauptversammlung, als kurz zuvor die erste Klage bekannt geworden war.

Tatsächlich konnte schon die erste Klage den Zeitplan der Transaktion nicht aufhalten. Nach RWE hat auch Eon die Übernahme der Aktivitäten abgeschlossen und Innogy integriert. Trotzdem birgt die neue Klage ein Risiko. Bei einem Erfolg müsste die EU-Kommission die Freigabe neu prüfen, könnte weitere Auflagen verhängen und im schlimmsten Fall eine Rückabwicklung des Deals anordnen.

Dieses Recht wird Konkurrenten bei einer Fusion nach Artikel 263 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eingeräumt. Mit solchen Nichtigkeitsklagen soll geprüft werden, ob ein Organ der EU rechtmäßig gehandelt hat.

Die Kläger greifen die Freigabe zum einen wegen angeblich förmlicher Mängel an. Sie kritisieren, dass die EU-Kommission nicht ausreichend ermittelt und ihre Entscheidung nicht ausreichend begründet habe. Dabei kritisieren die Kläger, dass die Verfahren überhaupt aufgeteilt wurden. Für sie handelt es sich um eine einheitliche Transaktion, deren Auswirkung gesammelt hätte geprüft werden müssen.

Eon-Chef Teyssen hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen

Nach Auffassung der Kläger ist die Entscheidung aber auch sachlich fehlerhaft. Sie verkenne, dass im Ergebnis in den betroffenen Bereichen Vertrieb, Netz und innovatives Energiegeschäft „wirksamer Wettbewerb erheblich behindert“ werde. Das gelte vor allem für die Belieferung von Kunden mit Strom und Gas in Deutschland.

Eon-Chef Johannes Teyssen hatte den Vorwurf schon im Genehmigungsprozess scharf zurückgewiesen. Er betonte unter anderem die Vielzahl an Stromanbietern, unter denen die deutschen Stromkunden auswählen könnten.

Die EU-Kommission sah das ähnlich und erließ nur milde Auflagen für Deutschland. In Deutschland musste der Konzern sein Geschäft mit Heizstromkunden aufgeben und 34 Stromladesäulen an Autobahnen abgeben. RWE hatte die Freigabe sogar ohne jegliche Auflage bekommen.

Die Konkurrenten sehen das jedoch anders. Eon habe in Deutschland das Portfolio an Kunden durch die Übernahme von Innogy auf 13,8 Millionen mehr als verdoppelt, begründen sie ihre Klage. Eon sei nach der Fusion in 6425 und damit rund 60 Prozent der deutschen Gemeinden der teilweise oder vollständige Grundversorger für Strom. Bei Gas seien es 2662 Gemeinden beziehungsweise 25 Prozent.

Die neue Eon könne ihre Position durch die Fusion perfekt absichern und ausbauen, heißt es weiter. Zum einen fehle es an Konkurrenten auf Augenhöhe. Zum anderen beherrsche Eon auch den Internetvertrieb.

Mit rund 850 Beteiligungen an deutschen Energieunternehmen sowie dem Zugriff auf 160 verschiedene Strommarken und 840 Stromtarife könne sich Eon fast in allen Postleitzahl-Gebieten bei der Preissuche im Internet unter den vorderen Anbietern platzieren. Dabei könne Eon auf einen „enormen Datenreichtum und Datenwissen“ zurückgreifen.

Gleichzeitig beherrsche Eon auch die Verteilnetze, argumentieren die Kläger. Eon komme mit den Beteiligungen auf 50 Prozent des Strom- und 20 Prozent des Gasverteilnetzes. Eon habe bei Strom 5700 Konzessionen, die zum Betrieb eines Netzes berechtigen, und bei Gas 2200. Damit verfüge der Konzern über eine „überwältigende Präsenz in der Fläche“.

Die dominante Position im Vertrieb und bei den Netzen bringe Eon zudem die Energiedaten von Millionen deutscher Haushalte, argumentieren die Kläger. Dieser „Datenschatz“, den sonst kein deutscher Konkurrent erlangen könne, eröffne Eon „alle Möglichkeiten zur Entwicklung von innovativen Geschäften“ – beispielsweise bei der Elektromobilität, Smarthome-Produkten oder Photovoltaikangeboten.

Die Nichtigkeitsklagen dürfte die EU-Kommission, Eon und RWE noch lange beschäftigen. Für die Kommission sind solche Klagen nicht ungewöhnlich. Eine prominente Nichtigkeitsklage gibt es aktuell im Telekommunikationsbereich: Die drei deutschen Netzbetreiber Telekom, Netcologne und Tele Columbus haben eine Klage gegen die Freigabe der Fusion von Vodafone und Unitymedia eingereicht.

Im März 2018 gaben die Chef von Eon, Johannes Teyssen (links), und RWE, Rolf Martin Schmitz, ihr Tauschgeschäft bekannt. Die EU-Kommission genehmigte es. Konkurrenten wollen das aber nicht akzeptieren. Foto: dpa
Im März 2018 gaben die Chef von Eon, Johannes Teyssen (links), und RWE, Rolf Martin Schmitz, ihr Tauschgeschäft bekannt. Die EU-Kommission genehmigte es. Konkurrenten wollen das aber nicht akzeptieren. Foto: dpa
Eon übernahm mit Innogy auch ein großes Netz an Ladesäulen für Elektroautos. Die Kläger bemängeln die Marktmacht bei innovativen Energiedienstleistungen – wie die Elektromobilität. Foto: dpa
Eon übernahm mit Innogy auch ein großes Netz an Ladesäulen für Elektroautos. Die Kläger bemängeln die Marktmacht bei innovativen Energiedienstleistungen – wie die Elektromobilität. Foto: dpa