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EuGH sieht durch Karlsruher Urteil das EU-Rechtssystem gefährdet

Mit einem scharfen Kommentar reagiert der EuGH auf das Karlsruher Urteil zur EZB. Die Kläger wollen nun das EZB-Notkaufprogramm ins Visier nehmen.

Bis zum 5. August hat die EZB Zeit darzulegen, wie sie die Ziele eines 2,7 Billionen Euro schweren Kaufprogramms gegen dessen negative Begleiterscheinungen abgewogen hat. Foto: dpa
Bis zum 5. August hat die EZB Zeit darzulegen, wie sie die Ziele eines 2,7 Billionen Euro schweren Kaufprogramms gegen dessen negative Begleiterscheinungen abgewogen hat. Foto: dpa

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Staatsanleihe-Käufen der Europäischen Zentralbank (EZB) könnte nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) das Justizsystem der EU gefährden. Der EuGH kommentiere Urteile nationaler Gerichte zwar nicht, teilte der Gerichtshof am Freitag mit. „Ganz generell“ könne jedoch auf die ständige Rechtsprechung des EuGH hingewiesen werden, „wonach ein im Vorabentscheidungsverfahren ergangenes EuGH-Urteil für das vorlegende nationale Gericht bindend ist“.

Dass die Handlung eines EU-Organs gegen EU-Recht verstößt, dürfe nur der EuGH feststellen. So werde die einheitliche Anwendung des EU-Rechts gewahrt. „Meinungsverschiedenheiten der mitgliedstaatlichen Gerichte über die Gültigkeit einer solchen Handlung wären nämlich geeignet, die Einheit der Unionsrechtsordnung aufs Spiel zu setzen und die Rechtssicherheit zu beeinträchtigen.“ Nationale Gerichte seien dazu verpflichtet, „die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu garantieren“.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte am Dienstag die milliardenschweren Staatsanleihenkäufe der EZB beanstandet und sich damit zum ersten Mal gegen ein Urteil des EuGH gestellt.

Nach ihrem Teilerfolg in Karlsruhe gegen das alte Anleihe-Kaufprogramm der EZB haben die Kläger nun schon das nächste Ziel im Blick: Das EZB-Kaufprogramm in der Corona-Pandemie, das sogenannte Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). Dieses hatte die Notenbank als Reaktion auf die Coronakrise beschlossen. Es sieht Anleihekäufe im Umfang von 750 Milliarden Euro vor.

Im aktuellen Prozess ging es um vorherige Kaufprogramme zur quantitativen Lockerung (QE). Das Gericht war dabei zwar zu dem Urteil gekommen, dass diese nicht gegen das Verbot monetärer Staatsfinanzierung verstoßen. Allerdings betonte es dabei sehr stark die Bedeutung bestimmter Prinzipien wie etwa die Bindung der Käufe an den Kapitalschlüssel der EZB und die Auflage, dass die Notenbank nicht mehr als ein Drittel der ausstehenden Anleihen eines Landes kaufen darf. Bei ihrem Kaufprogramm in der Coronakrise hat die EZB hingegen die Flexibilität signalisiert, im Notfall von diesen Prinzipien abzuweichen.

„Das Gericht hat QE nur als ,gerade noch nicht Staatsfinanzierung´ qualifiziert und hat dabei vor allem auf die strikten Kriterien abgestellt“, erklärte Bernd Lucke, einer der 18 Kläger in der Sache vor dem Bundesverfassungsgericht. „Die muss die EZB auch bei PEPP beachten. Geschieht das nicht, könnte man erneut klagen, das ist klar.“

Die Verfassungsrichter entschieden am Dienstag, die EZB habe es versäumt, nachvollziehbar darzulegen, wie sie die Ziele des 2,7 Billionen Euro schweren QE-Programms gegen dessen negative Begleiterscheinungen abgewogen hat. Das QE-Programm sei deshalb nicht von der europäischen Kompetenzordnung gedeckt und in Deutschland daher auch nicht wirksam, hieß es aus Karlsruhe. Die Richter gaben der EZB drei Monate Zeit, dies nachzuholen. Anderenfalls dürfe die Bundesbank am Programm nicht mehr teilnehmen.

