Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 2 Stunden 56 Minuten
  • Nikkei 225

    38.127,39
    +165,59 (+0,44%)
     
  • Dow Jones 30

    37.753,31
    -45,66 (-0,12%)
     
  • Bitcoin EUR

    58.079,94
    -1.686,13 (-2,82%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.683,37
    -181,88 (-1,15%)
     
  • S&P 500

    5.022,21
    -29,20 (-0,58%)
     

Kommentar: Der "Soli" ist eine Reichensteuer und geht noch längst nicht weit genug

Nach dem Urteil zum "Soli" ist die Debatte wieder hochgekocht: Ist die Abgabe nun eine versteckte Reichensteuer? Und selbst wenn: Reicht das aus? Wir müssen dringend über Vermögensverteilung in Deutschland sprechen.

Auch ohne Solidarität lässt es sich ganz gut leben - für manche zumindest. (Getty)
Auch ohne Solidarität lässt es sich ganz gut leben - für manche zumindest. (Getty) (yoh4nn via Getty Images)

Ein Ehepaar aus Bayern wollte sich nicht mit dem Solidaritätszuschlag abfinden. Dabei ging es ihnen wohl nicht um die Summe von etwa 2.000 Euro, sondern viel mehr ums Prinzip. Sie fühlten sich ungerecht behandelt, da der "Soli" nur noch ab einer gewissen Einkommensgrenze eingezogen wird. Er sei so eine versteckte Reichensteuer, so ihre Auffassung. Also klagten sie für ihr Recht... ja, auf was eigentlich? Auf nicht-solidarisches Verhalten, könnte man böse sagen. Diese Klage hat der Bundesfinanzhof nun jedenfalls abgewiesen. Doch die Debatte, wie der Reichtum in Deutschland verteilt ist und wie solidarisch eine Gesellschaft sein sollte, ist damit wieder entbrannt. Höchste Zeit!

Krisen als Brennglas

Denn die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine funktionieren momentan wie ein gesellschaftliches Brennglas. Wenn man sich Statistiken anschaut, dann betreffen Krisen und Inflation nämlich nicht "uns alle", sondern überproportional den Teil der Bevölkerung, der ohnehin schon zu knapsen hat - und ein anderer, kleinerer Teil profitiert sogar noch. Doch die Bundesregierung hat mit ihren bisherigen Maßnahmen stets gescheut, sich gezielt an Menschen mit hohem Einkommen zu wenden. So geht vieles von Corona-Hilfen bis Energiezuschüsse mit der Gießkanne an alle, um nur nicht am Status Quo zu rühren. Dabei wäre es angebracht, diesen mal genau anzuschauen.

WERBUNG

Denn wie kann es sein, dass in einem reichen Land wie Deutschland Obdachlosigkeit ein anhaltendes Thema bleibt? Dass die Schlangen an den Tafeln so lang sind, dass nicht alle Bedürftigen versorgt werden? Dass Miet- und Kaufpreise für Wohnungen so hoch sind, dass sie längst nur noch für Menschen mit ererbtem Guthaben erschwinglich sind? Dass Bildungschancen immer noch maßgeblich mit dem Einkommen des Elternhauses zusammenhängen? Und dass dabei die Einkommensschere auch noch immer weiter auseinander geht?

Demokratie braucht Solidarität

Der "Solidaritätszuschlag" war 1991 eingeführt worden, um die Kosten der Wiedervereinigung (und übrigens auch des Golf-Krieges) auf viele Schultern zu verteilen. Ursprünglich auf ein Jahr begrenzt, wurde er immer wieder verlängert, bis 2020 90 Prozent der Steuerpflichtigen von der Abgabenpflicht befreit wurden. Seitdem ist er nun nur noch ab einem jährlichen Einkommen von 62.603 Euro zu zahlen. Das ist gemessen am durchschnittlichen Einkommen der Deutschen ein Spitzenverdienst.

Es sollte doch in einer Demokratie eigentlich selbstverständlich sein, dass diejenigen, die mehr verdienen - ergo auch mehr vom marktwirtschaftlichen System profitieren - besonders in Krisenzeiten mehr abgeben. Ist es aber anscheinend nicht. Stattdessen herrscht unter vielen Reichen eine Wagenburgmentalität, die uns Angst und Bange machen sollte, wenn die Krisen unserer Zeit sich weiter verschärfen. Was für allgemeine Ungläubigkeit sorgt, wenn eben noch staatlich subventionierte Firmen ihren Managern millionenschwere Boni auszahlen, findet in der Diskussion um den "Soli" seine Fortführung.

"Soli"-Urteil weist den Weg

Eine Studie zeigte, dass in der Pandemiezeit das Vermögen der Superreichen um 7,6 Prozent gestiegen ist, etwa so viel also, wie die Inflation, die alle betrifft, in Deutschland anwuchs. Noch wäre es Zeit, durch eine höhere Erbschaftssteuer oder eine wirkliche Reichensteuer das Kippen der Waage aufzuhalten. Allein, es fehlt der politische Wille. Die FDP unter Christian Lindner scheute sich jetzt sogar davor, den Solidaritätszuschlag im Gerichtsverfahren zu verteidigen. Klientelpolitik vom Feinsten, die nicht wenig dazu beiträgt, dass das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen rapide schwindet. Es geht dabei um nicht weniger als die Frage, wie gerecht unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen soll. Der Entscheid zum "Soli" ist dabei nur ein kleiner Wasserstandsanzeiger. Er könnte aber den Weg ebnen für höhere Spitzensteuersätze.

Beendet ist die Debatte um den "Soli" übrigens noch lange nicht. Wie der Präsident des Bundesfinanzhofs, Hans-Josef Thesling, in der mündlichen Urteilsbegründung deutlich betonte, sei die Abgabe "noch" verfassungsgemäß. Es ist davon auszugehen, dass die Kläger nun Verfassungsbeschwerde einreichen und der Solidaritätszuschlag dort noch einmal unter die Lupe genommen wird.