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Kommentar: Friedrich Merz hat nicht das Zeug zur Kanzlerin

Hallo Zote, ich komme gleich vorbei: Friedrich Merz bei einem Auftritt am vergangenen Donnerstagabend in Berlin (Bild: Getty Images)
Hallo Zote, ich komme gleich vorbei: Friedrich Merz bei einem Auftritt am vergangenen Donnerstagabend in Berlin (Bild: Getty Images)

Der CDU-Politiker gibt sich als Modernisierer. Dabei ist sein Weltbild so altbacken wie ein Buch der schlechten Witze.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wer die CDU führen will, muss kernig sein. Schließlich winkt zugleich der Schlüssel zum Kanzleramt. Friedrich Merz hat das verinnerlicht. Das macht ihn zur Mogelpackung.

Der ehemalige Unionsfraktionschef (obwohl das “ehemalig” schon ziemlich lang andauert, genau knapp 18 Jahre) will an die Spitze seiner Partei. Schließlich wird gerade nach Kandidaten gesucht, nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer zur Seite tritt. Und Merz, der seit Jahren vor allem als Anwalt im Finanzwesen arbeitete, gibt sich als modern, als Aufräumer.

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Ganz wichtig ist ihm, dass er als wirtschaftskompetent wahrgenommen wird. Als einer, der Reformen anschieben wird, weil er Bescheid weiß. Der Prozesse beschleunigt und alte Strukturen durchpustet. Zur Mogelpackung aber wird dieses Manöver nur, wenn man seine Ansichten zum Geld mal beiseite schiebt und schaut, was Merz sonst noch so an Ansichten hat. Die sind zum Davonlaufen.

Das Kalkül des Applauses

Und manchmal verplappert er sich. So geschehen zum Beispiel am vergangenen Donnerstagabend in Berlin. Da wollte er kalauern, und ihm gelang dies: „Dieser 10. Februar wird ja in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen, als ein Tag des Sturms“, sinnierte er. „Aber nicht nur draußen, sondern auch drinnen. Es ist übrigens reiner Zufall, dass Tiefs im Augenblick Frauennamen tragen.“

Klar, dass er auf das männliche Gelächter im Publikum spekulierte, das er auch erhielt. OK Boomer, alles „reiner“ Zufall. Blinzel Blinzel. Also, unter uns Pfarrerstöchtern…

…wusste Merz natürlich, dass er im Deutschland des 21. Jahrhunderts nicht alle Neune anvisieren sollte, also schwächte er gleich ab. „Das wechselt jedes Jahr. Ja, Sie wissen das, das lässt keine politischen Assoziationen zu.“

Lesen Sie auch: Merz als Kanzler? Kein eindeutiges "Ja"

Nein, auf keinen Fall, höchstens nur geschlechtliche Assoziationen! In das wieder bestellte Gelächter fällt Merz ein und doziert: „In diesem Jahr heißen die Hochs nach Männern – in alphabetischer Reihenfolge. Die Tiefdruckgebiete nach Frauennamen. Das ist eine Nachricht. Die schlechte Nachricht für alle Männer ist: Im nächsten Jahr ist es umgekehrt.“

Was will der Sauerländer uns damit sagen? Dass er Leiter des Deutschen Wetterdienstes werden will und nicht Kanzler? Indem Merz die korrekten Benennungsregeln zitiert, versteckt er sich hinter ihnen, um seine Zote scheinbar harmlos erscheinen zu lassen. Aber jeder im Raum weiß natürlich, Augenzwinkern, was hängen bleibt: Tief = Frau = Kramp-Karrenbauer + Merkel. Diese Rechnung passt tatsächlich auf einen Bierdeckel.

Wo ist das Staubtuch?

Der Fachmann für Finanzen bedient sich der Methode Trump: Einfach mal einen Klumpen Dreck aufnehmen und werfen – irgendetwas wird schon kleben bleiben. Überraschend ist dieser Merzsche Move nicht. Sein Weltbild hat genau den Staub angenommen, den er bei Wirtschaft und Finanzen kritisiert.

