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Kommentar: WDR schenkt peinliche Sauce aus

Fünf Weiße reden über Rassismus: Für diesen Talk gab es viel Kritik (Bild: WDR/Max Kohr)
Fünf Weiße reden über Rassismus: Für diesen Talk gab es viel Kritik (Bild: WDR/Max Kohr)

Die Talksendung “Die letzte Instanz” soll schnörkellos Meinungen wiedergeben. Das ging bei der letzten Ausgabe daneben. Ein paar Schnörkel hätten geholfen, sich diesen peinlichen Rassismus doch nicht zu leisten.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Heute kann man sich wieder herrlich aufregen. Da haben ein paar Leute unbefangen dahergeredet, zufällig waren Kameras eingeschaltet, und die halbe Fernsehnation fällt über sie her. Dabei wollten die nur über den Sinn von “Zigeunersaucen” diskutieren. Ein typischer Fall von Cancel Culture?

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es handelte sich nicht um eine Kochsendung. Beim Talkformat “Die letzte Instanz” machten sich die Gäste gemeinsam mit ihrem Moderator Gedanken zum Rassismus in Deutschland. Dummerweise konnte keiner von ihnen über eigene Rassismuserfahrungen berichten, außer TV-Legende Thomas Gottschalk, denn der ist unheimlich empathisch: Der wisse jetzt, “wie sich Schwarze fühlen”, weil er mal bei einer Party sich als Jimmy Hendrix verkleidete.

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Es ist vielleicht das Hauptproblem bei dieser Sache: Dass wir fälschlicherweise annehmen, so viel zu wissen. Kennste einen Gummibären, kennste alle. Leider weiß Gottschalk durch einen Blackfacing-Event gar nicht, wie sich Schwarze fühlen. Muss er auch nicht. Aber dann schweigt er besser. Zuhören ist nämlich ein Gold bei diesem Thema, nach dem man in dieser rasch peinlich geratenden Talksendung vergeblich schürfte.

Alles Schnitzel oder was

Da ging es zum Beispiel um eine nicht gerade unheimlich wichtige Frage, wie wir es mit dieser Sauce halten, die der Hersteller Knorr jahrzehntelang als “Zigeunersauce” verkaufte und die er nun “Ungarischer Art” nennt.

Die Schauspielerin Janine Kunze sagte dazu, man “problematisiere und terrorisiere” da einfach zu viel. Das sei nämlich das eigentliche Problem. “Bei Zigeunerschnitzel hab ich doch nicht an Diskriminierung gedacht.”

Tja. Da wird eine von tausend Saucen vom Hersteller umbenannt, und sofort schreit jemand “Terror”. Und es ist auch egal, was sich Kunze denkt, wenn sie sich ein Schnitzel bestellt, meinetwegen nur das Herzallerliebste, aber man muss nicht an Diskriminierung denken, um diskriminierend zu sein. Im Fall dieser Sauce ist klar: In der Küche der Sinti und Roma kommt sie nicht vor, ist also eine kulinarische Fremdbestimmung. Den Begriff “Zigeuner” finden sie auch nicht toll, sie nennen sich lieber, was sie sind: Sinti und Roma. Ist ja nicht so schwer. “Zigeuner” ist halt ein Name, der negative Züge trägt, weil Sinti und Roma seit Jahrhunderten diskriminiert werden; man benutzt sie als Sündenböcke für jeden Quatsch und als Zerrbilder unserer Phantasie – mal für “Freiheit”, mal für “Unangepasstheit” und “Romantik”, mal für gewisse Musikstile und mal für “Diebstahl”, “Betrug” oder “Dreck”. Der ganze Rassismus halt in seiner breiten Palette. Nicht umsonst glaubt der Volksmund fälschlicherweise, der Begriff “Zigeuner” komme von “herumziehender Gauner”.

“Das stimmt überhaupt nicht!”, rief dagegen Jürgen Milski (Big-Brother-Jürgen), als jemand in der Sendung leise anmerkte, dass sich mancher vom Z-Wort doch diskriminiert fühlt (es ist aber kein Gefühl). Und Schauspielerin Kunze meinte, dass da “zwei, drei Leute nichts zu tun” gehabt und mit so einem “Quatsch” angefangen haben.

Kunze sollte sich entscheiden: Entweder sind es zwei, drei Leute oder Terror. Beides gleichzeitig geht kaum.

Von Äpfeln und Birnen

Kunze hielt auf jeden Fall an ihrer Sauce fest. “Haltet mich für naiv, nein, sie gehören dazu”, führte sie weiter aus. Und zog einen Vergleich zu sich selbst als “blonde Frau mit relativ großer Brust”, die sich auch Sprüche anhören müsse. Hm. Was hat eine Sexismuserfahrung mit einer Rassismuserfahrung zu tun? Macht das eine das andere weniger schlimm?

Die Resonanz auf die Sendung war desaströs. Eine Menge auf die Deckel kriegten die Gäste in den Sozialen Medien für ihren Schmarrn. Manch einer, auch Kunze, reagierte stark, sie entschuldigte sich.

Was bleibt? Der WDR demonstrierte jedenfalls aufs Neue, dass es eine Cancel Culture nicht gibt: Den Platz zum rassistischen Trashtalk räumte er erstmal ein. Und die Empörungen darauf waren auch kein “Terror”, keine “Political-Correctness-Polizei” und keine Mundtotmacherei. Ob Kunze, Gottschalk oder Milski, in ein paar Tagen wird ihr Sermon vergessen sein. Und vielleicht haben wir alle doch mittlerweile ein wenig gelernt: Vor ein paar Jahren wäre die Kritik an solch einer Sendung leiser und geringer gewesen.

Langsam sickert die Erkenntnis durch, dass es hier nicht darum geht, auf Teufel komm raus einen Alltagsrassismus zu finden und Leute zu brandmarken, sondern ums Gegenteil: um Leid zu lindern, Bewusstsein zu schaffen, um besser miteinander auszukommen. Um Freiheit und Gerechtigkeit. Um Menschenrechte, die für alle gelten. Und das ist keine Sauce.

Video: Biden macht Kampf gegen Rassismus zu Schwerpunkt seiner Amtszeit