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Klimaschäden sind ein unbewertetes Risiko für die Banken

In den Bilanzen der Banken schlummern milliardenschwere Bewertungsprobleme, deren Ausmaß noch unklar ist. Die Ratingagenturen schlagen deshalb Alarm.

Der Finanzsektor entdeckt die Klimagefahren. Foto: dpa
Der Finanzsektor entdeckt die Klimagefahren. Foto: dpa

Eigentlich sind Banken bei Weitem nicht die schlimmsten Klimasünder. Die niederländische Großbank ING arbeitet zum Beispiel bereits seit 2007 klimaneutral. Ab 2020 will die Bank für alle Standorte rund um den Globus erneuerbare Energien nutzen. „Banken können ziemlich schnell grün werden“, sagte ING-Chef Ralph Hamers vor ein paar Tagen auf dem Bankengipfel des Handelsblatts. Schließlich sei ihr direkter Klimafußabdruck relativ klein, wenn die Energie für die Büros aus ökologisch verträglichen Quellen kommt und Dienstreisen minimiert werden.

Aber Hamers weiß auch, dass das nicht das eigentliche Problem ist. Dieses Risiko schlummert in den Bilanzen der Banken. Denn die Geldhäuser finanzieren Klimasünder oder Kunden, denen Schäden durch den Klimawandel drohen. Diese Risiken sind noch immer schwer zu messen, aber sie sind so gefährlich, dass die Ratingagentur Standard & Poor‘s sogar vor einer „Herausforderung für die Stabilität des Finanzsystems“ warnt.

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Klimarisiken könnten die Art und Weise, wie Banken ihr Geschäft künftig betreiben, radikal verändern und einen größeren Einfluss auf ihre Bonität haben, heißt es in einem neuen Report von S & P. „Auch wenn der Klimawandel die Banken vor Risiken stellt, die über ihren üblichen Planungshorizont hinausgehen, ist es klar, dass sie jetzt handeln müssen“, fordert S-&-P-Analyst Mathieu Plait.

Es sind nicht nur die Ratingagenturen, die sich Sorgen machen. Die europäischen Aufseher haben die großen Geldhäuser in der Euro-Zone verpflichtet, ab dem Jahr 2022 ihre Umwelt- und Nachhaltigkeitsrisiken offenzulegen. Welche potenziellen Dimensionen das Problem hat, zeigt sich in den Niederlanden.

Dort hat die Notenbank die Messung von Klimarisiken bereits zum Bestandteil ihrer Überwachung des Finanzsektors gemacht. In einem Stresstest haben die Aufseher im vergangenen Jahr außerdem geprüft, welche Folgen eine abrupte Energiewende für die Finanzbranche hätte. Ergebnis: Bei den Banken könnten die Vermögenswerte um bis zu drei Prozent schrumpfen, bei Pensionsfonds um bis zu zehn Prozent.

Das mag auf den ersten Blick nicht dramatisch klingen. In absoluten Zahlen geht es allerdings um bis zu 160 Milliarden Euro allein für das niederländische Finanzsystem. Die S-&-P-Experten machen drei Risikoquellen beim Thema Klimawandel für die Finanzbranche aus. Da sind zunächst einmal die physischen Gefahren, die durch Klimaschäden selbst entstehen.

Schäden durch extreme Wetterphänomene haben das Potenzial, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Haushalten derart einzuschränken, dass sie Probleme bekommen, ihre Schulden zurückzuzahlen. Heinz Hilger, der Deutschland-Chef der britischen Großbank Standard Chartered, sieht das als Herausforderung für das Risikomanagement der Banken: „Wir versuchen schon seit Längerem, Klimarisiken in die Kreditbeurteilung einfließen zu lassen.“

Wichtiger werde in Zukunft etwa, die Abhängigkeit einzelner Kunden von Naturkatastrophen abzuschätzen. „Unsere deutschen Kunden weisen noch vergleichsweise geringe Klimarisiken auf. Aber das kann sich ändern.“ Besonders im Fokus stünden jene institutionellen Kunden, die Klimarisiken absichern und damit für die möglichen Auswirkungen der Erderwärmung besonders anfällig sind: Versicherer und Rückversicherer.

Noch wichtiger sind nach Meinung von S & P die sogenannten Übergangsrisiken. Dabei geht es um potenzielle Schäden, die durch Änderungen der Umwelt- und Klimapolitik entstehen. Darunter würden beispielsweise wirtschaftliche Probleme von Energieerzeugern und energieintensiven Unternehmen fallen, die durch eine abrupte Energiewende entstehen. Diese Risiken könnten durch Verluste an den Aktien- und Anleihemärkten oder durch faule Kredite auf die Banken durchschlagen.

Gefahr für das System

Schließlich warnt die Ratingagentur vor Gefahren für das gesamte Finanzsystem. Wenn die ersten beiden Risiken nicht nur einzelne Unternehmen, sondern ganze Branchen erfassen sollten, wie zum Beispiel den Energiesektor, die Bauwirtschaft oder die Landwirtschaft, könnte das zu systemischen Gefahren führen.

Volker Brühl, Vorstand des „Green and Sustainable Finance Cluster Germany“, einer von der Deutschen Börse und dem hessischen Wirtschaftsministerium getragenen Branchenplattform, befürchtet, dass die Finanzbranche das Problem nach wie vor unterschätzt. Ihm zufolge beschäftigen sich viele Banken bestenfalls halbherzig mit der Herausforderung des Klimawandels.

„Wie Klimarisiken das eigene Geschäft beeinflussen, untersuchen nur die Rückversicherer. Banken vernachlässigen das Thema sträflich. Das macht sie anfällig“, warnt der Wissenschaftler. Um ihre Klimarisiken systematisch zu bewerten, müssten Banken ihren Kundenstamm durchforsten, fordert Brühl.