Denn wie sieht es aus mit weiteren „Assoziationen“ im Bereich der Geschlechter und der Sexualität? Hier eine kleine Auswahl aus „Merz und wie er die Welt sah“:

Als der Bundestag im Jahr 1995 eine neue Regelung des Abtreibungsrechts verhandelte, votierte Merz nicht wie die meisten Unionsabgeordneten für die Kompromisslösung, sondern für einen restriktiveren Entwurf.

Und 1997 beschloss der Bundestag über alle Fraktionen hinweg, Vergewaltigungen nicht mehr nur „außerehelich“ zu bestrafen – Merz stimmte dagegen. Aus der Debatte hielt er sich raus, da hatten CDU-Politiker doch tatsächlich geraunt, die Ehe verliere an Wert, wenn Frauen ihre Ehemänner vor Gericht anzeigen könnten; aber sein Votum gab er ab.

Dazu passt ein Zitat des „Spiegel“ aus einer Parteitagsrede von Merz, in der er preisgab: "Ich möchte mich verdammt nochmal bei niemandem in diesem Land entschuldigen müssen, dass ich seit 20 Jahren mit derselben Frau verheiratet bin und dies auch in den nächsten 20 Jahren zu bleiben gedenke."

Tja, wer fordert denn solch eine Entschuldigung allen Ernstes ein? Welches Spiegelgefecht halluziniert der Mann? Und was die persönlichen Zukunftspläne zur Gestaltung seiner ehelichen Beziehung angeht, bedeuten seine Worte für mich nur: too much information.

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Bei diesen „Kalauern“ dürfen Spitzen gegen Minderheiten nicht fehlen. Legendär sind die schwulenfeindlichen Sprüche von Merz. Über Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit sagte er einmal in einem Interview mit der „Bunten“: "Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal!"

Wovor hat er Angst? Dass Homosexuelle notgeil sind? Dass Wowereit ihm eins überbrät? Immerhin gälte auch für Merz ein „Nein heißt Nein“.

Aber dieses Ätzen hat bei ihm System. Irgendwie ist es Merz ein Anliegen zu verdeutlichen, dass er nicht schwul sei – dabei drängt sich die Frage auf, wen das juckt. Vor CDU-Anhängern rief er nach Angaben des „Spiegel“ einmal aus, er habe nichts gegen die Homo-Ehe, "solange ich da nicht mitmachen muss". Nö. Muss er nicht. Ein Blick ins Grundgesetz würde dem Juristen schon helfen.

Mit Merz ist halt keiner auf Augenhöhe, ein Kind natürlich auch nicht. Die Klima-Aktivistin Greta Thunberg kritisierte er 2019 für ihren Auftritt bei der UN-Generalversammlung in New York. „Also ganz ehrlich, meine Tochter hätte ich da nicht hingelassen“, betonte Merz. „Auf der einen Seite ist das Mädchen bewundernswert, aber auf der anderen Seite ist sie krank“.

Damit gelingt Merz gar ein Doppelschlag. Zum einen outet er sich als autoritärer Familiendiktator, und zum anderen wertet er Träger des Asperger-Syndroms, wie es Thunberg hat, als „krank“ – dabei ist unumstritten, wie vollständig Autisten Frauen und Herren ihrer Gedanken und ihrer Entscheidungen sind; ein Trip nach New York inklusive.

Wenn also die CDU meint, mit jemanden als Spitzenkandidat in den Wahlkampf ziehen zu wollen, der

  • gegen Frauen ätzt und sich ihren fundamentalen Rechten widersetzt,

  • gegen Schwule hetzt,

  • Kindern sowie Jugendlichen gewisse Selbstbestimmungsrechte abspricht

  • und Menschen mit Behinderung abwertet,

dann viel Spaß.