Weichenstellung im Sommer

Die von Karlsruhe gesetzte Frist läuft bis zum 5. August. Bis dahin will Lucke warten, bevor er über weitere Schritte entscheidet. Er sieht die EZB nun in der Pflicht, auch zu erklären, wie die Währungshüter das Für und Wider des PEPP-Programms abgewogen haben.

„Sonst können wir sofort eine einstweilige Anordnung in Karlsruhe beantragen“, sagte Lucke. Er gehörte zu den Gründern der Alternative für Deutschland (AfD), die den Euro ablehnt. 2015 verließ Lucke die Partei.

Wie schnell ein neues Verfahren in Karlsruhe auf den Weg gebracht werden kann, ist eine weitere wichtige Frage. Eine einstweilige Anordnung, wie sie Lucke im Sinn hat, hat das Bundesverfassungsgericht in der Sache QE sowohl 2017 als auch 2019 abgelehnt.

Normalerweise brauchen Verfassungsbeschwerdeverfahren Jahre, und die Richter in Karlsruhe müssten wiederum den Europäischen Gerichtshof einschalten, da es um EU-Recht geht. Ein Urteil wäre also vor dem Ende der Coronakrise kaum zu erwarten. Das QE-Verfahren dauerte fünf Jahre.

Peter Gauweiler, der ebenfalls klagte, ist sich sicher, dass das Urteil vom Dienstag zu einer Neubewertung des PEPP führen wird. „Um eine sichere Niederlage vor Gericht zu vermeiden, werden Regierung und Parlament mit Sicherheit auch das PEPP einbeziehen, wenn sie die EZB zu einer Verhältnismäßigkeitsprüfung drängen werden“, sagte der Rechtsanwalt und frühere CSU-Bundestagsabgeordnete.

Die EZB-Chefin Christine Lagarde äußerte sich am Donnerstag erstmals nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Auf die Entscheidung angesprochen, lehnte sie es zwar ab, eine konkrete Stellungnahme abzugeben, sagte aber, ihre Zentralbank sei „unbeirrt“ in ihrer Aufgabe, die Inflation im Euro-Raum und damit auch die Wirtschaft in Einklang mit ihrem Mandat wieder anzukurbeln.

„Wir sind eine europäische Institution mit Kompetenz im Euro-Raum“, sagte sie gegenüber der Agentur Bloomberg und fügte hinzu, dass die EZB dem Europäischen Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig sei und weiterhin der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unterliege.

Schwieriger Spagat für die EZB

Für die EZB ergibt sich unterdessen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die delikate Frage, ob sie die von den Karlsruher Richtern geforderte Abwägung der positiven und negativen Folgen ihrer Anleihekäufe selbst vornimmt. Wenn die EZB der Forderung nachkommt, könnte es so aussehen, als würde sie sich vom Bundesverfassungsgericht Vorgaben machen lassen. Diesen Eindruck will die EZB vermeiden. Im EZB-Rat gibt es daher Mitglieder, die fordern, dass sich die Bundesbank darum kümmern solle.

Die Experten der Bundesbank haben sich aber schon in dem Verfahren geäußert, auch zur Verhältnismäßigkeit. Ihr Chefvolkswirt Jens Ulbrich war als Experte in Karlsruhe geladen. Wie die EZB letztlich mit dem Thema verfahren wird, dürfte sich erst in den nächsten zwei bis drei Wochen klären.

In ihrem Statement warnte Lagarde zudem eindringlich vor den Folgen der Coronakrise. „Wir haben die beispielloseste Wirtschaftskrise in Friedenszeiten.“ Die gegenwärtigen Umstände seien „außergewöhnlich“. „Wir müssen alle möglichen Maßnahmen und Politiken ergreifen, um den Schock zu überstehen.“

Indes hält das deutsche Bundesfinanzministerium laut einem Bericht des „Spiegel“ beim Anleihen-Kaufprogramm während der Coronakrise die Forderungen des Verfassungsgerichts nach Verhältnismäßigkeit erfüllt. Die Beamten des Ministeriums haben demnach das 750 Milliarden Euro schwere Programm geprüft und fänden nichts zu beanstanden.

Eine Sprecherin des Finanzministeriums lehnte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters eine Stellungnahme zum Bericht ab, fügte aber hinzu: „Grundsätzlich nimmt die Bundesregierung ihre Integrationsverantwortung sehr ernst und ergreift alle dafür erforderlichen Maßnahmen.“

Mit Agenturmaterial