Kunden, die zum Beispiel viel Geschäft mit fossilen Brennstoffen machen, in Überschwemmungsgebieten sitzen oder Produkte aus dürregefährdeten Regionen beziehen, stellten ein Bonitätsrisiko dar und müssten identifiziert werden. „Haben Klimarisiken eine Auswirkung auf das Geschäftsmodell und somit die Profitabilität von Firmenkunden, müssten Banken das eigentlich schon heute berücksichtigen“, meint Brühl. Viele europäische Geldhäuser seien aber gar nicht in der Verfassung, etwa einen großen Ölkonzern als Kunden abzulehnen – zu sehr seien die Banken auf die Einnahmen angewiesen.

Um ihre Klimarisiken zu verringern, sollten die Geldhäuser in einem zweiten Schritt aktiv auf Firmenkunden zugehen: „Klimarisiken müssen bei der Kreditvergabe und -bepreisung eine Rolle spielen.“ Firmen mit besonders klimaschädlichen Geschäftszweigen sollten Kreditlinien nur noch zu teureren Konditionen erhalten. Ab einer bestimmten Grenze sollten die Banken darüber nachdenken, die Darlehen ganz zu streichen, fordert der Wissenschaftler. „Deutsche Mittelständler finanzieren sich beispielsweise zu 80 Prozent über Bankkredite. Hier muss die Branche ansetzen“, so Brühl.

Neue Nachhaltigkeitsziele

Die niederländische ING zählt zu den Banken, die für sich in Anspruch nehmen, dass sie bereits an dem Problem arbeiten und Druck auf die Klimasünder unter ihren Kunden ausüben. „Wenn wir den Eindruck haben, dass bestimmte Kunden nicht mit uns an einem Strang ziehen, können wir die Geschäftsbeziehung am Ende abbrechen. Wenn wir das Gefühl haben, dass ein spezifischer Sektor keine Fortschritte macht, können wir ihn ausschließen“, sagte Hamers auf dem Handelsblatt-Bankengipfel.

Auf dem Klimagipfel Ende des vergangenen Jahres im polnischen Kattowitz haben sich neben ING auch vier andere Großbanken – BNP, Société Générale, BBVA und Standard Chartered – konkreten Nachhaltigkeitszielen verpflichtet. Gut möglich ist, dass andere Banken schon bald zu ihrem Glück gezwungen werden. Denn nicht nur die Ratingagentur S & P treibt das Thema Klimarisiken um.

Der Konkurrent Moody’s denkt laut Finanzkreisen bereits darüber nach, wie neben dem klassischen Rating nach streng betriebswirtschaftlichen Kriterien auch ein Nachhaltigkeits-Score zu ermitteln wäre. Europas Politiker und Aufseher könnten die Banken und andere Unternehmen dann dazu verpflichten, diese Bewertung zu veröffentlichen. Analog zum Haus-Energieausweis und zum Verbrauchsblatt bei Autos oder Elektrogeräten müssten die Geldhäuser ihre Kunden dann regelmäßig über den Stand ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen informieren.

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Kritischere Investoren

Der Kampf gegen den Klimawandel ist für die Banken jedoch nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Chance, wenn sie auf die sich verändernden Bedürfnisse der Anleger eingehen. Der Trend zum nachhaltigen Investieren kann den Geldhäusern neue Verdienstmöglichkeiten eröffnen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC kommt in einer neuen Studie für den Luxemburger Finanzplatz-Verband zu dem Schluss, dass die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Banken auch davon abhängt, ob es ihnen gelingt, der „wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsaspekten auf allen Ebenen“ gerecht zu werden.

Laut der Studie werden die sogenannten Millennials, also die zwischen 1980 und Mitte der 1990er-Jahre Geborenen, innerhalb der kommenden Jahre aufgrund von Einkommen, Erbschaften und Schenkungen „zur wesentlichen Nachfragegruppe bei Kapitalanlagen“. Diese Generation werde stärker auf Finanzdienstleister setzen, die überzeugende Lösungen bei der „Integration von Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards in die Anlageentscheidung“ bieten. Heißt im Klartext: Die nächste Generation an Bankkunden wird mehr von ihren Finanzmanagern fordern – etwa die Bekämpfung des Klimawandels.

PwC sieht den europäischen Finanzsektor hier in einer guten Ausgangsposition: „Mit der Entwicklung eines einheitlichen Rahmenwerks sowie klarer Standards und Definitionen zu Green Finance ist die Europäische Union globaler Pionier.“ So existiere bereits ein breites Angebot an nachhaltigen Kapitalanlagen und Finanzierungslösungen.

Geht es nach dem Willen der EU, dann sollen private Investoren Jahr für Jahr mindestens 180 Milliarden Euro in nachhaltige Investments stecken. Damit würden die Finanzmärkte zu einem zentralen Steuerungselement, das sicherstellen soll, dass die Europäer ihre Klimaziele doch noch erreichen.

Ein Gebiet, das viele Banken als Wachstumsfeld identifiziert haben, sind so genannte Green Bonds. „Anleihen nachhaltig wirtschaftender Unternehmen werden von Vermögensverwaltern immer stärker nachgefragt“, meint Standard-Chartered-Deutschlandchef Hilger. Die Analysten von S & P erwarten, dass der globale Markt für grüne Anleihen in diesem Jahr mit acht Prozent wachsen und ein Rekordvolumen von 180 Milliarden Dollar erreichen wird.

Aber das Beispiel zeigt auch, wie weit das Erreichen der Klimaziele noch entfernt ist. Die „Climate Bond Initiative“ hat errechnet, dass bis 2020 rund eine Billion Dollar an grünen Anleihen auf den Markt kommen müsste, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.

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