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Nach dem Kohleausstieg ist das Gas dran – und Wasserstoff soll es ersetzen

Wasserstoff war das Thema der Stunde auf dem Energie-Gipfel. Mit der nun geforderten Abkehr vom Erdgas wird es Deutschland aber kaum zur Wasserstoffwirtschaft schaffen.

Kaum ist der Kohleausstieg beschlossene Sache, werden schon die ersten Stimmen laut, die nach einem Aus für den fossilen Energieträger Erdgas verlangen. „Der lange überfällige Kohleausstieg darf nicht dazu führen, dass wir als nächstes in die Erdgas-Falle tappen“, sagte Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen am Dienstag zur Veröffentlichung einer von den Grünen in Auftrag gegebenen Studie zum Thema „Die neue Gaswelt“. Die Ökopartei will so schnell wie möglich weg von fossilem Erdgas.

Dafür gab es auf der Handelsblatt Energietagung in Berlin allerdings mächtig Gegenwind. „Es wird in der Übergangszeit ganz ohne Gas nicht gehen“, stellte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nüchtern fest. Neue Gaskraftwerke würden in Zukunft auch dort entstehen, wo Kohlekraftwerke stillgelegt werden. „Irgendwann werden sie auch mit grünem Gas betrieben werden können. Das ist unser Ziel für die Zukunft“, sagte der CDU-Politiker. Aber bis dahin sei man auf fossiles Erdgas in Deutschland angewiesen.

Erdgas ist nach Erdöl, die zweitwichtigste Energiequelle Deutschlands. Der weitaus wichtigste Markt ist zwar der Wärmesektor, aber auch in der Chemieindustrie, in der Stromerzeugung oder zur Speicherung von Energie spielt Gas eine wichtige Rolle. Mit dem absehbaren Wegfall der flexibel steuerbaren Kohle- und Atomenergie, pochen nun auch einige auf die steigende Bedeutung von fossilem Methan. Im vergangenen Jahr hat der Anteil von Erdgas am Gesamtenergieverbrauch sogar um drei Prozent zugenommen – rund ein Viertel der hierzulande verbrauchten Energie geht auf die fossile Energiequelle zurück. Mittlerweile ist Deutschland der größte Gasimporteur Europas.

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Der Chef des Energieversorgers Uniper glaubt deswegen, dass Gas auch in Zukunft noch eine wichtige Rolle spielen wird. „Deutschland steigt aus der Kernenergie aus und ist dabei zu beschließen aus der Kohle auszusteigen. Mittelfristig wird es also eine Lücke in der Stromversorgung geben und diese Lücke kann eigentlich nur mit Gaskraftwerken geschlossen werden“, sagte Andreas Schierenbeck am Dienstagabend in Berlin. Die CO2-Bilanz des fossilen Energieträgers ist zwar besser als die der Braunkohle, klimaneutral ist Gas deswegen aber noch lange nicht.

Erdgas sei zwar CO2-ärmer, verursache aber dafür hohe Methanemissionen, heißt es in einer Studie der Energy Watch Group, einem Thinktank des Umweltpolitikers Hans-Josef Fell aus dem vergangenen Jahr. Emissionen, die durch Lecks in Kraftwerken oder Pipelines entstehen, würden demnach oft herausgerechnet. Bei unkonventionellen Gasfördermethoden wie bei dem in den USA eingesetztem Fracking, sollen sogar noch größere Mengen des schädlichen Methans in die Atmosphäre entweichen.

Natürlich sei der Einstieg in das Gas deswegen auch der Einstieg in die Dekarbonisierung, bekräftigte Uniper-CEO Schierenbeck sofort, „und das geht nur mit grünem Wasserstoff“.

Zu diesem Schluss kommt auch die von den Grünen in Auftrag gegebene Erdgas-Analyse. Aus Klimaschutzgründen dürfe kein fossiles Erdgas mehr zum Einsatz kommen, sondern stattdessen grüner Wasserstoff oder synthetisches Methan, jeweils hergestellt aus Ökostrom. Dass der viel besprochenen Power-To-X-Technologie der Durchbruch allerdings auf Anhieb allein mit Ökostrom gelingt, bezweifeln die meisten Experten.

„Die Frage muss lauten: Wollen wir in die Wasserstoffwirtschaft einsteigen, oder nicht? Von heute auf morgen wird das allein mit grünem Wasserstoff nicht funktionieren“, sagte auch Andreas Kuhlmann, Chef der Deutschen Energieagentur (dena) im Gespräch mit dem Handelsblatt.

