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Kommunen halten Gratis-Nahverkehr für nicht finanzierbar

Wäre kostenloser Nahverkehr in Deutschland machbar? Nicht kurzfristig, sagt der Städte- und Gemeindebund – nicht nur aus finanziellen Gründen.

Der Nahverkehr ist in Großstädten bereits jetzt an der Belastungsgrenze. Foto: dpa
Der Nahverkehr ist in Großstädten bereits jetzt an der Belastungsgrenze. Foto: dpa

Ein kostenloser Nahverkehr in Deutschland nach dem Vorbild Luxemburgs ist nach Einschätzung des Städte- und Gemeindebunds kurzfristig nicht umsetzbar. Die Idee, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in deutschen Städten kostenlos anzubieten, „wäre zurzeit nicht finanzierbar und würde den notwendigen Umbau und die Investitionen verzögern“, sagte Städtebund-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Handelsblatt.

Die Verkehrsbetriebe in Deutschland nähmen zwar rund 13 Milliarden Euro pro Jahr durch Ticketverkäufe ein, dennoch sei der öffentliche Personennahverkehr ein „Zuschussbetrieb“. „Je nach Region liegt die Kostendeckung teilweise unter 50 Prozent“, sagte Landesberg.

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In Luxemburg ist der öffentliche Nahverkehr seit Monatsbeginn kostenlos. Im ganzen Land braucht man kein Ticket mehr für Bus, Bahn oder Straßenbahn. Ausnahmen gelten nur für einige Nachtbusse sowie die erste Klasse.

Mobilitätsminister François Bausch (Grüne) sagte, mit diesem Schritt wolle man die Menschen dazu bewegen, vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. „Unser Ziel ist es, bis 2025 rund 20 Prozent mehr Passagiere zu transportieren, sagte Bausch. Denn wie viele andere Städte und Länder in Europa auch leide Luxemburg unter vielen, langen Staus im Berufsverkehr. Luxemburg ist das erste Land weltweit mit einem komplett kostenlosen Nahverkehrsangebot.

Landsberg gab zu bedenken, dass das Gratis-Angebot in Luxemburg einen langen Vorlauf hatte und nicht am Anfang eines fast zehnjährigen Umbaus der Verkehrsinfrastruktur gestanden habe, sondern erst am Ende eines langen Planungs- und Umsetzungsprozesses. Deutschland sei in dieser Hinsicht noch nicht so weit. Wichtiger als das Angebot eines Gratis-Nahverkehrs sei daher, „zunächst die Tarife zu vereinheitlichen, sodass man zum Beispiel mit einem Jahresticket alle Verkehrsverbünde deutschlandweit einfach, unkompliziert und App-gesteuert nutzen könnte“, so Landsberg.

Bezeichnung „kostenlos“ nicht zielführend

Im Übrigen böten bereits einzelne, eher kleinere Städte wie etwa Monheim in Nordrhein-Westfalen und Pfaffenhofen in Bayern kostenlose Tickets an. „Natürlich erhöht das die Nutzerzahlen.“ Andererseits man allerdings für Deutschland insgesamt feststellen, dass Busse und Bahnen „insbesondere zur Rush-Hour ohnehin bereits an ihrer Leistungsgrenze“ seien.

Der Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) sieht Luxemburg mit seiner Politik für mehr öffentlichen Nahverkehr denn auch als ein Modell auch für deutsche Städte und Regionen. „Deutschland sollte sich ein Beispiel an Luxemburg nehmen und die Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr pro Kopf deutlich erhöhen“, sagte die Leiterin des Team Mobilität und Reisen beim VZBV, Marion Jungbluth, dem Handelsblatt. „Denn zuerst müssen Angebot und Qualität stimmen, danach kann man über einen angemessenen Preis diskutieren.“

Die Bezeichnung „kostenlos“ für Nahverkehrs-Ticktes hält Jungbluth aber für nicht zielführend. „Denn es entstehen weiterhin für die Unterhaltung und den Betrieb von Bussen und Bahnen Kosten, nur werden diese von der Allgemeinheit der Steuerzahler übernommen“, erläuterte die VZBV-Expertin. „Dies kann sinnvoll sein, wenn der Umstieg von Auto auf den Nahverkehr erklärtes Ziel der Gesellschaft ist.“ Allerdings müssten Kosten und Nutzen abgewogen werden.

Jungbluth erinnerte an das Beispiel der Brandenburger Stadt Templin. Dort habe der 1998 gestartete Versuch eines kostenlosen Nahverkehrs 2003 eingestellt werden müssen, da die steigenden Fahrgastzahlen die Kosten für zusätzlich benötigte Busse explodieren ließen. „Für einzelne Strecken oder überschaubare Bereiche könnte das aber trotzdem in Deutschland klappen“, fügte die VZBV-Expertin hinzu.

Erlöse aus CO2-Steuer in den ÖPNV fließen lassen

Jungbluth regte an, die Erlöse aus der neu eingeführten CO2-Steuer auf Sprit, Heizöl und Gas „zu großen Teilen“ in den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) fließen zu lassen, „damit Verbrauchern überall und immer eine klimaverträgliche Alternative zum eigenen Auto angeboten werden kann“.

Dazu ist nach Ansicht von Städtebund-Chef Landsberg jedoch ein großes Bündel an Maßnahmen notwendig. „Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, müssen wir den Verkehr in den Städten und ihrem Umland neu aufstellen“, sagte er. Dazu gehöre ein besserer Personennahverkehr, der sicher, pünktlicher, enger getaktet und emissionsfrei sein müsse sowie der konsequente Ausbau der Fahrradinfrastruktur, die Sicherung der Lieferverkehre und die auch digitale Steuerung der Pendlerströme. „Ein Blick nach Luxemburg zeigt, dass solche Projekte möglich sind, natürlich Zeit und Geld kosten, aber man die Menschen für derartige Vorhaben begeistern kann“, sagte Landsberg.

Um die Verkehrswende beschleunigen zu können, müssen aus Landsbergs Sicht Planungs- und Umsetzungsverfahren gestrafft, entbürokratisiert und insbesondere die Vergabeverfahren vereinfacht werden. „Auch bei der Verkehrswende muss der Grundsatz gelten, dass die Marke „Made in Germany“ nicht für umständlich, langwierig und zu teuer stehen darf“, sagte der Städtebund-Chef. Gelinge die Verkehrswende, so Landsberg, wäre dies ein „unverzichtbarer Beitrag für den Klimaschutz“.

Andererseits gab die Verbraucherschützerin Jungbluth zu bedenken, dass sich klimaverträgliches Mobilitätsverhalten nicht vorrangig durch den Preis beeinflussen lasse. „Für Verbraucher müssen Produkte und Services auch hinreichend attraktiv sein“, sagte sie. „Ein unpünktlicher, voller Bus, der nur morgens und abends einmal fährt, wird auch für lau kaum jemanden aus dem Auto locken.“