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Kommentar: Könnte Scholz Kanzler?

Ihren Stuhl hätte er gern: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hinter Kanzlerin Angela Merkel (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Ihren Stuhl hätte er gern: Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hinter Kanzlerin Angela Merkel (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Tage der Entscheidung bei der SPD: Bisher läuft es auf eine Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz hinaus. Das Land hätte schon schlechtere Regierungschefs gesehen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Im Spätsommer dieses Jahres stand Olaf Scholz im Garten des Bundesfinanzministeriums und wirkte nicht gerade wie einer, der will. Wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, mit wem er sich um die Doppelspitze der SPD bemühen würde – doch als Scholz eine Rede beim Sommerfest seines Ministeriums halten sollte, wirkte er wie selbst eingeladen.

Der oberste Kassenmeister freute sich auf „interessante Gespräche“ und entwarf kein flammendes Plädoyer, warum gerade ihm die Sozialdemokraten den Parteivorsitz und die sich daraus ergebende Kanzlerkandidatur anvertrauen sollten. Keine Bewerbungsrede hielt er an diesem historischen Tag, sondern ein Grußwort wie beim alljährlichen Gartentreff der Matjes-im-Glas-Zähler.

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Scholz erscheint auf eine selbstverständliche Art unübertrieben. Er wirkt nicht bescheiden oder schüchtern, aber ganz bestimmt nicht als das Gegenteil dessen. Trocken kommt er rüber.

Und nun, wo die SPD am Boden liegt und aus der Führungsriege niemand außer ihm den Hut in den Ring wirft, soll Scholz Antreiber und Anführer werden. Ginge das überhaupt?

Andere sind noch blasser

Erst in zehn Tagen wird das Votum der Parteimitglieder beim Referendum über die Bestimmung der Vorsitzenden bekanntgegeben. Scholzens Teamplayerin Klara Geywitz hat nun in der gestrigen Sendung von Markus Lanz erklärt, dass im Falle eines Sieges beim Referendum nicht sie als Kanzlerkandidatin ins Rennen gehen würde - stattdessen sollte Scholz das übernehmen. Und mit jedem Tag mehr geht die Angst in der SPD um, das Mitbewerberduo Esken/Walter-Borjans könnte Parteivorsitzende werden: Von diesen beiden geht nun wirklich kein Drive aus, bei wichtigen Fragen winden sie sich, und vielleicht passen sie gerade besser zur siechenden SPD, aber als Heilmittel kommen sie nicht wirklich rüber.

Und Scholz, wie würde der sich machen? Zumindest machte er im parteiinternen Wahlkampf keine schlechte Figur. Er startete beherrscht bis unterkühlt und merkte dann, dass er aufdrehen musste. Und dann staunte die Öffentlichkeit: Der freundliche Olaf, mit dem stets angedeuteten Lächeln, kann auch austeilen. Gefühle zeigen. Er fuhr in Diskussionen Esken/Walter-Borjans an, zeigte sich alles andere als reserviert – und kam damit an.

Die Öffentlichkeit sieht nun einen anderen Scholz, der immer da war, aber keine Veranlassung zum Showauftritt sah. Doch nun, wo Scholz am Wendepunkt seiner Karriere steht, die auch rasch in der politischen Pension enden kann, nutzt er die Chance, die er hat.

Natürlich braucht die SPD jemanden, der Selbstbewusstsein ausstrahlt. Im Schatten der desaströsen Umfragewerte förmlich auf einen Kanzlerkandidaten zu verzichten, wäre weniger ein Tribut an Ehrlichkeit und mehr Feigheit vor dem Wellengang; das Wort „Kanzlerkandidat“ kann Wähler mobilisieren, die sozialdemokratisch gesonnen sind.

Einmal Crazy Olaf, bitte

Scholz kann nun ein wenig triumphal auftreten, weil er in der Sachlage Erfolge vorweisen kann. Es ist ja nicht so, dass er nicht gearbeitet hätte. Auch diese Große Koalition trägt eine eindeutige sozialdemokratische Handschrift, von der Grundrente übers Klimapaket und hin zur Soli-Änderung. Der Hamburger hat gezeigt, dass er regieren kann. Seiner Partei gibt er das Versprechen bei Wahlen auch Stimmen links der CDU zu holen, die nicht gerade typisch sozialdemokratisch sind. Doch er muss noch viel mehr bringen.

Denn der größte Makel von Scholz ist einer, den er selbst wohl kaum sieht. Scholz mag in Verwaltungskompetenzen einen Qualitätsnachweis sehen, aber die SPD braucht nun keinen guten Hausmeister, sondern einen irren Doktor. Einen, der andere zum Mitheulen bringt, der anschiebt und einen – sicherlich etwas verrückten – Mut hervorkamen lässt. Ob Scholz dazu in der Lage ist, steht in den Sternen.

Eine SPD unter Scholz hätte eine Chance auf Renaissance, wenn ihr ein Spagat gelänge: Einerseits darf sie sich wegen ihrer Regierungsverantwortung nicht schämen und muss die Erfolge zeigen. Andererseits muss sie der grundsätzlich nervöser gewordenen Gesellschaft einen Gerechtigkeitsanker zuwerfen, sich ihr als Kapitän gegen die Winde des kalten Konzernkapitalismus andienen. Das aber ginge nur mit einem linken Programm, mit einem sichtbaren Profil. Scholz zeigte bisher keines. Es wäre aber keine Überraschung, präsentierte er bald eines.