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Kommentar: Organspenden – unsere komische Auffassung von Freiheit

BERLIN, GERMANY - NOVEMBER 13:  In this photo illustration a real organ donor's card (Organspendeausweis) from public health insurer Techniker Krankenkasse is seen on November 13, 2012 in Berlin, Germany. German health insurance companies are sending out the cards to their policy holders in an effort to get more people registered for organ donation. Demand for organs in Germany is high and waiting lists are long.  (Photo Illustration by Sean Gallup/Getty Images)
Diesen Organspendeausweis haben bisher nur wenige Deutsche unterschrieben (Bild: Getty Images)

Der Bundestag hat sich heute mutlos gezeigt: Er lehnte einen Gesetzentwurf zur Organspende ab. Damit stimmte er dafür, dass weiterhin Menschen sterben werden – weil die bisherige Spenderregelung nicht ausreicht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Eine Frage von Leben und Tod hatte heute der Bundestag zu entscheiden: Soll es in Deutschland eine Widerspruchsregelung bei Organspenden geben oder nicht?

Denn es drängt, seit Jahren. Es gibt in Deutschland zu wenige Spenderorgane. Zwar gibt sich eine große Mehrheit der Deutschen in Umfrage stets offen für eine Spendenbereitschaft – aber die Pappkarte füllt nur eine Minderheit aus. So warten viele Schwerkranke vergeblich auf ein Organ, verlieren diesen Wettlauf und sterben. Es ist schon komisch: Eine große Mehrheit zeigt sich auch bereit, ein Spenderorgan in Anspruch zu nehmen, etwas Besseres als den Tod findest du überall, heißt es schon bei den Bremer Stadtmusikanten. Aber selbst sich bereit erklären, etwas zu geben, wenn man tot ist…

Was ist zumutbar?

Doch der Bundestag zeigte sich heute verantwortungslos. Er lehnte mit 379 Stimmen einen Gesetzentwurf ab, der nur die Zustimmung von 292 Stimmen fand. Er hätte einiges geändert, einen Schnitt gemacht: Der Entwurf folgte der nüchternen Bilanz, dass alle Aufklärung, alle Kampagnen nicht genügend gebracht haben. Widerspruchslösung heißt: Menschen ab 16 Jahren, die nicht spenden wollen, sollten dies kundtun. Entweder schriftlich oder eindeutig mündlich bei den Hinterbleibenden. Tun sie das nicht, sollte der Staat für andere Mitbürger prüfen dürfen, ob Organe nach dem Tod entnommen werden - und dies im Zweifel tun.

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Letztlich geht es um die Frage: Ist es zumutbar, von den Bürgern eine Entscheidung zu verlangen? Oder soll die Freiheit, nicht entscheiden zu müssen, schwerer wiegen?

Die meisten anderen Länder Europas haben längst eine Widerspruchsregelung. Wir profitieren auch davon, denn nicht wenige Organe werden von dort nach Deutschland importiert.

So gesehen hat mich die heutige Debatte im Bundestag erstaunt. Da war von Gegnern des Gesetzentwurfs oft von Selbstbestimmung die Rede, von der Menschenwürde und von der Integrität. Den Höhepunkt erreichte ein AfD-Abgeordneter, der ein Motto der MeToo-Bewegung zitierte und sagte: „Nein heißt Nein.“ Dass die AfD nun eine Vorreiterrolle im deutschen Feminismus einzunehmen versucht, war mir bisher nicht bekannt.

Freiheit ist kein Freibrief für Egoismus

Wir haben zuweilen eine seltsame Auffassung von Freiheit in Deutschland. Freiheit heißt dann manchmal kein Tempolimit auf den Autobahnen oder Rauchen in Kneipen. Meist handelt es sich um eine vermeintliche Freiheit, die stets auf Kosten Anderer geht – und so verhält es sich bei der Frage der Organspenden auch. Natürlich darf jeder über seinen eigenen Körper entscheiden. Aber in diesem Falle hat das Folgen für Andere. Und ist es so schwer, die eigene egoistische Perspektive zu verlassen und sich in die Lage jener zu versetzen, die verzweifelt auf ein Spenderorgan warten?

Die heutige Entscheidung im Bundestag ist nicht nur tragisch, sondern auch eine Schande. Sie folgt verantwortungslosem und selbstbezogenem Kalkül und zeigt, dass Deutschland in ethischen Fragen kein Vorbild ist.

Es ging ja um die Frage, was mit einem passiert – wenn man tot ist. Ist es schwer sich mit dem eigenen Tod zu befassen? Soll der Staat, die Gesellschaft und also wir alle es gutheißen, wenn man diese Frage wegdrückt? Ich sag es mal simpel: Wer tot ist, braucht die Organe auch nicht mehr. Und wer seine Organe nach dem Tod unbedingt irgendwohin mitnehmen will: bitteschön. Aber dann darf die Gesellschaft verlangen, dass dies auch so formuliert wird.

Denn der zweite Gesetzentwurf, für den sich dann die Abgeordneten entschieden, wird an der prekären Sachlage kaum etwas ändern. Er setzt auf Aufklärung, mal wieder. In den Bürgerämtern soll man auf die Frage einer freiwilligen Organspende angesprochen werden, die Hausärzte sollen es auch tun. Schon jetzt ist abzusehen, dass dies nicht genügen wird. Der Egoismus hat heute eine Hochzeit, gefeiert wurde im Bundestag.