Noch wird Wasserstoff zu 90 Prozent aus Erdgas hergestellt (blauer Wasserstoff). Immer mehr Unternehmen und Politiker sehen mit Blick auf die Klimadebatte die Zukunft allerdings in grünem Wasserstoff, der aus erneuerbarem Strom gewonnen werden kann. Tempo und Planungssicherheit für 100 Prozent grünen Wasserstoff erreiche man nur mit der Strategie: „So viel grün wie möglich, so viel blau wie nötig“.

Eine ähnliche Ansicht vertrat am Dienstag überraschenderweise auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Sie wollte Wasserstoff auf Erdgasbasis zumindest nicht sofort eine Absage erteilen. „Wir sagen ja auch nicht, dass wir keine Elektroautos haben dürfen, solange wir nicht 100 Prozent grünen Strom haben“, sagte Baerbock auf dem Handelsblatt Energie-Gipfel. Also sei Wasserstoff aus Erdgas, auf dem Weg hin zu nachhaltigem Wasserstoff auch für die Grünen in Ordnung.

Lösung für Speicherproblem

Die Power-to-X-Technologie soll das Speicherproblem mithilfe von grünem Wasserstoff lösen, das fast alle alternativen Energiequellen seit jeher plagt: Strom entsteht nur, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Und er lässt sich nur schwer aufbewahren. Mal gibt es zu viel Ökostrom, mal zu wenig. Wasserstoff hingegen lässt sich durch das Verfahren der PEM-Elektrolyse aus Wasser erzeugen und wie Erdgas speichern. Dann kann der grüne Wasserstoff direkt genutzt werden, zum Beispiel als Antrieb für Autos und LKWs, oder er wird in Methan oder flüssige Kraftstoffe umgewandelt. Bei Bedarf könnte er aber auch wieder in Form von Storm zurück ins Netz geführt werden. „Ohne grünen Wasserstoff werden wir es auf Dauer nicht schaffen, wir brauchen Speichermöglichkeiten“, betonte Minister Altmaier.

In Deutschland ist seit anderthalb Jahren ein regelrechter Hype um das lang erprobte Elektrolyse-Verfahren entbrannt. Der Stahlkonzern Thyssen-Krupp will seine Hochöfen schon in zehn Jahren nicht mehr mit Kohle anfeuern, sondern mit klimaneutralem Wasserstoff, genauso wie die Konkurrenten Salzgitter oder Voestalpine. Weltmarktführer Arcelor-Mittal investiert 65 Millionen Euro in den Umstieg von Erdgas auf Ökostrom.

Und auch die Ölkonzerne haben das Thema mittlerweile für sich entdeckt, sehen jedoch ein großes Problem bei dem Trend um grünen Wasserstoff. „Die Frage ist doch: Wie hoch muss der CO2-Preis sein, damit grüner Wasserstoff ebenso wettbewerbsfähig wird, wie Erdgas“, sagte der stellvertretende Chef des norwegischen Öl- und Gaskonzerns Equinor Björn Otto Sverdrup. Auch bei Equinor schaue man mit großem Interesse auf das Thema, noch sei Erdgas allerdings die deutlich günstigere Alternative.

Darin sehen auch Experten wie der Chef des Stadtwerke-Verbunds 8KU, Matthias Dümpelmann das bislang größte Hindernis: Grüner Wasserstoff sei schlicht zu teuer. Das liege aber maßgeblich auch an der aktuellen Gesetzgebung.

Noch müssen Power-To-X-Produzenten die gleichen Umlagen und Netzentgelte auf den Strompreis zahlen wie alle anderen. Und das obwohl sie das Stromnetz durch ihre Speicherfunktion eigentlich entlasten könnten. Das mache die Zukunftstechnologie äußerst unwirtschaftlich, kritisierte er. Nur mit großen Produktionsmengen und den richtigen Rahmenbedingungen werde Power-to-X rentabel.

Viele hoffen, dass genau diese Probleme in der angekündigten Wasserstoff-Strategie der Bundesregierung angegangen werden. Wirtschaftsminister Altmaier betonte zwar noch einmal, dass grüner Wasserstoff für ihn eine „Schlüsseltechnologie“ der Energiewende sei. Wann er die groß angekündigte Wasserstoff-Strategie jedoch tatsächlich vorlegen wird, wollte der CDU-Politiker auch am Dienstag noch nicht sagen.